Ich atmete tief ein und genoß den warmen Sonnenschein auf meinem Gesicht. Mit einem wohligen grummeln ließ ich mich ausgestreckt ins weiche, saftige, grüne Gras fallen und schloss meine Augen.
Ein Zittern durchfuhr mich und weckte mich aus meinem angenehmen Sommertraum. Nun war ich zurück in der kalten und vor allem nassen Realität, die mit ihren grauen Farben und ihrer Trostlosigkeit meine Stimmung drückte. Ich stand vom Sofa auf, auf dem ich eingenickt war und wickelte mich fester in meinen Poncho und zog den Schal über meine Ohren. Ich hasse diese Jahreszeit, deren triste Tage mich immer wieder depressiv werden lassen und das Schwarze Loch, dass sich immer weiter öffnet.
Aber ich hab es schon oft versucht, man kann es nicht ändern das Leben läuft immer weiter und steht niemals still, also atmete ich ein um den Tag in Angriff zu nehmen.Als ich aus der Tür trat kam mir ein Schwall eiskalter Luft entgegen und ich schauderte. Dann nahm ich alle meine Kraft zusammen und lief ein paar Schritte Richtung Uni Bibliothek um ein bisschen zu arbeiten. Der Weg bis zur Universität kam mir ewig vor, obwohl es gleich um die Ecke lag, da ich mich kaum überwinden konnte mich vorwärts zu bewegen. In meinem Kopf herrschte völlige Leere und eine Schwärze breitete sich in meinen Gedanken aus. In der Bücherei angekommen suchte ich mir einen kleinen Tisch einen stillen abseits gelegenen Ecke und breitete meine Materialien aus. Doch so sehr ich mich auch anstrengte mein Kopf wollte nicht arbeiten und nichts konnte das Schwarze aus meinen Gedanken vertreiben, also starrte ich mit leerem Blick immer gerade aus. Plötzlich hörte ich eine Stimme ganz dicht bei mir und schreckte aus meiner Trance hoch. Es war John ein Student meines Semesters mit dem ich mich ab und zu unterhielt und zu dem ich im Sommer eine für meine Verhältnisse enge Beziehung aufgebaut hatte. Allerdings hatte der Wandel der Jahreszeiten alles zerstört, indem er mich wie jedes Jahr ebenfalls von Grund auf veränderte. Mit Anbruch eines nassen kalten Herbstes war der Kontakt zwischen mir und John komplett eingefallen und es hatte sich zwischen uns geändert. Wir wurden distanziert, kalt und vergaßen uns.
Wie sehr wünschte ich mir jemanden der Wärme spendet und mir hilft den schrecklichen Winter und seine für mich Unheil verkündenden Farben zu überstehen, aber zu so etwas ist ein Sommermensch nicht in der Lage. Sobald die eigene Blütezeit,in meinem Fall der Sommer, vorüber ist, sind die Gefühle wie gelähmt und man ist nicht mehr fähig ordentlich zu kommunizieren. Niemand kann etwas dagegen, denn ist der Lauf der Dinge und das Schicksal eines jeden Menschen. Es ist bisher noch niemandem gelungen diesen Teufelskreis zu durchbrechen und einen eigenen Weg zu gehen, da alles bis ins Detail festgelegt ist. Auch ich hatte nicht vor mich gegen dieses "Naturgesetz" aufzulehnen oder den Lauf der Dinge nur ansatzweise zu verändern.
"Gehst du heute mit mir in der Mensa zu Mittag essen? Es gibt Germknödel." Ich hatte ganz vergessen das John noch bei mir saß und stieß einen spitzen Schrei aus als er mich ansprach. Es hatte mir die Sprache verschlagen, also starrte ich ihn mit aufgerissenen Augen an und es breitete sich wieder Nebel und Leere in meinem Kopf aus. "Ich....äh....naja...ok..." brachte ich schließlich zwischen meinen Zähnen hervor. Ich schaute zu Boden und schämte mich dafür das ich nichts hinbekommen habe und so schrecklich durcheinander war. Insgeheim fragte ich mich wohin John gehörte, ob er Sommer- oder Wintermensch ist, aber ich fand für keine der beiden Möglichkeiten irgendwelche Indizien. Noch nie hatte ich ihn stottern hören oder bemerkt, dass er mit alltäglichen Dingen Schwierigkeiten, sondern ich hatte eher das Gefühl, dass er völlig tiefenentspannt ist. John war einer dieser Menschen, der immer gute Laune hat und die Leute um ihn rum motiviert und hochputscht, ohne wirklich etwas zu tun. Erneut unterbrach er meinen Redefluss: "Können wir gehen? Ann? hast du überhaupt zugehört?" - " Ich... komm... also...naja denk....ich zumindest." ich raffte etwas ungeschickt meine ganzen Unterlagen zusammen und stopfte sie ungestüm in meinen Rucksack, damit John nicht noch länger auf mich Schlafmütze warten musste.
Langsam stand ich auf und in einem Schneckentempo krochen wir förmlich zur Mensa, aber es scheint ihn nicht zu stören. Er versuchte es mir Recht zu machen und war sehr zuvorkommenden. Ich wollte ihm dafür ein freundliches Lächeln schenken, aber mein Gesicht war durch den Winter ebenfalls eingefroren. Mein Kopf dröhnte, während ich schweigend neben John sitze und meine Suppe löffle, aber kein Wort herausbringe. Ab und zu versucht er ein Gespräch zu beginnen allerdings funktionierte das nicht wirklich und wir verfielen immer wieder in ein Schweigen, das mir Gänsehaut machte. Wie sollte ich ihm nur zeigen das ich ihn auch mag wenn wir selbst zu einer Unterhaltung nicht fähig waren. Mein Herz klopfte wie verrückt wenn wir so zusammen saßen, aber von dieser Freude und dieser Aufregung konnte nichts nach draußen dringen, denn der Weg ist versperrt.
Ich hielt es nicht mehr aus neben ihm zu sitzen und mir Gedanken über unser Verhältnis zu machen, da es sowieso ausweglos schien. Also stand ich auf, murmelte leise: "Ich muss..." und verlies mit schnellen Schritten den Raum. Mein Kopf sagte mir ich solle rennen, aber meine Beine versagten mir den Dienst und ich lies mich kraftlos in den nächsten Hauseingang sinken.
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The Day After Summer
Teen FictionDas ist der erste Versuch meine Gedanken und Ideen zu ordnen und zu Papier zu bringen. Das ist das erste Mal das ich meine Gedanken jemandem zugänglich mache also seid nachsichtig mit mir. Was passiert mit einem Sommermenschen im Winter? Wie beeinfl...