Auftrag 1/2

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Eine leichte Brise brachte die Blätter auf den, in nächtliche Dunkelheit gehüllten, Straßen zum Rascheln. Ein einsames Bellen verklang unter dem glitzernden Sternenhimmel. Der Schatten eines Streuners huschte über einen spärrlich beleuchteten Fußweg. Vereinzelt konnte man durch die Fenster der Wohnhäuser das Flackern der eingeschalteten Fernseher sehen. Die Stadt schlief, träumte ihren ganz eigenen Traum, in Tausenden von Köpfen.

Mit geschlossenen Augen blies Stegi seinen Atem in kleinen Wölkchen hinaus in die kalte, herbstliche Nachtluft. Geborgenheit. Schutz. Die Nacht war sein treuer Begleiter. Sie hatte ihn, kurz nach dem Tod seiner Eltern, aufgenommen, hatte ihn gelehrt aus dem eigenen Schicksal das Beste herauszuholen und ihm somit zu seinem jetzigen Ich verholfen. Die Nacht hatte ihm den Ruf eines Phantoms, das Image eines geheimnisvollen Mörders verliehen.

Aufmerksam ließ der Blonde seinen Blick über die leer gefegte Straße gleiten. Keine Menschenseele war zu sehen. Nichts erweckte den Anschein, dass in den nächsten Stunden die friedliche Stille durch irgendeine menschliche Aktivität gestört werden würde. Perfekt. Stegis linker Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Grinsen. Endlich. Mit flinken Bewegungen huschte der junge Mann durch seine Wohnung, sammelte verschiedenste Mordinstrumente zusammen, die er unter einer unscheinbaren schwarzen Jacke verbarg. Niemand würde auf die Idee kommen, dass sich unter der abgewetzten Jacke ein ganzes Waffenarsenal verbarg. Leise zog Stegi die alte Wohnungstür hinter sich zu und trat seinen Weg in den Keller an. Das Licht im Keller ließ er vorsorglich ausgeschaltet. Es würde nur zu viel Aufmerksamkeit erregen, sollte jemand bemerken, dass der Blonde sich mitten in der Nacht im Keller herumtrieb. Mit einem sanften Stoß schwang die marode Holztür zu dem kleinem Kellerraum auf und gab den Blick auf ein unordentliches Zimmer frei.

Vorsichtig zwängte der Blonde sich in die unscheinbare Ecke am anderen Ende des Raumes und ging in die Knie. Mit seinen rauen Fingerkuppen strich Stegi bedächtig über das Metall eines uralten, rostigen Metallgitters, welches in den Boden eingelassen war. Mit einem Ruck zog er das Gitter aus der Verankerung, die ein ächzendes Geräusch erzeugte, um letztendlich doch nachzugeben. Ein letztes Mal scannten wache, grüne Augen den dunklen Keller mit den antiken Wänden aus rotem Backstein nach Besonderheiten ab, welche gefährlich werden könnten. Doch alles schien ruhig. Zufrieden nickte der Blonde, verschwand in der Öffnung im Boden und brachte das Gitter in seine angestammte Position zurück.

Schnellen, aber dennoch leisen, Schrittes eilte Stegi durch die Kanalisation. Am beißenden Geruch sowie an den relativ schlechten Sichtverhältnissen störte er sich schon lange nicht mehr. Verbachte man genügend Zeit an diesem Ort, fiel es irgendwann leicht die Unannehmlichkeiten zu übersehen und das Augenmerk auf die positiven Seiten zu wenden. So bot ihm das dicht verzweigte Kanalisationsnetz Schutz vor möglichen Bedrohungen, wie Polizisten, auf deren Fahndungsliste er ziemlich weit oben stand, oder anderen Gestalten des Untergrundes, mit denen Stegi nicht unbedingt in Kontakt treten wollte. Auch wenn er selbst zu diesen Gestalten gehörte, so sah der Blonde sich selbst als eine kultiviertere Art Mensch an und vermied es, insofern es möglich war, mit anderen heruntergekommenen Obdachlosen und Verwahrlosten in Kontakt zu treten. Das Vertrauen in diese Menschen hatte er schon vor langer Zeit verloren. Stegi vertraute nur sich selbst, auf seine eigenen Fähigkeiten und das war gut so. Es gab Dinge im Leben die man nicht verändern sollte und das Vertrauen in sich selbst gehörte definitiv dazu.

An einer Leiter, deren metallene Griffe aus der Wand ragten, stoppte Stegi seinen Lauf. Er war am Ziel. Diese Sprossen würden ihn auf direktem Weg in den Vorgarten des Einfamilienhauses seines nächsten Opfers führen. Rasch zog der Blondhaarige sich eine alte Stummaske über, die seine leuchtend grünen Augen betonte und ihm ein mystisches Aussehen verlieh. Seine Augen waren Stegis Markenzeichen. Jedenfalls kannte sie fast jeder der Teil der Untergrundszene war oder Verbindungen dorthin besaß. »Das Phantom mit den Smaragdaugen« hatte eines von Stegis Opfern einmal gewispert, bevor es für immer verstummte und das Geheimnis weitertragen konnte.

Flink und effektiv erklomm Stegi die wenigen Sprossen, schob den schweren Gullideckel beiseite und befand sich kurz darauf in dem Vorgarten des pompös wirkenden Anwesens. Ein kurzer Blick in das glitzernde Fimament, ein kurzer Gedanke an das Monster in ihm und ein schnell Vorüberziehnder Gedanke an sein weiteres Vorgehen. Es war soweit. Grüne Augen schlossen sich, mit seinem feinen Gehör horchte Stegi in die Nacht hinein, bevor er sich seinen Instinkten hingab, sich fallen ließ und den Worten des Monsters folgte.


Yume no Sekai - Traumwelten | StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt