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Es war soweit. Die Bezirksversammlung begann in wenigen Minuten, und die Unruhe war fast in der Luft zu riechen. Alle hatten sich auf dem großen Platz versammelt; klein, groß, Mann, Frau, alt, jung. Wenn man nicht wegen der Politik hier war, dann weil man eine morgige Freistellung in den ersten drei Stunden der Arbeitszeit bekam, wenn man anwesend war.

Ich stand bei meinen Eltern, die sich mit der Bäckersfrau unterhielten, die ich letztens bereits hier gesehen hatte. Sie schienen bloß locker zu reden, doch warfen immer wieder nervöse Blicke auf die Wachen oder auf den Bezirksbalkon, auf dem bald ein Sprecher erscheinen sollte.

Wir sahen alle die verhüllten Gestalten, vor denen jeder Platz machte - Magier aus dem inneren Ring.

Wir bekamen sie selten zu Gesicht - bei großen Festen, Versammlungen oder großen Auseinandersetzungen. Die alltäglichen Wachen waren nur Menschen, vielleicht hie und da einen niederen Begabten.

Ich dachte daran, was mache als Chance sahen, wieder nach Hause zurückzukehren. Die Begabten mit niederen Gaben wurden nie ausgewählt oder ausgebildet. Alleine konnten sie ihre Kräfte nicht trainieren, und sie lebten weiterhin im äußeren Ring oder gehörten zur Wache.

Ich dachte an all die Dinge zurück, die ich abgefackelt hatte. Nein, ich würde gewiss nicht als niedere Begabung aus dieser Situation entwischen können.

Ein sehr hohes Geräusch glitt durch die Menge. Es erinnerte an das Bersten von Glas, das Kreischen von Metall, das Reißen von Kreide.

Ich hielt mir die Ohren, bis das Geräusch verklungen war. Ein Kind weinte in der Nähe, doch es war nicht das der Bäckersfrau, das war wie erstarrt.

"Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kinder." Er grüßte Kinder separat... wies es bereits auf das Kommende hin? Dass sie sogar Kinder rekrutieren würden für ihre unnützen Kriege?

"Schwere Zeiten bahnen sich an...", glitt er in seine Rede hinein. Ich konnte ihn hier aus der Ferne gerade so erkennen. Der kleine Mann auf dem Balkon trug pompöse Kleidung und schaute verächtlich in die Menge hinab, als seien wir seine Zeit nicht wirklich wert. Ich lauschte seinen Worten, doch sie gingen an mir vorbei.

Ich wartete nur auf den Moment, in dem er wirklich anfangen würde zu reden.

Und das tat er auch.

"...sieht sich die Königsfamilie gezwungen, alle Männer über achtzehn und unter dreißig Jahren für den Krieg zu rekrutieren."

Aufschreie kamen aus der Menge. Frauen fingen an zu weinen. Ein kleines Mädchen in meiner Nähe klammerte sich an seinen großen Bruder.

Das hatte ich nicht kommen sehen...

Ich dachte an Klyde. Hatte er mir diese Information absichtlich vorenthalten?

"Alle Männer im genannten Alter sollen sich bitte bis zum Ende der nächsten Woche beim hiesigen Bezirk eingeschrieben oder ausgetragen haben, insoweit der Grund dafür den aufgestellten Richtlinien entspricht, die im Bezirk... ausgestellt..."

Ich bemühte mich, seine drängende Stimme zu verstehen, doch sie ging im der Panik der Menge unter. Sie bewegte sich, jeder bewegte sich, sie liefen zu ihren Liebsten, um sie in die Arme zu nehmen, sie drängelten, rempelten und schrien. Mein Kopf fing an zu pochen, als ich meine Mutter bei der Hand nahm und sah, wie die Bäckersfrau ihr Kind vom Boden hob.

Doch meine Vorsicht war nicht nötig, denn auf einmal durchstömte mich eine Ruhe. Die Menge schien wie ein wilder Fluss seine Wogen zu glätten, der Sturm war vorbei.

Eine verhüllte Gestalt stand auf einmal neben mir. Sie hatte eine Hand gehoben und... waren das violette Funken, die ab und an aus den Fingerspitzen hervorkamen?

Sobald mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss drehte sich der Magier ruckartig zu mir um. Seine Augen waren schwer erkennbar unter einer Kapuze verborgen, doch ich sah, dass er sie zusammenkniff.

Er machte einen Schritt in meine Richtung und war mit seinem Gesicht kaum zwei Zentimeter von meinem entfernt.

Ich schnappte leise nach Luft, doch rührte mich nicht von der Stelle. Magier. Gefährlich.

"Name", verlangte er knurrend.

Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen, doch ich war viel zu eingeschüchtert. Ich war normalerweise nicht so schnell kleinzukriegen, doch etwas an der Erscheinung des Mannes... oder an seinen Augen?... ließ die Panik in meiner Brust anschwellen, bis ich fast keine Luft mehr bekam.

"Ruby Hallsteyn", keuchte ich und konnte die Augen nicht von seinen Abwenden. Grausamkeit stand in ihnen. Die Hand meiner Mutter lag entspannt in meiner. Sie schien von all dem gar nichts mitzubekommen. Was ging hier bloß vor sich?

Der Mann nagelte mich noch einige Augenblicke fest, dann drehte er sich um und ging. Auf einmal konnte ich atmen, und schnappte hektisch nach Luft. Fast hätte ich verpasst, wie der Bürgermeister in seiner Rede fortfuhr, fast übersehen wie friedlich die Menge war, dass kein einziges Baby weinte.

Fast. Aber ich sah es. Und es machte mir fast noch mehr Angst als der Magier vorhin.

"...und alle Begabten werden von nun an mit dem Alter von 16 Jahren bereits in den goldenen Ring gebracht." Tränen stiegen mir in die Augen. Ich war sechzehn. In einem halben Jahr würde ich siebzehn werden. "Sie werden am kommenden Sonntag von hier verreisen, ohne Ausnahme. Genießen sie die Tage mit ihren Familien."

Der Mann drehte sich um und ging in das Gebäude hinein. Es dauerte, bis die Worte zu den Menschen vordrangen, so lang, dass es wie ein Zauber wirkte, der auf allen schwebte, und aus dem sie sich nur langsam befreiten. Ein Zauber...

Alle Menschen verließen wie in Trance den Platz. Sie liefen in kleinen Gruppen durch die Straßen, bis es endgültig zu ihnen durchsickerte, und sie angeregte und verzweifelte Unterhaltungen zu führen begannen.

Ich stand unter Schock. Was ich gerade beobachtet hatte, war die Macht der Magie, und obwohl es sich vor allen Augen abgespielt hatte, hatte keiner etwas davon mitbekommen.

Ich sah Maxon, der genauso wie ich erstarrt in der sich träge bewegenden Menschenmasse stand. Maxon... unsere Blicke begegneten sich.

Ich drehte mich um und floh.

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Kurz, aber ich beschließe, es hier enden zu lassen :)

Bells

Catch Me If You CanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt