die Beichte (Ü)

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"Guten Morgen! Setzt euch bitte, wir werden heute sofort mit dem Unterricht beginnen. Wir müssen einiges an Unterricht nacharbeiten. Besonders die, die die letzten Tage oder Wochen öfters gefehlt haben.", sagte unser Mathelehrer und sah mich dabei eindringlich an. Oft konnte ich wenig für die Fehltage, doch das schien ihm egal zu sein. Genauso dass ich Mathe- eigentlich fast alle Fächer- überhaupt nicht verstand und kaum aufholen konnte. Es war die letzte Stunde, mein Kopf war schon lange dicht.

"Mira, wie komme ich auf das Ergebnis von y=5x-4? Komm bitte nach vorne.", sagte er provokativ.
"Entschuldigung, aber ich war an dem Tag nicht anwesend. Ich konnte das noch nicht nachholen."
"Das ist mir egal. Du bist selbst schuld.", er beharrte stur auf seine Meinung.
"Aber..."

"Mira, Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ich trage dir mündlich eine sechs ein, oder du kommst nach vorne und ich gebe dir möglicherweise Hilfe.", meinte er drohend, indem er seine Weise Hand- die durch das wischen an der Tafel weiß wurde- mit der Kreide hob und einen eisernen Blick zeigte. Widerwillig erhob ich mich, aber plötzlich schrie ein Junge in den Raum:
"Ich kann es doch auch lösen! Geben Sie Mira keine sechs, sie kann wirklich nichts für ihr Fehlen."
Es war Dan, doch der Lehrer schien sich nicht beeinflussen zu lassen. Er schüttelte den Kopf und lotzte mich nach vorne.

An der Tafel stachen alle Blicke tief in meinen Rücken, nervös und mit zitternden Fingern hob ich die Kreide und dachte fieberhaft über die mögliche Lösung nach. Doch mein Kopf blieb leer, so wie die vergangenen Tage und Wochen.

Der Lehrer half mir, machte die Aufgabe im Prinzip allein und bat mich nach der Stunde zu ihm an den Pult zu kommen. Nora versuchte mir einen trostspendenden Blick zu schenken, doch dieser half mir nicht wirklich. Wie sollte ich denn nur diese elende Blockade wieder lösen?  Wie sollte ich die Prüfungen schaffen, ohne heulend aus dem Raum zu stürmen, weil ich nichts aber auch überhaupt gar nichts hinbekam?

Nach der Stunde kam ich nach vorne wie von mir verlangt. Dan ging als letzter langsam aus dem Raum, er wartete vermutlich auf mich.

"So, Madame. Ich denke du weißt warum du jetzt hier sprichst?",  fragte  Herr Poulet [heißt Hühnchen xD]. "Nicht so ganz.", antwortete ich unsicher.
"Nun gut. Dann frage ich mal ganz konkret: Warum fehlst du so oft ohne das du etwas dafür kannst?" Ich überlegte lange, da ich ihm eigentlich nicht alles erzählen wollte.
"Mira?", hakte er nach.
"Ähm ja. Also wissen sie- falls Sie es noch nicht mitbekommen haben- meine Eltern sind vor ein paar Wochen im Attentat umgebracht worden. Da die meisten Behörden nur Vormittags geöffnet haben muss ich die Schule entfallen lassen- selbstverständlich mit Entschuldigungen."

Poulet schwieg, er sah bedrückt an mir vorbei, ehe er tief durchatmete, sein Hemd straffte und sich erhob.
"Mira, es tut mir wirklich leid das zu hören, aber dennoch sind wir uns einig, das Schule im Moment wichtiger ist. Du willst doch sicher auch mal Arbeiten?". Ich nickte nur betroffen und klammerte mich an meine Schultasche.
"Außerdem habe Ich bei dir festgestellt, dass du unkonzentriert bist und kaum noch logisches Denken anwenden kannst. Das bereitet mir zunehmend Sorgen. Von deiner letzten Arbeit will ich gar nicht anfangen. Vielleicht rede ich mal mit Monsieur Deman?"

Monsieur Deman war mein Klassenlehrer und alles andere als Verständnissvoll, Hauptsache er bekam seinen Unterricht durch.

"Müssen Sie das wirklich?", wollte ich ängstlich wissen. Er nickte.
"Mira, wenn du so weiter machst, bist du Versetzungsgefährdet. Deine Prüfungen werden nicht ausreichend sein."
"Und Sie glauben, durch das reden mit Herr Deman werden meine Noten besser? Kommen Sie Herr Pulet, ich war doch immer eine Musterschülerin!", fragte ich ungläubig. Wieder nickte er, rückte seine braune Hornbrille zurecht und packte seine Sachen vom Tisch in seine zefetzte Tasche. Es war ein Phänomen, da Herr Poulet erst gut 5 Jahre unterrichtete, dementsprechend war er auch erst knapp Mitte Dreißig, Attraktiv und eigentlich ganz Sympathisch- wenn man das heutige Gemaule wegnimmt.

"Wenn ich mit Laurent, Pardon Herrn Deman rede, wird er vielleicht mit reden oder deinen Eltern. Du bist krank Mira, dir muss geholfen werden!" "Ich habe nur noch meinen Bruder.", korrigierte ich ihn. Er nickte und kratzte sich am stoppeligen Kinn. Dann fuhr er durch seine kurzen kastanienbraunen Haare und versuchte ein Lächeln- was ihm kläglich misslang.
"Dann kannst du jetzt gehen. Du willst sicher noch deine restliche Mittagspause genießen. Ich gebe dir dann Bescheid.", meinte er nach einer kurzen Stille und fügte dann hinzu: "Dein Freund wartet schon lange auf dich." Ich wollte widersprechen, doch da öffnete er schon die Türe und zwinkerte mir zu. Ich stolperte hinaus direkt in Dans Arme. Dieser war überrascht und erschrocken zugleich, doch er hatte gute Reaktionen und fing mich in seine Arme auf.

"Oh ähm, tut mir leid! Danke.", flüsterte ich, überrascht über die plötzliche Körpernähe. Ich war Dan - obwohl ich ihn schon länger kannte- noch nie so nah gekommen. Plötzlich kribbelte alles und ich bemerkte, wie er mich immer noch in seiner Umarmung umschmiegte. Sein süßes Parfum kroch in meine Nase und ich sog ihn freudig auf.

Ich räusperte mich.
"Du, ähm, kannst mich wieder loslassen, danke." Sofort entließ er mich aus der Welt und mit ihm ging das kribbelnde Gefühl. Mein Kopf sagte, ich solle ihm sofort wieder in die Arme rennen, mein Bauch meinte "Lass es lieber, das passt nicht zu dir." Also hörte ich auf meinen Bauch, stattdessen lächelte ich ihn an.

"Hast du Hunger?",  überspielte Dan seine Röte im Gesicht.
"Ähm ja klar, wo willst du hin?" Er zuckte mit den Achseln, dann setzte er sich in Bewegung.
"Wie wäre es mit gebratenen Nudeln und Hühnchen?", schlug er vor.
"Ja klar, super Idee. Aber dann müssen wir uns etwas beeilen.", stimmte ich zu. Bis dorthin wären ungefähr 5 Minuten, genug Zeit um ein Gespräch anzufangen oder zu verhauen. Sollte ich es ihm sagen?

Die erste Minute liefen wir nur still nebeneinander her, dann räusperte Dan sich und sagte:
"Du wunderst dich sicher, warum ich so lange auf dich gewartet habe, oder?"
"Naja, du hast schon öfters auf mich gewartet, allerdings als wir das ausgemacht hatten.", meinte ich. Mir war nicht klar, worauf er hinaus wollte.

"Also, ähm es gibt da was, was ich dir sagen muss. Eigentlich schon länger aber ich habe mich nie getraut.", er stockte und hielt an, dann sah er mir in die Augen. Mir dämmerte, was er mir sagen wollte, doch wollte ich mich nicht zu früh freuen.
"Kommt ganz gelegen, ich muss dir auch noch was beichten.", sagte ich, "Aber fang du an."

Er überlegte kurz und sah dann zu Boden.
"Ich kenne dich jetzt schon ein paar Jahre und wir sind super befreundet, allerdings fühle ich in letzter Zeit mehr für dich. Vielleicht liegt es daran, dass wir alle reifer werden." Ich hielt vor Glück die Luft an, dann konnte ich mich nicht halten und sprang ihm zum zweiten Mal heute in die Arme.

Statt zu antworten küsste ich ihn kurz auf den Mund. Sofort erwiderte er den Kuss und hielt mich fest.

Der schönste Moment seit langem!

"Das bedeutet wohl, dass wir jetzt zusammen sind?", wollte er sich vergewissern. Ich nickte und küsste ihn erneut. Dann löste ich mich und er Griff nach meiner Hand. Mein Gesicht erstrahlte- wie Seins, nur das er eine leichte Röte hatte.

"Und was wolltest du mir beichten?", griff er das Gespräch wieder auf. Sofort lachte ich auf, meine Beichte hatte sich mehr oder weniger erledigt.
"Ich wollte dir eigentlich dasselbe sagen.", auch er lachte, "Zum Glück hast du es zuerst getan!"

Und schon waren wir im Restaurant, bestellten und aßen.

"Hey, ähm bis morgen Abend ist der Weihnachtsmarkt, sollen wir heute noch da hin? So nach der Schule oder so?", fragte er, nachdem er seinen Mund geleert hatte. Ich nickte. Wie romantisch! Tausende Bilder von verliebten Paaren auf dem Weihnachtsmarkt schossen in meinen Kopf. Früher fand ich sie eklig, schon heute würde ich dazu gehören.

Blut und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt