"Wie groß sind diese Höhlen hier eigentlich?", fragte Antonia nach, während sie mit der Fackel die Felswände beleuchtete.
"Weiß nicht, niemand hat sich je um die Größe gekümmert. Hauptsache, wir können irgendwas damit anrichten", meinte Teras, welcher ihnen als einziger der Turmwächter offen war, schulterzuckend. "Na ja, aber ich würde sagen, dass sie recht groß sind."
"So ist das also...", fing sie auf einmal an, zu lächeln. "Ihr vom Berg seid immer so locker und offen, egal, welche Situation momentan herrscht. Dafür könnte man Euch schon beneiden..."
"Das kann man so nicht sagen", wandte Leiron in das Gespräch ein.
Shina unterstützte seine Worte voll Ernsthaftigkeit in der Stimme: "Selbst in ernsten Situationen fällt es uns schwer, Entscheidungen zu treffen. Aber wir können es nunmal so hinnehmen. Wir dürfen keine überflüssigen Gedanken verschwenden und müssen klar im Kopf bleiben, sonst ist der Kampf und damit der ganze Clan verloren."
Das, was sie sagte klang in den Ohren des anderen Clans wahrlich eindrucksvoll. Die Ehre, der Stolz und der Mut des gesamten Clans, den diese einzige Frau voll Stärke und weit reichender Intelligenz repräsentierte, zeugte von unglaublicher Kraft. Die Fähigkeit, jemanden mit einfachen Worten so zu beeindrucken, findet man selten auf der Welt, doch diese gerade mal 19 Jahre alte Frau konnte ihnen ihr Wissen und ihre Individualität beweisen.
"Ihr seid wahrhaft faszinierend, Lady Shina", bewunderte Antonia sie lächelnd.
"Ich kann mir nicht vorstellen, faszinierender als unsere Nazar zu sein", entgegnete ihr diese und blickte zu ihrer Cousine, welche nur verwirrt zurückschaute."Was plant Ihr eigentlich, wenn Ihr das Material gefunden habt?", meldete sich Leiron erneut zu Wort. "Es hieß, Ihr könntet mit dem Orychilon Waffen herstellen... Aber wofür braucht Euer Clan Waffen?"
Seine Stimme erschien misstrauisch und auch der Blick desjenigen zeugte von Skepsis.
"Unser Land hat im Gegensatz zu Euch noch wenige Krieger. Viele der Kinder möchten von uns lernen und auch mit echten Waffen in Kontakt kommen", erläuterte Josephine ihren Tatendrang. "Wenn es uns gelingt, mächtigere Werkzeuge als unsere jetzigen herzustellen, können wir den jungen Leuten unsere derzeitigen zur Verfügung stellen."
"Unsere Bewohner sehnen sich nach neuen Erfahrungen zum Sammeln. Sollten wir ihnen dieses Verlangen stillen können, gäbe es wieder etwas, wofür wir mit Freuden lächeln können", fügte die Baron-Kriegerin hinzu und passierte in einen Weg der nächsten Gabelung.
Die Mitglieder des hiesigen Clans wurden kurz überwältigt und unerwartet von ihrem inneren Instinkt dazu verleitet, ihnen von nun an richtig und ehrlich zu helfen.
Josephine und Antonia waren dabei, den rechten Weg einzuschlagen, dabei wurden sie aber aufgehalten: "Der rechte Weg führt weiter rauf, ich würde den linken wählen. Orychilon ist ein Gestein, das wie ein Kristall wachsen kann; jedoch nur mit dem Faktor der Kälte und Nässe, was man mit Tropfsteinen vergleichen kann. Von daher wäre es klüger, weiter nach unten vorzudringen."
Leiron, welcher dies gesagt hatte, beleuchtete die feuchten Felsen des Pfads und beobachtete dabei nur die Tropfen, welche langsam auf den sandigen Boden fielen, um anschließend in kleinen Spritzern aufgesaugt zu werden. Er wirkte währenddessen eigentlich desinteressiert, wobei seine Worte etwas anderes beinhielten.
Antonia drehte sich um und sah ihm in die Augen, auch wenn der Blick nicht erwidert wurde.Bereits eine Stunde wanderten sie durch die Minen der schwarzen Bergkette und trotzdem fanden sie nichts dergleichen vor. Andere Menschen befanden sich auch nicht darin, da sonstige Arbeiter am heutigen Tag aufgrund des Besuchs nach Hause geschickt worden sind.
"Das ist merkwürdig... Wir befinden uns momentan in etwa 200 Meter unter dem Meeresspiegel, die Tiefe, in der Orychilon wachsen sollte. Und dennoch sind wir bis jetzt auf nichts angestoßen...", überlegte Shina nachdenklich, womit sie auch vorsichtiger wurde.
"Banditen?", riet Leiron und blieb achtsam stehen.
Nazar legte sich mit dem Ohr voraus trotz Kälte und leichter Feuchtigkeit auf den mit einzelnen Kieselsteinen bedeckten Boden und schloss dabei die Augen. Während diesem Vorgang schwieg jeder, niemand sagte etwas, niemand machte eine Bewegung, niemand atmete. Bis sie wieder ihre Augenlider öffnete und sprach: "Drei fremde Körper, dem Gang nach zu urteilen männlich; wenn man aber das Gewicht von Orychilon dazu addiert, können es auch Frauen sein. Etwa 500 Meter weiter vorne."
Sie richtete sich wieder auf und wischte sich den Dreck von der Kleidung.
"Bergräuber?"
"Wahrscheinlich. Wie sie reingekommen sind, ist mir unklar, aber Seeräuber können es nicht sein. Zum einen die Grenzen vom Mond und Wetter Clan bewacht werden und zum anderen Seeräuber nicht über das Wissen der verzweigten Gänge dieser Berge verfügen sollten", schlussfolgerte Shina, darauf achtend, keine Informationen ausgelassen zu haben, wobei ihr aber schnell widersprochen wird.
"Es können sehr wohl auch Piraten gewesen sein", merkte Antonia an. "Es gibt eine Bucht an der Meeresgrenze zwischen Sonnen- und Wald Clan. Aufgrund bestimmter, unabhängiger Fluten, wird diese Stelle derzeit von Mitgliedern des Mond Clans und der Silvawächterin der Grünen studiert. Da die roten Mitglieder gerade jedoch etwas weiter auf das Meer gefahren sind, bleibt die Stelle nur noch von der Silvawächterin bewacht."
Nazar nickte verstehend. "Sollte sich derzeit also rein zufällig irgendwas im Wald ereignen, müsste die Silvawächterin, Swetlana, zum Ort des Geschehens, womit die Bucht unbewacht ist."
"So ist es. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Piraten sind, ist damit nicht gering."
"Im Gegensatz zu Bergräubern, handeln Piraten brutaler und ihre Waffen bekommen sie auch aus anderen Ländern... Kurz gesagt, Piraten sind wegen ihrer Vielfalt die stärksten und heimtückischsten Gegner eines Landes", fasste Leiron sein Wissen zusammen.
"Dies würde jedoch bedeuten, dass sie Verbündete auf dem Land haben."
"Und wir wissen immer noch nicht, wie sie hier reingekommen sind, geschweige denn, sich nicht verirrt haben."
Shina schüttelte den Kopf. "Sobald wir sie in die Finger gekriegt haben, können wir so oder so alle Informationen aus ihnen heraus nehmen.""Entschuldigt die Störung, aber was macht ihr da?" Nazar richtete vorwurfsvoll die Laterne gegen die drei Männer, welche große Lederbeutel auf dem Rücken trugen.
"Was zum- Der Bergclan!", bemerkte einer von ihnen und starrte die neu dazugekommenen Leute verängstigt an.
"Die Sonne nicht vergessen, wenn ich bitten darf", mischte sich Antonia ein, indem sie das Emblem ihres Clans, auf dem eine gelbe Sonne abgebildet war, vorzeigte, was auch Josephine tat."Also, raus mit der Sprache. Wer seid ihr und wieso stiehlt ihr Orychilon?", befragte Shina die Männer, nachdem sie diese festgenommen und aus den Minen gebracht hatten.
In den Lederbeuteln befand sich das gesuchte Metall und es stellte sich ebenfalls heraus, dass sie Piraten waren.
"Wir wurden von irgendeinem Auftraggeber dazu angeheuert, von hier dieses Zeug zu rauben. Wir wissen nicht, wer diese Person war", erklärte der Anführer der Bande.
"Was hat er euch dafür angeboten?" Leiron hob eine Augenbraue.
Der Mann schwieg.
"Antworte!" Sie packte ihn am Hemd und zog ihn zornig näher.
"Hundert Goldstücke."
Erstaunt ließ sie ihn wieder los. Weshalb sollte jemand für ein solch nutzloses Material wie Orychilon ganze hundert Goldstücke hergeben? Sie konnten sich nicht zusammen reimen, was das Motiv des Auftraggebers war.
"Wie seid ihr in die Höhlen gekommen?", meldete sich nun Teras zu Wort.
"Wir haben eine Karte von dem Auftraggeber bekommen, auf der ein Weg zu einem versteckten Eingang zu den Bergen im Wald verzeichnet ist. Ihr braucht gar nicht erst nochmal nachzufragen, die Karte haben wir nicht mehr."
"Auf der Karte stand auch gleich schon, wo wir in den Höhlen hingegen sollten", sagte ein anderer.
Dass der sogenannte Auftraggeber über solche Informationen in Besitz war, kam ihnen mehr als suspekt vor. Und auch dass Swetlana, die Silvawächterin, überlistet worden ist, scheint genauestens geplant worden zu sein.
"Wie dem auch sei, wir sperren sie erstmal ein und dann erzählen sie uns alles andere, was sie wissen."
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Königsspiel der Meere
Aventure∞ Königsspiel der Meere ∞ Die Meere, die Monster, die Menschen, die Machthaber, die Kriege und die Reiche existieren schon seit Anbeginn der Zeit. Die Meere gibt es schon seit man sie sehen kann. Die Monster töten schon seit sie denken können. Die M...