Flucht

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Kagome hätte sich ohrfeigen können. Sie war wütend über ihr eigenes Verhalten, war wütend, dass sie sich nicht so unter Kontrolle hatte, wie sie es sich vorgenommen hatte.

Ihre Mauer, die sie so konsequent aufgebaut hatte, war in dem Moment zerfallen, als InuYasha sie in seine Arme ziehen wollte. Und damit war die Gefahr entstanden, dass er ihre Gedanken und ihren Scham über ihr Geheimnis wie ein offenes Buch in ihren Augen lesen konnte.

„Kagome?"

Ihr Name wurde nur geflüstert, war kaum zu hören gewesen. Doch sie erkannte diese Stimme, blieb augenblicklich wie angewurzelt stehen.

Sie sagte nichts, drehte sich nicht um, als sie hörte, dass er näher kam. Sie begann zu zittern, die Anspannung schlug Wellen in ihrem Körper.

Er berührte vorsichtig ihren Arm, sie zuckte zwar ein wenig zurück, doch sie wich nicht aus. Dieses Mal ließ sie es geschehen. Als er vor sie trat und ihr Gesicht anhob, riss er vor Schreck die Augen auf. Ja, er hatte gewusst dass sie geweint hatte, doch er hätte nicht den Schmerz in ihren Augen erwartet, der ihm nun entgegen blickte.

„Kagome, was ist passiert?"

„Nichts, InuYasha."

„Und wer soll dir diese schwache Lüge glauben?", er lächelte sanft.

Doch Kagome schüttelte nur mit dem Kopf.

Er zog sie in seine Arme, hielt sie an sich gedrückt und setzte einen Kuss auf ihr Haar. „Was immer es ist, falls du irgendwann darüber sprechen möchtest, ich bin für dich da, Kagome. Vergiss das nie! Du bist nicht allein, du musst nicht für dich allein kämpfen."

Die Frau in seinen Armen krallte ihre Finger in seinen Haori, schluchzte auf und begann hemmungslos zu weinen.

Wenn er nur wüsste ... Sie hatte seine Fürsorge nicht verdient, hatte es nicht verdient, dass er sich Sorgen um sie machte und sich um sie kümmerte.

Dennoch konnte sie in diesem Moment nicht anders, als seine Hilfe und seinen Halt anzunehmen. Es tat gut, dass sie jemand hielt und Trost versprach, auch wenn er nicht wusste, woher ihr Kummer kam. Und auch wenn es ihr Geheimnis war, welches sie so aus der Fassung brachte, es war befreiender, in InuYashas Armen zu weinen, als dabei allein zu sein, wie ein ausgestoßenes Tier.

Kagome wusste nicht, wie lang sie weinend in seinen Armen stand, wie lang es dauerte, bis keine Tränen mehr aus ihr liefen. InuYasha hielt sie nur die ganze Zeit fest im Arm und wartete ab, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigte und das laute Schluchzen einem leisen Schniefen gewichen war. Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und brachte sie dann zurück zu ihrer Hütte.

Am nächsten Morgen wachte Kagome unerwartet früh auf. Ihr Magen krampfte und die Welt um sie herum drehte sich. Sie würgte und ihr war furchtbar schlecht. Als sie sich aufsetzte, rebellierte ihr Magen nur noch mehr und als sich vermehrt Speichel in ihrem Mund sammelte, wusste sie, was kommen würde.

Auch wenn es ihr nicht leicht fiel, sie schwang sich schnell aus dem Bett und schaffte es gerade rechtszeitig hinter ihre Hütte. Sie würgte, hustete, verkrampfte sich und ihr gesamter Mageninhalt verteilte sich auf dem Boden. Oh nein, was war denn das? Sie hatte sich mit einer Hand an ihrer Hütte abgestützt, hielt sich nun die andere Hand vor den Mund. Sie überlegte, ob sie sich vielleicht den Magen verdorben hatte, ob es den anderen genauso ging? Doch genauso plötzlich, wie die Übelkeit gekommen war, war sie auch wieder verschwunden.

Seltsam.

Sie ging in ihre Hütte, wusch sich das Gesicht in dem Eimer Wasser, welchen sie jeden Abend bereit stellte und goss diesen dann hinter ihrem Haus aus, um die Spuren ihres Malheurs zu beseitigen.

Eine folgenschwere NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt