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Die Sonne brannte hoch und hell am Himmel, erwärmte das Wasser auf den Feldern und zeigte keinerlei Gnade. Viele ältere Bewohner des Dorfes kamen mit diesen heißen Sommertagen nicht zurecht und mussten im Schutz der schattenspendenden Bäume bleiben und dort andere Arbeiten verrichten. Sango und Kagome hatten deshalb beschlossen, den Arbeitern auf den Feldern unter die Arme zu greifen und die jungen Reispflanzen vom Pflanzfeld ins gewässerte Reisfeld zu versetzen. Es war eine mühselige, anstrengende Arbeit, doch sie war von immenser Bedeutung, wenn alle in den Wintermonaten genug zu essen auf den Tellern haben wollten.

Seit vollen vier Wochen waren die Männer nun auf ihrer Mission unterwegs gewesen und endlich, endlich konnte Kagome die lang ersehnten Silhouetten am Horizont ausmachen. Aus den geplanten wenigen Tagen waren ungeplante Wochen geworden, die Mission wahrscheinlich umständlicher als gedacht. Doch das spielte keine Rolle mehr, denn endlich würde die Gruppe wieder komplett sein. Die Frauen würden ihre andauernde Wachsamkeit senken können und sich so endlich wieder etwas entspannen. Die Männer sahen sofort, wie sehr die Anstrengung der letzten Wochen an den beiden Frauen gezerrt hatten, sie wirkten gehetzt und furchtbar müde. Zudem schien Kagome auf Abstand zu allen zu gehen, umarmte keinen zur Begrüßung, auch wenn sie ihnen ein glückliches Lächeln schenkte.

Als der Hanyou versuchte, die Frau in seine Arme zu ziehen, entzog sie sich ihm sofort, ließ ihn nicht einmal die Chance auf eine Umarmung. Verwirrt sah er sie an. „Kagome, ist alles in Ordnung?"

Die Miko biss sich ein wenig auf die Lippe: „Ja, ich bin nur müde und erschöpft und total verschwitzt."

InuYasha sah sie zwar etwas skeptisch an, doch schließlich nickte er. Es klang vernünftig, was sie sagte und absolut einleuchtend. Außerdem war er ja nur vier Wochen weg gewesen, keine Monate oder Jahre. Denn dann hätte er ihre Ausrede nicht gelten lassen, dann hätte sie ihn umarmen müssen.

„InuYasha! Miroku! Und Shippou, oh mein lieber Shippou!", hörten sie eine bekannte Mädchenstimme schon von Weiten. Rin hatte natürlich längst gehört, dass die Reisenden zurück waren und hatte augenblicklich ihre Lehrbücher zur Seite geworfen und war los gelaufen, um sie zu begrüßen.

Auch wenn das Kind schon eine Jugendliche war, so hatte sie ihre kindliche Freude nie abgelegt und warf sich in die Arme von InuYasha. „Es ist so schön, dass ihr wieder da seid!", rief sie und umarmte schließlich noch Miroku und Shippou. „Ich habe euch so vermisst!"

„Geht ihr doch schon ins Dorf, wir machen hier nur noch alles fertig und kommen dann nach.", sagte Kagome schließlich und machte sich dann, ohne auf eine Antwort zu warten, wieder an die Arbeit.

Die anderen sahen ihr verdutzt nach. Der Augenblick der Freude, den Rin geschaffen hatte, war verpufft.

„Ist etwas vorgefallen?", fragte Miroku stirnrunzelnd.

Sango zuckte mit den Schultern: „Nein, eigentlich nicht."

Etwas später an diesem Tag, die Sonne war bereits untergegangen, die Männer hatten sich in der heißen Quelle entspannt und alle hatten gemeinsam gegessen, saßen sie vor Kagomes Hütte. Die Miko gab sich alle Mühe, sich zusammen zu reißen, ihr Herz verkrampfte sich vor Schmerz. Ja, sie hatte sich vorgenommen, InuYasha um ein Gespräch zu bitten, doch nun war sie dazu nicht mehr in der Lage. Im Gegenteil, sie wollte Abstand gewinnen, doch sie spürte, dass er sie beobachte, mit sich haderte und unruhig wirkte. Kagome wollte dem Hanyou nicht die Möglichkeit bieten, mit ihr zu sprechen, sie vielleicht sogar auszufragen und sprang beinahe schon fluchtartig auf die Füße. Sie musste etwas tun, sich bewegen, konnte nicht still dasitzen, wie die anderen.

„Ich werde mal das Geschirr spülen gehen.", sagte die Miko, griff nach den dafür vorgesehenen Tuch und lud das Geschirr hinein.

„Jetzt?", fragte Sango verwirrt und wollte aufstehen, um zu helfen.

„Bleib ruhig sitzen, es ist doch nicht viel.", winkte Kagome ab und machte sich augenblicklich auf den Weg zum Brunnen, wartete wieder nicht auf eine Antwort.

„Bist du sicher, dass nichts vorgefallen ist?", wiederholte nun Miroku seine Frage vom Nachmittag.

Und wieder zuckte Sango mit den Schultern: „Ziemlich sicher."

Kagome ließ sich absichtlich Zeit, spülte jede Schüssel besonders gründlich. Sie brauchte eine Pause, brauchte Ruhe und ja, auch wenn sie sich freute, dass die Gruppe wieder komplett war, so konnte sie dem silberhaarigen Hanyou kaum in die Augen schauen. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie auf ihr Verhalten ansprechen würde.

Seufzend raffte sie das Geschirr zusammen. Flucht war zwecklos, sie musste zurück. Immerhin war es ihre Hütte und sie kannte die anderen gut genug, um zu wissen, dass sie auf sie warten würden.

Doch es traf sie schlimmer als erwartet, denn als sie an ihren Freunden vorbei lief, um das nun saubere Geschirr in ihrer Hütte zu verstauen, erhob sich InuYasha, folgte ihr und schloss die Tür hinter sich.

Kagome sagte nichts, ging einfach weiter ihrer Tätigkeit nach und räumte das Geschirr in das Regal.

„Was ist mit dir los, Kagome?", fragte der Hanyou schließlich.

„Nichts. Es ist alles in Ordnung." Kagome kam diese Lüge überraschend leicht über die Lippen. Natürlich war nichts in Ordnung. Doch was sollte sie tun? Ihm alles beichten? 'Hey, InuYasha, ich habe mit deinem Bruder geschlafen. Ich hoffe das ist kein Problem für dich?'  Kagome schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. „InuYasha, wirklich. Es ist alles in Ordnung. Heute ist wohl einfach nicht mein Tag."

Der Silberhaarige verengte die Augen zu Schlitzen. Er glaubte ihr nicht. Aber es war kein Wunder, Kagome hätte sich nicht mal selbst geglaubt. „Kagome ..."

„Komm, InuYasha.", sie lief an ihm vorbei, wieder nach draußen.

Er seufzte.

Und gerade, als er ihr folgen wollte, wehte ein unbekannter Duft durch die Behausung der Miko. Doch er war zu flüchtig, zu zart, um ihn greifen und erkennen zu können. Etwas war anders, die Aura der Hütte hatte sich verändert, irgendetwas war passiert. Doch der Hanyou konnte die Veränderung nicht definieren, konnte nichts Auffälliges entdecken. Er schüttelte kurz den Kopf, versuchte die aufgekommenen Gedanken wieder abzuwerfen. Wahrscheinlich war er einfach nur zu lang weg gewesen und suchte nun verzweifelt nach einem Grund für das seltsame Verhalten Kagomes. Doch als er nach draußen trat und sie erneut betrachtete, fiel im tatsächlich etwas auf. Doch wieder konnte er nicht benennen, was es war, seine Sinne schrien auf, die Frau genauer anzuschauen, doch egal wie sehr er sich bemühte, er entdeckte es nicht.

Als er sich neben die Miko setzte, lächelte sie ihn an. Doch es wirkte unsicher, sie strahlte nicht, wie noch vor ein paar Wochen.

'Oh Kagome, was ist nur geschehen, wie konntest du dich in so kurzer Zeit nur so verändern?' InuYasha versank in seinen Gedanken und bekam bald nicht mehr mit, worüber seine Freunde an diesem Abend eigentlich sprachen. Erst als Kagome abrupt aufstand und sich entschuldigte, dass sie ein Bad nehmen müsse, sah er wieder auf. Kagome lief schon beinahe fluchtartig in Richtung heiße Quelle, doch dem Hanyou war der Geruch von Tränen nicht verborgen geblieben.

Als auch er aufstand, sah er zu seinen anderen Freunden hinab. „Ich werde mal nach ihr sehen."

„Willst du sie nicht besser in Ruhe lassen, InuYasha?", fragte Sango.

Er schüttelte mit dem Kopf: „Nein, sie kann es vergessen, dass sie Kummer hat und uns nicht sagt, warum." Mit diesem Satz verließ er das Lagerfeuer und folgte der weinenden Frau zu der heißen Quelle.


Eine folgenschwere NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt