Die engen Seile drückten meine Haut ein, so dass meine Handgelenke schmerzten. Unruhig sah ich meine Begleitern an. Jojen ging es immer schlechter. Sein Gesicht war so blass wie der Schnee, der vor der Scheune den Waldboden bedeckte.
»Du brauchst Wasser«, sagte Meera, als er hustete.
»Ist unwichtig.«
»Und wie das wichtig ist.«
Jojen atmete tief ein und sah zu Bran. »Du darfst dich von nichts aufhalten lassen.«
Bran begutachtete seine gefesselten Händen. »Sie haben mich schon aufgehalten.«
»Nein.« Jojens Stimme war schwach. »Du bist nicht hier. Du bist weit weg von hier.«
»Was soll das bedeuten?«, fragte Meera.
»Auf dem Hügel, ein riesiger Wehrholzbaum«, meinte Jojen nur.
»Du hast ihn auch gesehen«, sagte Bran lächelnd.
»Meera, Sienna und ich, sogar Hodor, wir helfen dir nur, den Weg zu suchen. Er wartet auf dich. Wir müssen ihn finden. Du musst es schaffen.«
»Das werden wir«, meinte mein Bruder zuversichtlich.
»Das«, Jojen ließ seine Blicke schweifen, »ist nicht das Ende. Nicht für dich - noch nicht.«
»Woran erkennen wir das Ende?«, fragte Meera.
Jojen schwieg und hob seine Hand, die er anstarrte. »Du wirst schon sehen.«
Unsicher sah ich zu Meera. Sie schien dasselbe zu denken - Jojen verlor langsam den Verstand.
In der Nacht kam Anführer der Deserteure mit einigen Männern.
»Auf die Beine!«, befahl er an Meera gewandt. Zwei Männer packten das Mädchen und zogen es hoch.
»Aufhören!«, schrie ich. »Lasst sie in Ruhe!« Ich versuchte mit meinen Beinen nach dem Anführer zu treten, doch stand er zu weit entfernt.
»Ich hab' es mir anders überlegt. Nehmt sie.«
Meera wurde wieder zu Boden geworfen und stattdessen zog man mich auf die Beine.
»Aufhören! Aufhören! Was soll das?«, rief Bran.
»Bran, nicht«, sagte ich, auch wenn ich mich gegen die Griffe der Männer wehrte. Ich wollte nicht, dass sie meinem Bruder etwas antaten.
Man befestigte mich mit meinen Fesseln an den Händen an einem Harken, der von der Decke herunterhing. Ich trat um mich und man schlug nach mir.
»Bitte, lasst sie in Ruhe!«, schrie Bran.
»Hodor!«, rief Hodor ununterbrochen.
»Bitte, lasst sie in Frieden! Aufhören, bitte aufhören. Lasst sie in Ruhe!«
Der Anführer trat langsam auf mich zu, während mir seine Begleiter die Füße fesselten. Ich versuchte mich zu wehren, doch waren ihre Griffe zu stark.
»Schht«, sagte der Mann. »Eine Hochgeborene hatte ich noch nie.« Er fuhr mir mit dem Handrücken über die Wange. »Was macht ein hübsches, hochgeborenes Kind wie du hier im großen, dunklen, gefährlichen Wald? Du hast Papas Festung verlassen und stürzt dich ins Abenteuer. Du willst es dreckig, nicht wahr? Dich zieht's in die Gosse.«
»Wenn ihr sie in Ruhe lasst, kann ich euch helfen«, meinte Jojen und der Mann wandte sich von mir ab.
»Du willst mir helfen?«
»Ich könnte.«
»Und wie willst du das machen?«
»Ich hab' das Auge«, gestand Jojen. »Ich kann Dinge sehen.«
»Oh, das ist eine Riesenhilfe«, meinte der Mann ironisch.
»Dinge, die noch nicht passiert sind.«
Der Mann atmete tief durch. »Das ist 'ne feine Sache.« Er hockte sich vor den Jungen. »Eine feine Sache. Hast du schon gesehen, was ich mit der Kleinen anstellen werde? Hast du schon gesehen, was die«, er nickte seinen Begleitern zu, »mit der Kleinen anstellen werden?«
»Nein.«
Der Mann zog seinen Dolch. »Schließ bloß nicht deine Augen.« Er erhob sich und lief auf mich zu.
»Ich hab' Euch heut' Nacht sterben sehen.« Ein irres Lächeln zeichnete das Gesicht des Jungen. »Ich hab' Euch heut Nacht brennen sehen. Ich sah, wie der Schnee auf Eure Gebeine fiel und wie er sie begraben hat.«
Der Mann wandte sich ihm langsam zu. Ich befürchtete, dass er Jojen Schmerzen zufügen würde, ihn verletzen würde. Doch da erklang Kampfgeschrei und ließ den Anführer stocken.
Ein Mann kam hereingerannt, kreidebleich. »Sie sind hier, die Nachtwache«, erklärte er.
Sofort verschwanden die Deserteure aus der Scheune und kurz darauf kam ein anderer Mann herein.
»Die Rettungsmannschaft ist da, Jungs«, sagte er und steckte sein Schwert weg. »M'ladies.«
»Ist Jon bei Euch?«, fragte Bran voller Hoffnung.
»Ja. Ich bringe Euch zu ihm.« Der Mann zog seinen Dolch und durchtrennte die Fesseln des Jungen. »Ihr seid Brandon Stark.«
Bran antwortete nicht und daraufhin schnitt der Mann ihm ins Bein. Erschrocken keuchten Meera und ich auf.
»Hodor!«, rief Hodor.
»Der kleine verkrüppelte Lord. Wir machen einen Ausflug, Kleiner.«
»Jon! Jon!«, begannen Bran und ich im selben Moment zu schreien.
Der Mann schleuderte augenblicklich seinen Dolch nach mir, welcher mein Bein traf. Bran hielt er den Mund zu. Ich schrie vor Schmerzen auf. Meine Beine knickten ein, mein ganzes Gewicht zog an dem Haken.
»Ein Wort und ich schneide deinen Freunden die Kehle durch«, drohte der Mann, der Bran festhielt. »Zuallererst dieser Schlampe.« Er blickte zu mir. »Hast du gehört?«
Bran nickte und der Mann begann seine Fesseln zu lösen. Hodor rief ununterbrochen seinen Namen, und auf einmal verstummte er. Ich wusste, was das bedeutete - Bran war in seinem Kopf. Mit aller Kraft befreite der riesige Mann sich von seinen Ketten und folgte Brans Entführer. Nach einer Weile kam er wieder und befreite uns. Ich stürzte und bevor ich zu Boden fiel, fing Jojen mich auf.
»Er hätte dich töten können«, meinte ich mit zusammengebissenen Zähnen und unter Schmerzen.
»Dich aber auch«, entgegnete Jojen.
»Kannst du laufen?«, fragte Meera mich.
»Ich denke, schon.«
Das Mädchen kam zu mir herüber und stützte mich. Sie half mir, nach draußen zu kommen. Bran versuchte über den Boden zu Jon zu kriechen. Er rief seinen Namen und ich wandte meinen Kopf. Sofort erfasste ich meinen Halbbruder - er kämpfte gegen die Deserteure.
»Wenn er dich sieht, lässt er dich nicht nach Norden gehen«, sagte Jojen, als wir Bran erreicht hatte.
»Er ist mein Bruder«, erwiderte Bran.
»Und will dich beschützen und bringt dich zurück zur Schwarzen Festung. Du musst dich entscheiden. Willst du den dreiäugigen Raben finden?«
»Wir können doch nicht einfach weiter, ohne ihm zur Seite zu stehen«, entgegnete ich.
»Ich nicht«, sagte Bran. »Du schon.« Mein Bruder sah mich an. »Ich will dich nicht in Gefahr bringen.«
»Was?« Kaum hatte ich dies ausgesprochen, spürte ich einen harten Schlag gegen meinen Kopf, der mich ohnmächtig werden ließ.
Ich vernahm ein Zischen und ein Knacken. Allmählich erwachte ich. Mein Kopf brummte, meine Wunde im Bein pochte, und langsam erhob ich mich. Die ganze Hütte brannte und krachend stürzte das Holz in sich zusammen. Ich humpelte auf die wenigen Menschen zu, die vor der Hütte standen.
»Jon«, sagte ein Mann der Nachtwache, als er mich bemerkte.
Mein Bruder wandte sich um. Ich sah, wie sein Blick erstarrte.
»Jon«, flüsterte ich.
Augenblicklich rannte der Mann auf mich zu. Ich fiel ihm um den Hals und er drückte mich fest an sich.
»Du lebst«, sagte Jon leise.
»Du lebst«, sagte ich.
Ein Schluchzen verließ meine Lippen und ich vergrub meinen Kopf in seiner Schulter. Erst jetzt wurde es mir bewusst - ein Bruder war gegangen, ein anderer gekommen.1143 Wörter
Und nun ist Sienna bei Jon. Was, denkt ihr, wird passieren? Wird er sie gehen lassen? Wird sie bei der Nachtwache bleiben?
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Valar Morghulis || Game of Thrones Staffel 3-4
FanficBuch 2 Tagelang ritt Sienna durch Westeros, auf den Weg nach Winterfell. Doch die Kälte, der Hunger und die Schlaflosigkeit wogen mehr als der Wille und erschwerten ihre Reise, so dass sie vom Ziel abkam und beinahe ohne Bewusstsein durch das Land i...