Kapitel 7

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Während ich redete notierte er sich irgendwelche Sachen auf einem kleinen Block, was mich von Wort zu Wort mehr aufregte. Auf diesen Blättern stand etwas über mich und das reizte mich ungemein. Ich wollte nichts über mich auf Papier haben! Weswegen hatte ich alle Unterlagen über mich aus der Schule geklaut, alle Fotos und Videos über mich, sowie meine Tagebücher verbrannt? Das ich die Seiten, die ich in Handwerk geschrieben hatte weggeschmissen hatte, war auch nicht aus einer schlichten Laune heraus passiert. Allein der Gedanke daran, dass etwas Vergangenes irgendwo festgehalten worden sein könnte ließ mich vor Wut kochen. Nichts sollte mich mehr am Vorwärtsgehen hindern!

Als ich meinen Monolog enden ließ, blickte ich ihn einen Moment an, da er sich etwas notierte, dann erst sah er zu mir auf.

„Das war doch schon einmal ein guter Anfang für heute. Unsere Zeit ist auch schon fast wieder vorbei. Nächste Sitzung würde ich dann gerne mehr über dich hören. Einverstanden?“

Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Als ob! Dann wurde jedoch aus meinem Gesicht ein Lächeln. Das bluffen hatte ich schon früh gelernt.

„Ich wäre einverstanden, wenn sie mir auch einen Gefallen tun würden.“

„Der wäre?“

„Alles was sie auf ihren Block oder irgendwo anders raufschreiben, was in irgendeiner Weise mit unseren Sitzungen zu hat, werden sie zerknüllen, zerreissen und am besten später noch verbrennen. Nicht darf davon übrig bleiben.“

Seinen Augen weiteten sich und ich konnte ihm ansehen, dass ich ihn absolut aus der Fassung gebracht hatte. Damit hätte er nicht gerechnet.

„Das wäre besser für meine Psyche“,fügte ich noch hinzu,“ Alles über mich niedergeschriebene regt mich auf.“ Als mein Psychologe MUSSTE er einfach darauf eingehen.

Und das tat er dann auch. Er ließ es sich einen Moment lang durch den Kopf gehen und nickte dann. „Okay abgemacht. Dann bis Morgen, Kora.“

Mein Lächeln verkneifend stand ich auf und ging zur Tür. „Bis Morgen.“

Dann zog ich sie hinter mir zu und schloss damit das nächste Fach des heutigen Tages ab.

Jetzt hatte ich eigentlich Pause, aber da ich nicht wusste wo, stand ich zuerst noch im Gang herum. Ein paar Personen gingen an mir vorbei, aber alle liefen in unterschiedliche Richtungen, so dass ich nicht wusste, wem zu folgen war.

„Okay schalt deinen Kopf an!“, murmelte ich zu mir selbst, woraufhin mich ein Mädchen schief ansah. Aber da der Blick nur kurz war machte ich mir keinen Kopf darüber. Irrenanstalt und so... Hier sollte es doch am wenigsten auffallen, wenn man sich mal daneben benahm.

Langsam und mich immer wieder umschauen, lief ich den Weg zum Werkraum zurück, als ich zu meiner großen Erleichterung die Tür fand, lief ich zu meinem Zimmer weiter und von dort dann zu Aula. Sobald ich vor der großen Doppeltür stand konnte ich nicht anders, als von einer Seite bis zur Andern zu grinsen. Umständlich, aber ich hatte es geschafft. Mit nun neuem Optimismus öffnete ich die Tür und stellte mich zu der Schlange, an der Essensausgabe.

Es dauert nicht lange, da gesellte sich jemand zu mir.

„Hallo, Kora. Und? Wie war dein erster Tag?“, fragte mich eine samtige Stimme in einer Geschwindigkeit, die mich zu höherer Konzentration aufforderte. Als ich mich zu ihr umdrehte, blickt ich in zwei tiefbraune Augen, die fast schwarz waren und ein so glattes Gesicht, dass man sie für eine Puppe halten könnte. Eine Puppe mit einem beneidenswerten olivfarbenen Hautton.

„Hey, Awa. Die Räume sind etwas verwirrend, aber das hat sich sicherlich bald.“

„Ja, mach dir deswegen keinen Kopf. Das hat sich bald. Und sonst so?“

Ich überlegte einen Moment bevor ich antwortete.

„Sonst ist alles gut. Die Leute hier sind ziemlich nett. Was irgendwie echt merkwürdig ist, findest du nicht auch?“

Gespannt beobachtete ich Awa, da mich diese Frage schon den ganzen Tag lang quälte, doch zu meiner Enttäuschung lächelte sie nur geheimnisvoll und schob sich dann vor mich in die Schlange, um ihr Tablett der Frau zu geben, die das Essen verteilte. Damit hatte sie mir den Rücken zugekehrt und mir zudem auch noch eine Antwort verweigert. Na super!

Sobald sie ihr Essen hatte stolzierte sie auch schon wieder davon und ließ mich grübelnd zurück. Es musste einfach einen Haken geben. Ein Haus voller Irrer und es ist wie... wie an einer normalen Schule.

Dieses Mal sah das Essen etwas mehr an etwas essbarem aus, aber auch nicht wirklich appetitlich. Irgendwo tief in dieser weiß-glibbrigen Masse steckt vielleicht Etwas, dass entfernt darauf aufmerksam macht, dass diese Pampe Hühnerfrikassee darstellen soll.

So sehr der Hunger auch an mir zerrte, konnte ich mich einfach nicht überwinden, und auch nur einen einzigen Löffeln davon essen. Wie am Tag zuvor schob ich alles lediglich mit meinem Besteck hin und her, woraufhin ich einen mitfühlenden Blick Monike-Seits zugeworfen bekam.

„Fürchterlich, nicht? Einfach ranzig. Das sollte man Tieren zu Essen geben und nicht normalen Menschen mit Rechten!“, schimpfte sie los, was sofort Zustimmung am gesamten Tisch fand. Einstimmig fingen sie an sich ebenfalls darüber aufzuregen, was mich hingegen dazu brachte meinen Kopf so in meine Hände zu stützen, dass meine Ohren bedeckt waren. Das Menschen sich immer über Alles und Jeden aufregen müssen? Vielleicht war auch einfach der Transport hierher zu umständlich für qualitätsvolle Ware, oder die Anstalt, Soratras, hatte einfach nicht mehr Geld zu Verfügung. Aber wer weiß schon unter welchen Umständen, die Alle aufgewachsen sind?

Plötzlich rollte ein kleiner, leicht verschrumpelter Apfel in mein Sichtfeld und als ich aufblickte, tauchte ich in zwei tiefblaue Augen ab.

„Hier iss den. Er ist zwar nicht sonderlich gut, aber besser als nichts, nicht wahr?“

Unwillkürlich lächelte ich und sah Alec dankend an, während ich den Apfel nahm und herzhaft hinein biss. Genussvoll und betont langsam zerkaute ich ihn und seufzte wohlig, als ich spürte, wie mein drängender Hunger langsam schwand.

„Danke schön!“, meinte ich mit einem seligen Lächeln, woraufhin Alec nur lachend den Kopf schüttelte. Dann jedoch stand er plötzlich auf und ging weg. Ich sah mich um und bemerkte, dass der Rest der Leute am Tisch ebenfalls gerade dabei waren wegzugehen und ich beeilte mich schnell den Apfel zum Großteil zu Essen, um mich dann auf den Weg zu meiner Ruhestunde zu machen. Vielleicht würde ich ja heute ein paar Seiten weiterkommen mit meinem Buch..

Irren ist menschlich.. (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt