Kapitel 2 - Lailah

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Als sie sich von ihm löst, strahlt sie wie eine Lotteriegewinnerin. „Du bist also wirklich hier in der Stadt. Einige Händler sagten, sie hätten dich gesehen." Sorey nickt zustimmend und setzt zu einem aufmunternden Spruch an, doch Lailah unterbricht ihn wieder: „Sorey, es gibt ein großes Problem in den ganzen Städten. Seit du Heldalf getötet hast und Seraphe zu sehen sind, hat sich die Welt verändert. Viele Seraphe wollten und wollen nicht gesehen werden. Viele leben gerne allein mit den anderen in der Stadt. Du musst ihnen helfen!"

Soreys Mundwinkel gehen ein wenig nieder. „Ich habe mal etwas von einer geheimen Quelle gehört. Deren Wasser soll Seraphe, die den Wunsch pflegen, unsehbar zu sein, auch zudem machen. Ein Mensch der die Seraphe sehen kann-also vielleicht du, Sorey- muss das Wasser trinken und somit geht diese Fähigkeit auf alles andere über." Sie sieht ihn an und der versteht.

„Weißt du auch wo diese Quelle zu finden ist?", fragt Sorey hoffnungsvoll, doch Lailah schüttelt den Kopf. „Ich weiss zwar nicht wo sie ist, aber ich wüsste jemanden, der schon so lange lebt, dass der bestimmt eine Idee hat." Ein vielsagender Blick zu Sorey. „Du willst hoffentlich nicht auf den Hohlkopf raus, oder?", fragt die er spaßig und zugleich hoffnungsvoll. Doch zu seinem Bedauern nickt Lailah: „Er ist der einzige der so etwas wissen kann. Er lebt schließlich schon über 2000 Jahre. Und ich weiss auch wo er zu finden ist..."

Leise schleichen die zwei aus dem Gasthaus, um keine Aufmerksamkeit zu erwecken und keinen aufzuwecken. Sie laufen aus Damensee hinaus und begeben sich in Richtung Falken-Kamm. Der Mond erleuchtet den Kiesweg hinauf auf den Berg und wirft lange Schatten an die Felsen. Der Drache Eizen kreist über der Spitze und schreit mehrere Male bedrohlich auf die nächtlichen Wanderer nieder. Kurz bevor sie oben ankommen, entdeckt Rose einen kleinen Schrein, an dem unzählige bunte Steine und halb verwelkte Blumen liegen.

Lailah sieht seinen interessierten Blick und erklärt ihm: „Den Schrein hat Edna erbaut. Die Steine stehen für jeden einzelnen, den ihr Bruder hier zu Fall brachte. Es sind unzählige und es ist noch kein Ende in Sicht. Doch jetzt, wo weniger Dunkelheit hier beiwohnt, ist Eizen auch ruhiger geworden." Sorey kniet vorsichtig nieder und legt kurze Stille ein. Als er aufsteht, sagt er: „Ich werde Edna Bruder befreien und das ohne, ihn töten zu müssen. Er verdient den Tod nicht!" Lailah nickt. „Aber wir müssen jetzt weiter und den Seraphen helfen." Er nickt ebenfalls und geht weiter. Lailah wirft ihr einen Blick zu, der Verrät wie gerne sie Edna helfen würde. Doch jetzt geht es nicht und zu zweit wäre es nicht sehr intelligent und nicht ganz so einfach.

Die Spitze des Falkenkamms ist hell erleuchtet, der Mond scheint darauf hinab. Der einzige Schatten der diesen Schein zerstört, ist der von einem großgewachsenen Mann, mit langen Haaren und nacktem Oberkörper. Lailah geht langsam auf die Person zu. „Eizen ist viel ruhiger geworden, nicht wahr?" Sie folgt seinem Blick, der wachsam auf dem Drachen ruht. „Manchmal habe ich das starke Gefühl, er würde uns wiedererkennen. Einmal hätte er fast Edna getötet. Doch er sah ihr in die Augen, pustete durch seine Nüstern und flog davon." „Als ob er sie gesehen, gekannt hätte", antwortet Lailah und wendet sich dem Mann zu. „Zaveid, wir brauchen deine Hilfe. Die Seraphe der Welt spielen verrückt und wir müssen die Quelle finden von der du mir einst erzählt hast." Er blickt sie an.

„Was heißt wir?" Stumm zeigt sie auf Sorey und Zaveid lächelt beim Anblick vom Hirten. „Ach mein Hirti ist also zurück." Sorey blickt ihn an. „Weißt du wo die Quelle ist?" Zaveid sieht dem Drachen nach, der in einer Höhle sich niederlegt und wachsam den Kopf hebt. Er lächelt und legt seinen Arm um Sorey. „Ich weiss wo sie ist und du hast heute Glück, denn ich begleite dich dorthin." Dankbar lächelt er und sieht stolz zu Leilah hinüber. „Und dann kommen wir zurück und befreien Eizen vom Drachenfluch" beschließt Leilah und sieht Eizen nach, der seinen Kopf nun niedergelegt hat und seine Augen geschlossen hält.

Zaveid tippt sich an den Hut: „Auf mich kannst du wetten. Und wenn wir das Edna erzählen, hilft sie uns bestimmt auch. Denn ich glaube, sie will am meisten, dass er befreit wird- es ist ja schließlich ihr Bruder."

Auch Sorey nickt zustimmend und geht an den Rand der Spitze. Dann holt er tief Luft und ruft ins Tal hinunter:" Edna, wir werden Eizen befreien und ihn dir zurückbringen!" Es hallt noch mehrere Male wieder und Sorey steht stolz und befreit da, während eine sanfte Windbrise sein kurzes, braunes Haar und seinen kunstvoll verzierten Mantel im Wind tanzen lässt.

Als die ersten Sonnenstrahlen über die Berge kriechen, begeben sich Sorey, Lailah und Zaveid hinab und schlage den Weg zur Wiese des Triumphs ein.

Die Gelehed-Senke erstreckt sich vor ihnen, als die Sonne sich fast ganz zu zeigen wagt. Ein paar Soldaten von Hyland stehen in der Nähe und versperren den Weg durch die Gelehed-Senke. „Lass mich das machen. Händler kommen hier oft durch und wir geben uns nun als solche aus." Während Sorey zurückbleibt, geht Zaveid freundlich lächelnd auf den größten Soldaten zu. „Hallo mein Freund, wir wurden bestohlen und unsere ganze Ware ist nun fort. Eigentlich hatten wir ein Paar Dinge für den Markt, doch jetzt ist alles fort. Gestatten sie uns vielleicht trotzdem den Durchmarsch?"

Der Soldat mustert sie und redet kurz mit einem Wachmann nahe der Handelssperre. Als er zurückkommt hebt er die Hand und ruft: „Durchmarsch gewährt. Platz frei für die Händler!" Zaveid lächelt: „Ich wusste gleich, dass man meinem Charme nicht wiederstehen kann-Au!" Ein Tritt und ein fieser Blick von Lailah genügen um zu verstummen. Schnell lenkt Sorey ab: „Wir sollten schnell weiter, bevor die noch denken, wir führten etwas im Schilde."

Sie setzen ihre Reise fort und müssen noch mehrere Male an Soldaten vorbei, die Sorey mit fragenden Blicken musterten. Als dann endlich die letzte Sperre von Soldaten durchquert war und sie das erste Gras unter den Füßen spürten, begann die Sonne bereits, sich zu verstecken. „Wenn wir uns beeilen, erreichen wir Pendragos Stadttore noch vor Einbruch der Nacht."

Erschöpft schleppten sie sich weiter, bis die ersten Maisfelder in Sicht kamen. Dahinter erstreckte sich der Zaun, der Pendrago umgab. Ein letztes Mal legten sie an Tempo zu und durchschritten schließlich die Baumalee, die sich vor den Stadttoren erstreckte. „Endlich sind wir da. Meine Beine fühlen sich wie Wackelpudding an!" Sorey atmet schwer und als die drei endlich das Gasthaus betreten, ist es wahre Freude und Hunger, die sich in allen breit macht. „Vielen Dank für die Buchung. Das Essen wird in wenigen Minuten serviert. Nehmen sie doch derweil schon mal Platz."

Die pummelige Frau hinter dem Tresen wackelt auf die Küche zu und nimmt zwei dampfende Teller entgegen. Darauf befindet sich ein Berg von Dracheneintopf. Das Gemüse riecht verführerisch gut und schreit förmlich danach, aufgegessen zu werden. Und endlich, nach eineinhalb Tagen isst Sorey wieder eine deftige Mahlzeit, denn die im Damensee war nicht sehr appetitlich gewesen. Langsam lehrte sich der Teller und Zaveid lächelte zufrieden: „So gutes Essen hatte ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr." Sorey schüttelt den Kopf: „Und ich erst recht nicht."

Sorey steht auf und fragt Lailah und Zaveid: „Kommst ihr mit? Ich möchte gerne in mein Zimmer gehen." Alle stehen auf und begeben sich nach oben. „Ich habe das Gefühl, dass die Seraphe hier unsere Anwesenheit spüren. Du nicht auch?" Lailah nickt: „Ich denke, sie wollen etwas Besonderes mit ihren Aufmerksamkeitsattacken bewirken. Aber denke nicht zu viel darüber nach. Geh jetzt lieber schnell schlafen." Er nickt geistesabwesend: „Also dann, gute Nacht Lailah" „Gute Nacht, meine Lieber." Ruft Zaveid ihm nach. Er will eigentlich noch nicht schlafen, doch das Bett ruft dazu auf, sich hinein zu werfen und nach kurzer Zeit versinkt er in einen langen, erholsamen Schlaf.

Die Stille der UnendlichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt