25. Dezember; 7:30 Uhr - Kim

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„Liebling...“ Michael tauchte auf einmal hinter mir auf, so groß und breit wie und je, legte mir seine Hände auf die Schultern und traf meinen Blick besorgt im Spiegel, vor dem ich gerade stand. Frisch in einen dieser weichen Bademäntel gewickelt, die in Elijahs Gästezimmern hingen. Mike hatte gestern in seinem High andauernd davon geschwärmt, dass es hier wie im schönsten Hotel sei, dass er je betreten hatte und wenn man einmal von den Bademänteln ausging, dann stimmte das auch. Ich fragte ihn schon seit Jahren, wo er die zu kaufen bekam, aber er zuckte immer nur die Schultern und meinte, er hätte nicht die leiseste Ahnung, wo die ollen Dinger herkamen. Aber ich könnte mir gern einen mitnehmen, wenn ich wollte.

Aber das erschien mir dann doch ein bisschen zu dreist. Immerhin waren wir nicht wirklich im Hotel, wo man Bademäntel einfach so mitgehen ließ.

„Hast du diese Nacht überhaupt geschlafen?“

„Ein bisschen.“ Murmelte ich und hielt seinen Blick einfach nicht länger aus. Nein, ich hatte nicht geschlafen. Ich hatte die halbe Nacht draußen auf der Terrasse gesessen und jämmerlich geflennt, weil ich nicht wusste, was ich sonst noch tun sollte. Wohin man auch sah sprangen dieses Weihnachten Kinder umher. Die Großen und die Kleinen. Mike war – mit der illegalen Hilfe meinerseits – zum ersten Mal seit Jahren wieder ein bisschen locker und ausgelassen gewesen, hatte nach ihrem Eisbad im Meer den ganzen Abend mit Tobi und D zusammen gesessen, gelacht und gescherzt. Michael hatte wegen diesem Nacktbaden nicht mal böse sein können, als Eli ihm mit strenger Miene – aber ebenfalls zuckenden Mundwinkeln – davon erzählt hatte. Er fand es wohl genau so wunderbar wie ich, dass der Junge auch mal die Sau rausließ. Die Kleinen sprangen in einem bunten Wirrwarr die ganze Zeit durchs Haus und besonders Jamie war ein Stich ins Herz. Ein Junge. Ein kleiner, süßer, schwarzhaariger Junge, dem Michael beibringen könnte wie man sich um Oldtimer kümmert, genau so wie es ihm sein Vater beigebracht hatte.

„Willst du mir nicht sagen, was los ist?“ Murmelte er dann und runzelte leicht die Stirn, was ein Anzeichen dafür war, dass ihm zwar immer noch nicht die Geduld ausging – die würde ihm niemals ausgehen, denn in dieser sturen Familie gab es nur einen, der noch geduldiger war und das war Pops – aber er trotzdem schon gern darüber reden würde. Wenn er keine Antwort bekam, würde er auch das nach noch einer Nachfrage respektieren und einfach davon ausgehen, dass ich schon etwas sagen würde, wenn ich darüber reden wollte.

Ich wollte nicht darüber reden. Würde wahrscheinlich nie darüber reden wollen. „Warum glaubst du, dass etwas los ist?“

„Liebling, du schläfst nicht und du bist traurig. Du kannst mir nicht in die Augen gucken, redest kaum mit irgendwem und ich vermisse meine bissige, schlagfertige Frau. Wo ist die hin?“

„Die schläft. Das ist nämlich die von uns beiden, die noch schlafen kann.“ Gab ich zurück und wurde ein bisschen gereizt, weil er schon wieder den Nagel auf den Kopf traf. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, dafür waren meine Schuldgefühle einfach zu groß. Wie auch nicht?!

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast ein schlechtes Gewissen. Damals als du meinen Mustang geschrottet hast, konntest du mich auch nicht angucken.“

„Das war nur eine Beule.“ Murmelte ich und griff nach meiner Gesichtscreme, um überhaupt irgendwas zu tun zu haben. Klar, der olle, verschissene Mustang mit dem man einfach in keine Parklücke reinpasste. Das Teil war mir schon so viele Jahre mit seiner Größe auf den Geist gegangen, dass ich einen kurzen Moment sogar schadenfroh gewesen war, als es den lauten Knall gegeben hatte und der gesamte Kotflügel im Arsch gewesen war. Allerdings war mir die ganz schnell wieder vergangen, als ich mich daran erinnerte, dass Michael das Auto eigenhändig in mühseliger Kleinarbeit von einem Schrotthaufen in einen funkelnden und glänzenden Oldtimer verwandelt hatte.

Die etwas andere Weihnachtsgeschichte - Ein Meet and Greet mit den HuntersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt