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Ich beeilte mich, mein Nachthemd zu waschen, und rannte kurz darauf in praktischer Kleidung aus dem Haus. Meine Eltern waren vor kaum einer Stunde gegangen, und in unserem Teil des Bezirks herrschte bereits großes Treiben. Nicht anders zu erwarten von Bauern, die schon zur frühesten Stunde aufbrachen, und sich an die Arbeit machten.

Ich wurde mit überraschten Blicken bedacht, als ich durch die Straßen stürmte, und grüßte ab und zu hektisch zurück. Nur kurz vor dem großen Platz wurde ich langsamer, weil zu viele Menschen dort unterwegs waren. "Ruby, so früh auf den Beinen?", hörte ich die Bäckersfrau des Dorfes neben mir sagen. Ich lächelte entschuldigend und hetzte an ihrem kleinen Kind vorbei, das verschlafen versuchte, sich auf den kurzen Beinen zu halten.

Vor dem schwarzen Brett kam ich zum stehen. Ich drängte mich durch die Masse und überflog alle Artikel, die die Stadt hier bekanntgab. Ein Angriff irgendwo erfolgreich abgewehrt, das hing schon letzte Woche hier. Vier Baumfäller außerhalb der Stadtmauer tot vorgefunden; eine Liste derjenigen, die im letzten Monat als Begabte identifiziert wurden und in den goldenen Ring geholt wurden; eine Steuererhöhung - die war neu, viele unterhielten sich empört darüber. Der Krieg naht... das spüren wir alle.

Da war es. Die Bekanntgabe der nächsten Buürgerveranstaltung, sogar ziemlich mittig des Brettes. In zwei Tagen - unser nächtliches Treffen würde dafür ausfallen. Grimmig wandte ich mich wieder ab und setzte mich auf eine Bank. Den Kopf in die Hände gestützt betrachtete ich die Vorbeilaufenden, doch meine Gedanken waren ganz woanders.

Als die Glocke zum offiziellen Morgen schlug merkte ich, wie lange ich bereits dort saß und Löcher in die Luft starrte. Ich beschloss, dass es sich nicht mehr lohnte, nach Hause zu gehen, und schlurfte müde in Richtung des Bildungszentrums.

Mary empfing mich überrascht am Eingang. "Seit wann bist du denn pünktlich?"

Ich warf ihr einen gespielt bösen Blick zu und sie grinste. Wir waren relativ gut befreundet, auch wenn ich eher mit den Jungs als mit den Mädchen klarkam. Lisa war viel enger mit ihr befreundet, sie hockten praktisch immer aufeinander, doch sie hatten mich warmherzig in ihrem Freundeskreis empfangen.

Ich steuerte mein Fach an, in dem meine Kreidetafel und meine wenigen Stifte, sowie grobes Papier lag. Es wurde von der Stadt gesponsert, und jeder besaß seinen eigenen Kram. Die etwas reicheren konnten sich selbst bessere Stifte, besseres Papier leisten, doch in unserem Bezirk waren alle relativ arm.

Nur noch ein Jahr hatte ich, dann würde ich anfangen, den Beruf meiner Eltern zu erlernen, statt hier im Bildungszentrum herumzusitzen. Mein Leben war vorherbestimmt, ob man mich als Begabte identifizierte oder nicht.

Ich verzog leicht das Gesicht, als ich daran dachte, auf einem Feld zu arbeiten, die Sonne heiß im Gesicht. Oder die Schweine zu füttern oder sonst was.

Ich folgte Mary in unseren Historienraum und sah sie sofort auf Lisa zusteuern. Sie zogen mich ein wenig auf, dass ich so früh da war, doch wandten sich bald 'wichtigeren' Gesprächen zu - Jungs und so.

Ich begrüßte Maxon, der sich neben mich setzte, und er erzählte mir gut gelaunt, wie stolz seine Mutter auf seine momentane Größe war, wohingegen seine große Schwester eher eingeschnappt war deswegen. Er hatte sie innerhalb kürzester Zeit alle überholt und war wirklich zu einem Mann geworden.

Ich alberte mit ihm herum, bis der Bildungsabgeordnete das Zimmer betrat. Er war ein einfacher Mensch, der jedoch ein Studium im goldenen Ring absolviert hatte, und nun die Ehre hatte uns Trottel zu unterrichten.

Er fuhr bei seinem Monolog dort fort, wo er in der letzten Stunde aufgehört hatte, und scherte sich nicht darum, ob jemand zuhörte. Wir waren alle freiwillig hier - ich könnte ebensogut ab vierzehn Jahren mit meinen Eltern auf dem Feld arbeiten.

Catch Me If You CanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt