"Zwei Shots Wodka, bitte!", rief ich zum Barkeeper.
"Klar, kommt gleich", sagte der Junge lächelnd, "Bitteschön".
Er übergab mir die Shots, ich drehte mich um und gab Jesse einen. Er sah mich verwundert an, aber nahm den Kurzen an.
"Woher der Sinneswandel?"
"Es gab keinen Sinneswandel, ich will einfach Spaß haben."
"Okay, Chloe."
Jesse lächelte und nahm den Vodka. Ich kippte meine direkt runter, als er sich kurz umdrehte und mit jemandem sprach. Lange hatte ich keinen Alkohol mehr getrunken. Ich war nicht der Typ Mensch, jeden Freitag auf eine Party zu gehen und mich zu betrinken. Ich verbrachte viel lieber meine Abende mit meinen Freunden. Mit Torrey und Elijah. Apropos Torrey und Elijah, ich habe sie den ganzen Abend kaum gesehen. Elijah hin und wieder mit dem Mädchen, jedoch ist Torrey komplett verschwunden. Aus dem Grund entschied ich mich ihr eine SMS zu schreiben. Ein Anruf wäre völlig sinnlos, da sie hier ihr Handy nicht hören würde. Ich machte mir Sorgen, denn wenn Torrey etwas trinkt, ist sie unberechenbar. Hoffentlich hat sie sich im Griff. Sie sollte gefälligst den Abend mit mir verbringen, da sie mich hierher gezerrt hatte.
"Alles in Ordnung?", riss mich Jesse aus meinen Gedanken. "Tut mir leid, ich hatte mich nur gewundert, wo meine Freundin ist."
"Ich bin doch eine viel bessere Begleitung..", sagte Jesse grinsend und zeigte seine weißen Zähne. Durch den Wind sahen seine Haare furchtbar zerzaust aus, er sollte wirklich zu einem Friseur gehen, dachte ich mir.
"Du bist eine tolle Begleitung, jedoch mach ich mir Sorgen um meine Freundin. Und da ich mir noch wegen irgendwas Sorgen mache, hätte ich gerne noch einen Shot!"
Jesse wendete sich an den Barkeeper und schon hatte ich das, was ich wollte: Alkohol. Ich erinnerte mich, wie Rick sich jedes Mal aufgeregt hatte, dass ich Alkohol getrunken habe. Er meinte, dass es sich nicht so gehören würde und er das an Frauen nicht mag. Die Gedanken an Rick gaben mir das letzte, also kippte ich einen Shot nach dem anderen runter.
"Lass uns tanzen, Jesse!", rief ich zu ihm und nahm dabei seine Hand.
"Hahah, das war's mit den Shots. Aber ja, lass uns tanzen."
Er zog mich zu sich, legte seine Hand an meinen Rücken und keinen Millimeter weiter runter. Eine meiner Hände vergrub sich in seinen wild zerzausten Haaren, die andere hatte ich an seinem Nacken. Er sah mich mit seinen glühend blauen Augen an und fing an zu lachen.
"Du bist wirklich nicht schüchtern, wie ich es gedacht habe"
"Tja, ich habe dir gesagt, dass du mich besser kennenlernen musst."
Wir tanzten lange eng beieinander und drängten uns in die Menschenmenge. Mir war egal, wer mich sah, was wir machten oder wie ich dabei aussah. In diesem Moment fühlte ich mich so frei und glücklich. Diesen Moment konnte mir niemand nehmen. Ich verbrachte den Abend mit einem jungen sympathischen Mann, welcher offensichtlich auf mich sympathisch fand. Ich konnte endlich abschalten. Alles um mich herum vergessen. Rick vergessen. Vergessen, was ich durchmachen musste. Dabei konnte ich endlich anfangen, mein Leben zu genießen. Das erste langsame Lied erklang, wodurch wir nicht mehr so tanzen konnten wie zuvor. Also nahm er meine Hand, zog mich zu sich, wobei ich meinen Kopf auf seine harte Brust lag und bedankte sich für den Tanz.
"Es ist schön, Zeit mit dir zu verbringen. Du bist offen und hast keine Hemmungen", sagte er.
"Das liegt am Alkohol, Jesse", lallte ich und lächelte.
"Das habe ich mir gedacht.", sagte er grinsend.
Er nahm mich fest in den Arm und flüsterte mir ins Ohr: "Lass uns verschwinden...Es ist schon spät.".
"Gehen wir zu dir oder zu mir?", fragte ich ihn.
"Zu dir. Wo wohnst du?", flüsterte er mir erneut ins Ohr. Ich nannte ihm die Adresse und schon liefen wir Hand in Hand davon. Mir war egal, was jetzt passieren würde. Die Zeit ist dazu gekommen. Rick ist Vergangenheit, deswegen wollte ich nach vorne schauen und Jesse war die perfekte Option, um für einen Moment egoistisch zu sein und die Situation auszunutzen. Wir liefen zu seinem Wagen, welcher sportlich und schwarz lackiert war. Er hielt mir die Tür auf, woraufhin ich mich setzte und anschnallte. In der Zeit saß Jesse bereits im Auto und startete den Wagen. Als er von meinem Haus hielt, meinte er, dass ich sitzen bleiben sollte, bis er mir die Tür aufmacht. Also tat ich das auch.
"Kannst du noch laufen oder soll ich tragen?", fragte Jesse.
"Ich muss zugeben, dass ich meine Füße kaum spüre, jedoch schaffe ich es glaub ich bis zur Haustür. Aber das ist egal..", sagte ich ihm und zog ihn Richtung Haustür. Ich kramte in meiner kleinen Tasche nach dem Hauschlüssel und nach langem Stöbern konnte ich endlich die Tür aufmachen. Als ich mit ihm reinlaufen wollte, blieb er an der Tür steht und zog mich zu sich.
"Willst du nicht mit nach oben?", lallte ich. Ich war so stolz auf mich, einen ganzen Satz formulieren zu können.
"Nein, Chloe, ich werde nicht mit dir nach oben gehen. Du bist betrunken und ich unterhalte mich ungern mit einem betrunkenen Mädchen. Ich wollte dich nur sicher nach Hause bringen."
Autsch, das war ein Korb. Genau das hätte ich jetzt nicht gebraucht. Jetzt werde ich wieder alleine gelassen. Einerseits ist das verdammt peinlich und andererseits ist er so freundlich und zuvorkommend.
"Das ist... peinlich. Und fürsorglich zu gleich. Sorry, und danke."
"Das soll dir nicht peinlich sein. Ich mach das gerne. Zumal weiß ich jetzt wo du genau wohnst.", sagte er grinsend.
"Das waren also deine Absichten heute Abend? Hahah, ach, Jesse.. Sicher, dass du nicht mit nach oben kommen willst? Meine Eltern sind auf Geschäftsreise.."
OK, was ist nur los mit mir? Dieses Verhalten hab ich dem Alkohol zu verdanken. Ich sollte damit aufhören. Oder nicht mal anfangen.
"Darf ich?", fragte er und ich schaute ihn mit einem fragenden Blick an.
"Ehm, ja?"
Er nickte und zog mich langsam in eine Umarmung und flüsterte mir etwas ins Ohr. "Du riechst so toll. So sehr ich auch mit dir die Zeit verbringen wollen würde, muss ich dich jetzt leider alleine lassen und zu meiner Enttäuschung gehen. Ich hoffe aber, dass ich nichts verpasse und wir das nachholen können. Und jetzt geh ins Bett und schau zu, dass es dir morgen nicht so schlecht geht.". Er ließ mich los, drehte sich um und ging. Ich stand in der Tür und konnte nicht glauben, was eben passiert ist. Jesse ist also einer von den Guten. Der Typ, der das Mädchen sicher nach Hause bringt, sich um sie kümmert und sie niemals in so einem Zustand ausnutzen würde. Und ich schämte mich zu Tode, ihn zu mir ins Zimmer gebeten haben, damit wir uns einen schönen restlichen Abend hätten machen können. Er hat mich abgewiesen. Wofür ich ihm eigentlich dankbar war, da ich das bestimmt nicht in so einem Zustand machen wollen würde.
Ich muss mich eindeutig bei ihm für mein Verhalten entschuldigen. Aber wie soll ich mit ihm reden, wenn ich weder weiß wo er wohnt, wie er mit Nachnamen heißt oder wie ich ihn sonst erreichen kann? Nicht mal seine Handnummer habe ich, um mich bei ihm melden zu können.
Langsam ging ich nach oben und fragte mich, ob mein Bruder zu Hause wäre. Doch ich hatte einfach keine Kraft mehr nach ihm zu schauen. Mein Kopf brummte, ich wollte nur noch duschen und schlafen. Genau das tat ich auch. Doch bevor ich eingeschlafen bin, erinnerte ich mich daran, dass ich Torrey eine SMS geschrieben hatte. Also überprüfte ich mein Handy und musste feststellen, dass sie mir nicht geantwortet hatte. Jedoch hatte ich eine SMS von jemand anderen.
Unbekannte Nummer: "Dieser Abend war wunderschön. Du warst wunderschön. Wir sehen uns. xx Jesse."
Jetzt hab ich seine Nummer.
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Nur ein Jahr
Teen Fiction"Wenn du jetzt gehst, ist alles vorbei. Für immer." "Ich muss gehen, Elijah. Versuch mich zu verstehen." "Das meinst du doch nicht ernst? Ich mach das nicht mehr mit. Verschwinde!" Und so sehr er mir auch leid tat, wusste ich, dass ich gehen musste...