Leute aus dem ganzen Dorf hatten sich auf dem Hauptplatz versammelt. Die kleine Fläche war mit Menschen gefüllt, bis so ziemlich gar keiner mehr Platz hatte. Niemand war bei der Sache. Die Einen warfen mit Steinen auf die Angeklagte, die Anderen ballten ihre Fäuste. Warum auch nicht, so ein Ereignis! Immerhin wird nicht jeden Tag eine Hexe verbrannt. Die Begeisterung und Erwartungen wurden durch das aufrechterhaltenen Geschrei noch deutlicher.
Doch dem jungen Mädchen war es nicht nach Freude. Die glasklaren Tränen rollten ununterbrochen über ihre Wangen. Sie war doch noch so jung. Sie stand in Mitten des Platzes, gefesselt an einen großen, hölzernen Stamm, welcher von einer Horde schaulustiger Menschen umgeben war.
Was habe ich euch getan?! Was?! Was habe ich überhaupt so Schlimmes getan in meinem so kurzen Leben? Ihrer Seele habe ich doch nicht einen Funken Leid hinzugefügt! Warum seid ihr so mit ihr? Nur weil ich ein Waisenkind bin? Ich habe nie jemanden gestört oder gar beleidigt. Lebte alleine in diesem Dorf. Für was habe ich nun so ein Schicksal?
Ein erneuter Stein traf das Fräulein am Kopf, welcher noch eine Platzwunde auf dem ganzen Gemälde hinterließ. Man hatte sie nicht sofort auf den Scheiterhaufen gebracht, davor hatte man sie noch ordentlich gequält, eiskalt verspottet. Ihre Augen, die die Farbe von jungem, frischen Gras hatten füllten sich erneut mit einer Portion Tränen. Tränen, die Schmerz und Kränkung zeigten. Das Gegbrüll des Volkes stieg so schnell auf, wie das Feuer, welches sich gerade auf dem Stroh entfachte. Bald war alles vorbei. Auch der Schmerz, der ihr durch die Flammen hinzugefügt wurde. Und auch der Schmerz, der durch die Erniedrigungen hervorkam. Bald war alles vorbei... Bald...
Man sagt, dass vor dem Tod nochmal das ganze Leben vor den Augen abgespielt wird. Aber das war bei dem Mädchen nicht der Fall. Sie erinnerte sich selber an ihr ganzes, UNSCHULDIGES Leben. Sie konnte einfach niemandem Leid anrichten. Sie hatte für sowas nie Zeit. Sie wurde geboren. Mutter und Vater starben an der Pest, ließen einfach die kleine Tochter alleine. Sie wuchs auf. Ganz alleine. Und nun stirbt sie. Ihr Leben verlässt sie vor Augen von Hunderten von Menschen, welche sie nicht retten.
Nein, im Gegenteil. Sie machen es ihr noch schlimmer und beschmissen sie mit Steinen! Hexe! Verreck! Stirb, Rothaarige! Das Geschreie begleitete ihren unglaublichen Schmerz. Die Flammen umfassten schon das ganze Mädchen. Das einfache, Millionen mal gerissene und geflickte schwarze Kleid verbrennt noch als Letztes auf dem zerbrechlichen und zierlichen Körper. Die langen, roten Haare kann man jetzt nur noch sehr schwer von dem darunterliegenden Stroh unterscheiden. Die früher schneeweiße Haut ist jetzt bedeckt mit pechschwarzer Asche. Und nur die Augen. Ihre Augen! Sie haben sich nicht verändert! Nur gab es keine Tränen mehr, man sieht in ihnen keinen Schmerz mehr. Sie strahlen nur.
Die Lippen formten noch ihre letzen Worte. Alles war vorbei. Es gab nichts mehr. Nur noch Erleichterung. Die Seele hatte diesen zierlichen Körper verlassen. Die Menschen, welche vergnügt waren von dem Gesehenen, fingen an, auseinander zu gehen. Die Stimmung hatte sich gelegt. Es gab keine Hexe mehr, man kann wieder ruhig leben. Sie hatten sich beruhigt, ja. Aber die Seele des Mädchens nicht. Sie hatte versprochen, sie wird sich rächen. Und die letzen Worte haben große Bedeutung. Sie wird sich rächen. Und in diesem Moment, wo die Seele des Mädchens das Dorf verließ, gebar die Ehefrau des Ältesten ihr erstes Kind. Eine rothaarige Tochter mit Augen der Farbe von jungem, frischen Gras...
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Creeps
Horrorhier ne kleine sammlung von geschichten...teils aus foren teils selbstgeschrieben,viel spaß kalaschnikekse