Sieben

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Ich schlage meine Spindtür zu und zucke heftig zusammen, als dahinter ein grinsendes Gesicht zum Vorschein kommt.
»Verdammt Bill erschreck mich nicht so!«,meine ich, nachdem ich die Luft scharf eingezogen hab und schlage meinem Freund gegen den Oberarm.
»Kann ja keiner ahnen, dass du so schreckhaft bist«,grinst er und hält das Handgelenk des Armes, mit dem ich ihn schlagen wollte, fest, um mich eine Sekunde später an sich zu ziehen.
Ich rolle leicht grinsend mit den Augen und lege den Kopf ein Stück in den Nacken, um ihn ansehen zu können.
Meinen Arm legt er nun ebenfalls grinsend auf seiner Schulter ab, woraufhin ich das selbe mit dem Anderen mache.
Bills Arme um meine Taille lassen mich schaudern.
»Dein Gesicht sieht ja kein Stück besser aus«,meine ich und fahre mit den Fingerspitzen leicht über die blauen Flecken, die sich hauptsächlich auf der linken Seite seines Gesichtes abzeichnen.
»Mhh, dieser Typ hatte einen harten Schlag drauf«,entgegnet Bill und zuckt die Schultern.
Seit ich Samstag bei ihm war, haben wir uns nicht noch einmal gesehen, bis jetzt.
Sonntag musste ich den Schulstoff von Freitag nachholen und den für die kommende Woche vorbereiten, was den ganzen Tag in Anspruch genommen hat.
Aber was erwarte ich eigentlich, wenn ich erst halb Zwei von Yesko aus meinem Bett geschmissen werde?
»Hast du Schluss?«,fragt Bill und unterbricht meine Gedanken damit.
Ich nicke, woraufhin sich ein Grinsen auf seinem Gesicht abzeichnet.
»Sehr gut, fahren wir runter nach Laurel in dieses Chinesische Restaurant, von dem Ja-«
»Sorry, das geht heute nicht, ich bin schon mit Amber verabredet«,entgegne ich noch bevor er ausreden kann und setze eine entschuldigende Miene auf.
Sein Grinsen erlischt.
»Morgen, okay?«,frage ich und ziehe die Augenbrauen leicht nach oben.
»Morgen, okay«,wiederholt Bill meine Worte als Antwort und küsst mich dann lächelnd.
Ich erwidere den Kuss nur kurz, dann löse ich mich von ihm.
»Ich muss los, Yesko wartet«,meine ich und winde mich aus seinen Armen.
»Bis morgen«,werfe ich noch über die Schulter, ehe ich mich nach draußen mache, um Yesko nicht zu lang warten zu lassen.

Auf dem Weg nachhause setzt mich mein Bruder an der Bibliothek, an der ich mich mit Amber verabredet habe, ab.
»Ich fahr dann allein nachhause«,meine ich zu ihm, als ich vom Motorrad absteige und meinen Helm abnehme. »Komm nicht zu spät«,erwidert er.
Ich rolle mit den Augen, schmunzele aber. Ich glaube so schnell werde ich abends nicht mehr aus dem Haus kommen.
»Mach ich nicht, bis später!«
Mit diesen Worten drehe ich mich um, um hinein zu gehen.
Amber erwartet mich bereits im Eingangsbereich.
Nach einer für sie typisch herzlichen Begrüßung, zieht sie mich bereits die Treppen hinauf in die Bibliothek. »Ich dachte wir fangen bei griechischer Mythologie an, gehen über die Nordische, bis zur Indischen. Ach und die Irische dürfen wir nicht vergessen!«,plappert meine beste Freundin drauf los. Sie scheint sich regelrecht darauf zu freuen alle möglichen Mythologien zu durchforsten nach irgendetwas, was dem ähnlich ist, was ich gesehen habe. Ich hingegen sehe darin nur einen großen Haufen, nervenraubende Arbeit. In der Abteilung Mythologie angekommen beginnt Amber sogleich dicke Wälzer, älter als wir zusammen, aus den Regalen zu ziehen und auf meine ausgestreckten Arme zu stapeln. »Amber, das reicht!«,meine ich, als ich den hohen Stapel nur noch mit Mühe halten kann. Das blonde Mädchen schaut sich noch einmal kritisch um und zieht dann noch ein Buch aus dem Regal, was sie sich unter den Arm klemmt. »Fürs Erste«,entgegnet sie und macht sich auf den Weg zum nächsten Tisch. Ich rolle mit den Augen und folge ihr, während meine Arme unter der Anstrengung schon zu zittern beginnen. Schließlich sitzen wir zusammen an einem kleinen Tisch, umgeben von Bücherstapeln. Insgesamt sind es gut zwölf Werke, die Amber herausgesucht hat. Seufzend nehme ich das Erste was mir in die Augen fällt. Das große Handbuch der afrikanischen Mythologie. Amber hat ihre Nase schon lange in die griechische Kultur gesteckt und ließt vollkommen aufmerksam, was ich ihr seufzend gleichtue.

Knapp eineinhalb Stunden und drei Bücher später stöhne ich frustriert auf und schlage das Buch vor mir zu, ehe ich es demonstrativ auf den Tisch knalle. »Das bringt doch alles nichts!«,jammere ich und lasse mich tief in den mittlerweile ziemlich ungemütlichen Stuhl sinken. Von Amber kommt keine Reaktion, sie überfliegt immer noch konzentriert den Text. Ich rolle mit den Augen und will gerade wieder ansetzen, als Amber das Buch auf dem Tisch ablegt, ohne den Blick von den Seiten zu nehmen. »Hör dir das an«,beginnt sie und ich rutsche interessiert in meinem Stuhl wieder nach oben. »In einigen Quellen aus den alten Tempeln finden sich noch Überlieferungen von 'Kindern des Teufels', sogenannte Ijkraten. Zeichnungen in den Höhlen unter dem Tempel weisen ebenfalls auf diese besonderen Menschen hin, die außergewöhnliche Gaben gehabt haben sollen. Manche von ihnen sollen die Elemente haben bändigen können, andere beherrschten Telekinese und die Stärksten unter ihnen haben sogar Wetter, Licht und Schatten kontrolliert. Ijkraten wurde die direkte oder indirekte Verwandtschaft zu dem Teufel persönlich nachgesagt, der seinen Kindern die Kräfte gegeben haben soll, um der Menschheit zu schaden.«

Meine Augenbrauen sind zusammengezogen, als Amber den Blick hebt, um mich anzusehen.
»Denkst du das ist es?«,fragt sie mich mit gedämpfter Stimme und sichtlich ungeduldig.
Ich zögere, bevor ich antworte.
»Ich weiß nicht...«,entgegne ich unsicher.
Obwohl die Beschreibung gut auf meine Erlebnisse passt, fühle ich mich nicht so, als hätten wir die Antwort gefunden.
Amber schlägt das Buch zu.
»Okay du hast recht, das bringt uns nicht weiter«,meint sie und scheint nachzudenken.
»Kannst du es...kontrollieren?«,fragt sie und sieht mich interessiert an.
Ich schüttele den Kopf und zucke zeitgleich mit den Schultern. »Keine Ahnung, nein, Donnerstag war es so...instinktiv...so wie, wenn man die Arme ausstreckt, wenn man hinfällt, um sich abzufangen. Ich hab es nicht kontrolliert«,entgegne ich unsicher.
»Was wenn du es einfach...austestest?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist...«,gebe ich meine Zweifel zu bedenken.
»Aber wenn du es nicht ausprobierst, findest du vielleicht nie heraus, was es ist«,meint Amber eindringlich.
»Vielleicht wäre das auch besser so. Was wenn ich es probiere und wieder jemanden verletze?«,frage ich verzweifelt.
Ambers Antwort kommt sofort. »Und was wenn du es nicht lernst zu kontrollieren und dann jemanden verletzt?«
Sie hat recht.
Wenn ich sicher sein will, dass ich für niemanden je wieder eine Gefahr bin, muss ich lernen es zu kontrollieren.
Denn was es auch sein mag, es ist mächtig.

Die Bluthexen I - Denn Blut ist gefährlichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt