Kapitel 6

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„Möchtest du ein Stück?" Stacie trat neben mich und hielt mir ein halbes Kaninchen hin. Abwesend schüttelte ich den Kopf. „Hör mal. Wegen letztens, das tut mir echt leid. Ich wusste nicht wie ernst dir das ist." „Schon ok", murmelte ich und starrte weiterhin in den Schnee. Für ein paar Minuten war es ganz still. Niemand sagte etwas. „Du Stacie...", begann ich. „Ja?" „Ich war heute Morgen bei ihr." Sie stutzte. „Wie du warst bei ihr?" „Ich ähm hab mich als Mensch in die Stadt geschlichen und sie gesucht. Ich habe sie auch gefunden und sogar mit ihr ge..." „Warte was?", unterbrach sie mich. „Du bist als Mensch in die Stadt gegangen? Bist du denn verrückt? Weißt du wie gefährlich das ist?" „Ja", murmelte ich. „Ich weiß, dass es gefährlich ist, aber ich konnte nicht anders." Wie ein Häufchen Elend kauerte ich mich in den Schnee. „Hör mal. Wenn dir das wirklich so wichtig ist, werde ich dich begleiten", meinte Stacie. „Wirklich?" Voller Freude sprang ich auf. Mein Herz schlug wie wild. Sie lächelte mich an. Ich lächelte dankbar zurück. „Lass uns morgen wieder in die Stadt gehen. Ich helfe dir beim Suchen." Noch nie war ich so dankbar für etwas gewesen. Schmetterlinge flatterten in meinem Bauch hin und her und alles kribbelte. Wenn Stacie bei mir war, würde ich es dieses Mal nicht so vermasseln.

Den Rest des Abends verbrachte ich damit, Stacie vorzuschwärmen, wie unglaublich schön das Mädchen war und wie sehr ich mich freute. „Mach dir nicht so viele Hoffnungen. Es muss ja nicht sein, dass wir sie finden", überlegte Stacie.

Zum ersten Mal seit langem hatte ich wieder gut geschlafen

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Zum ersten Mal seit langem hatte ich wieder gut geschlafen. Schon vor dem Morgengrauen stand ich vor Stacies Bau und wartete. Pünktlich mit den ersten Sonnenstrahlen stand sie auf und wir machten uns auf den Weg. Unser Vorwand: Jake besuchen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir endlich die Grenze. Wir verwandelten uns und überquerten vorsichtig die Straße. Als wir im Dorf ankamen, durchsuchten wir strategisch jede Gasse, spähten vorsichtig durch Fenster und drehten jeden Stein um. Nichts. Vielleicht war sie nicht Zuhause. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn wir sie einfach so getroffen hätten. Erschöpft ließen wir uns auf eine Parkbank sinken. Stacie warf mir einen mitfühlenden Blick zu. "Liebe ist hart", murmelte sie. Ich nickte nur, wie ich es in letzter Zeit öfters tat. Plötzlich kam ein alter Mann die Straße hochgerannt. „Hilfe. Hilfe. Ich habe etwas Schreckliches gesehen." Sofort versammelten sich einige Menschen um ihn. Stacie und ich hoben gespannt die Köpfe. Der Mann war ganz außer Atem und kollabierte fast. „Was ist denn geschehen?", fragte jemand. „Ich habe sie gesehen. Es gibt sie immer noch. Mein Vater hatte Recht." Seine Worte ergaben keinen Sinn. „Was hast du gesehen?", erkundete sich jemand. „Die Kreaturen. Werwölfe. Sie haben sich vor meinen Augen verwandelt. Sie müssen hier irgendwo sein." Mein Herz setzte einen Schlag aus. Wie gelähmt starrten wir auf die Szene, die sich vor uns abspielte. „Da sind sie", schrie der Mann und kippte beinahe um vor Aufregung. „Das sind die Werwölfe." Ich riss meine Augen auf. Nein! Das durfte nicht sein! Unsere schlimmsten Albträume waren wahr geworden. „Bist du dir sicher?", fragte jemand. „Mein Vater war Schamane. Ich weiß wovon ich spreche." „Fangt sie", ertönte die Stimme eines Mannes. Es ging alles so furchtbar schnell. Plötzlich stürzten sich alle auf uns. Stacie verwandelte sich im Sprung und schoss los. Auch ich rannte, jedoch noch als Mensch. Das letzte, was ich von ihr hörte war: „Du hast uns alle verraten!"

Ich rannte und rannte, bis ich nicht mehr konnte. Meine Füße taten so weh. Stacie war verschwunden. Sie war nach Hause zurückgekehrt und hatte von meinem Verrat berichtet. Ich selbst war als Mensch geflüchtet und hatte mich in einem nahegelegenen Wald versteckt. Verzweifelt sank ich zu Boden. Was hatte ich nur getan? Ich hatte sie alle ins Grab gebracht. Meinen Vater, meinen Bruder, Stacie. Alle würden wegen mir sterben. Ich konnte nicht mehr nach Hause zurückkehren. Sie würden mich verachten. Doch wohin sollte ich gehen? Mein innerer Wolf riet mir, die Menschen zu töten, um unser Geheimnis zu wahren, doch mein Herz sehnte sich nach einem normalen Leben als Mensch, mit ihr.

Oh je was hat sie da nur aus Liebeskummer angerichtet? Ob sie das noch geradebiegen kann?

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