Punsch (Ü)

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"Ich gehe jetzt, Dario...Dario?", rief ich in die endlose Stille unseres Hauses. Ich wusste er war da, oder doch nicht? In Windeseile rannte ich die Treppen hoch und klopfte an seiner Tür- keine Reaktion. Da hörte ich wie die Haustür geöffnet wurde und wieder schloss. Ich hörte Stimmen: Dario und Rick, sie tuschelten verliebt. Sofort verließ ich sein Zimmer und stellte mich in den Gang. Darios Lächeln verblasste als er mich sah, Rick nickte mir zu.
"Wo will Madame denn hin?", fragte Rick, dabei knuffte er meinem Bruder in die Rippen. Der Blick des Todes wanderte von mir zu ihm.

"Ich gehe raus.", meinte ich verspielt. Rick hob eine Augenbraue und lächelte verschmitzt.
"Wohin denn?", fragte er weiter, doch Dario zog ihn an mir vorbei.
"Weihnachtsmarkt.", antwortete ich trocken und lief die Treppen runter. Was hatte Dario nur gegen mich? Was habe ich ihm getan?

Ich sah auf die Uhr: halb 5. Verdammt, mein Bus in die Innenstadt kam gleich. Ich legte einen gewaltigen Zahn zu und erreichte rechtzeitig die Haltestelle. Gemächlich tuckerte der Bus in die Innenstadt, sofort sah ich Dan auf mich warten. Sein Lächeln ließ meine schlechte Laune von daheim sofort versiegen und als ich ausstieg küsste er mich. Wieder verbreiteten sich tausend Schmetterlinge in meinem Körper und die kalte Wintertemperatur konnte mir nichts anhaben. Er trug eine königsblaue Steppjacke und eine graue Mütze, mein hellgrauer Mantel war mit dem beigen Schal da das krasse Gegenteil.
Er führte mich zum eigentlichen Mittelpunkt des Marktes und schleuste uns gekonnt zu den warmen Getränken.

"Willst du auch einen Punsch?", fragte er, während er in seiner Tasche nach etwas suchte.
"Gerne, warte ich gebe dir das Geld. Wie viel kostet der denn?"
"Ne lass, ich zahl das schon.", meinte er und als er seinen Geldbeutel gefunden hatte sah er zum Stand. Mit "Warte hier" und einem kurzen Kuss ließ er mich am Tisch stehen.

Mit zwei heißen Tassen kam er dann zurück und legte wieder sein süßes Lächeln auf- ich habe es schon damals geliebt. Ich konnte nicht anders als ihn zu küssen und mich in eine Umarmung verwickeln zu lassen.
"Ich bin froh, es dir endlich gesagt zu haben.", raunte Dan mir in die Haare.
"Ich bin froh, dass ich es nicht musste.", meinte ich und lachte.

"Was wollte Monsieur Poulet heute eigentlich mit dir reden?", fragte er als ich mich gelöst hatte und vorsichtig an meinem Punsch nippte.
"Ach, das ich womöglich bald Versetzungsgefährdet bin. Und dass meine Noten in den Prüfungen zu schlecht sind- wobei sich das ja von selbst erklärt."
"Wenn du willst kann ich dir Nachhilfe geben, meine Noten lassen das zu.", bot er an, "Obwohl ich mir deinen plötzlichen Leistungsverlust nicht erklären kann. Du warst doch auch mal so gut!"
"Ja schon, es ist lieb dass du mir helfen willst, aber du wirst wenig Erfolg haben" Er nippte ebenfalls an seinem Punsch, verbrannte sich allerdings die Zunge.
"Warum bist du dir da so sicher?", hakte er nach.
"Ich habe eine Blockade. Ich kann noch so viel lernen, ohne das es überhaupt in meinem Gedächtnis ankommt. Das hat nichts mit plötzlichem Leistungsverlust zu tun. Ich bin nicht einmal mehr in der Lage längere Texte zu lesen. Die Buchstaben verschwimmen. Die Lehrer verstehen das natürlich nicht.", erklärte ich ihm.
"Aber wenn du durchfällst? Dann musst du wiederholen.", sagte er nachdenklich.
"Ich weiß, ich kann es aber nicht verhindern. Auch wenn das der Untergang unserer verbliebenen Familie sein wird.", murmelte ich traurig. Ermutigend zog er mich an sich und drückte mich kurz, dann meinte er:
"Dein Bruder wird dir schon nicht den Kopf abhacken." Ich sah ihn mit gläsernen Augen an.
"Pah! Das interessiert den n' Scheißdreck! Das Interesse hat er längst verloren. Das einzige was ihn interessiert ist sein Freund und das Sofa. Sein Job in der Bar hat er auch verloren.". Dan schluckte und überlegte.
"Kann es sein, dass dein Bruder depressiv geworden ist?", wollte er wissen.
"Gut möglich. Allerdings klärt das nicht unser baldiges Geldproblem. Ich muss mir einen Job suchen.", meinte ich bedrückt und nahm mehrere große Schlücke aus der lauwarmen Tasse an der ich meine Hände wärmte. Ein Gedankenblitz schien meinen Freund zu erreichen.

"Hey, meine Mum hat doch den Blumenladen vor ein paar Jahren eröffnet. Der hier um die Ecke, weißt du wo? Ich könnte sie fragen ob du bei ihr anfangen ­könntest. Sie hat im Moment Platz für eine Ausbildung und oder Aushilfe.", sprach er seine Idee aus. Mein Gesicht erstrahlte und ich legte meine Lippen auf seine.

Ich war noch nie so verlieb gewesen- gut, er war ja auch mein erster Freund.

~

Rückblick- Eine Erinnerung Miras

Ich stieg mit meinem Vater und Dario in unseren neuen Mercedes. Die Franzosen waren eigen und verstießen Autos die nicht aus dem eigenen Land kamen, bei einem dicken Mercedes Benz machten sie allerdings eine Ausnahme. Sowas war bei Diplomaten sehr beliebt- wir waren das aber nicht. Es war ein Geschäftsauto von der neuen Firma, deren Hauptsitz in Deutschland war. Mein Vater konnte diesen Wunsch soweit aushandeln, dass er dieses Auto hier melden durfte und wie ein Privates nutzen durfte. Er hätte sich dieses Auto sowieso früher oder später geholt, das große Haus ging aber erst vor. Wir waren keine Millionäre, aber etwas mehr hatten wir da schon.

Mein Vater startete den modernen Wagen und fuhr in das Parkhaus in der Innenstadt von Toulouse. "Ich habe in der Zeitung gelesen, dass ein Blumenladen geöffnet hat. Wenn der gut ist muss ich nicht an den Stadtrand fahren.", meinte er amüsiert. Heute war der Geburtstag meiner Mutter, mal wieder wollte Dad weiße Rosen besorgen.

Tatsächlich: Ein relativ großer Blumenladen hatte eröffnet. "Jardin de fleurs" stand obendrüber. Blumengarten. Voller Vorfreude betraten wir den Laden und wurden von einer netten Dame empfangen. Um sie herum tänzelte ein Junger meinen Alters. Ich lächelte ihn zaghaft an, doch er versteckte sich hinter seiner Mutter.

"Dan, geh bitte nach hinten. Ich komme gleich.", meinte sie zu dem Jungen und er erwiderte:
"Ich geh kurz auf die Toilette." Die Mutter nickte und wandte sich wieder uns zu. Irgendwie fand ich den Jungen süß. Was ich nicht wusste: er würde in meine neue Klasse gehen.

Jaja, ist noch kein Weihnachten. Das hört man jetzt wieder öfter, nicht nur wegen dem ganzen Süßkram und so. Der beste Moment kommt eh, wenn deine Lehrerin in Rhythmische Sportgymnastik eine Legende unter den Weihnachtsliedern abspielt und nicht einmal weiß dass es eins ist. Sie höre das das ganze Jahr... mein Gesicht war unbezahlbar O.o (Schulunterricht :))

Nichts desto Trotz werde ich eins meiner Lieblings-Weihnachtslieder verlinken, auch um die Situation auf dem Markt zu unterstreichen ;)

Blut und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt