Kapitel 2

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Die frühe Morgensonne weckte mich bereits früh am Morgen. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und weitergeschlafen, doch ich hörte bereits die Stimme meines Vaters, als er mich zu sich rief. „Aufstehen! Dad ruft dich." Mein Bruder trat neben mich und zog an mir. „Bitte nicht", grummelte ich. „Was habe ich nur verbrochen, dass ich immer so früh aufstehen muss?" „Tja du bist nun einmal die Tochter des Wächters. Ihr müsst eben das Gebiet ablaufen." Verschlafen rappelte ich mich auf. „Und warum übernimmst du das nicht? Du bist der Ältere. Du solltest in Dads Fußstapfen treten." „Ich war gestern an der Reihe." Wieder zog er an mir. „Los jetzt." Müde brummte ich etwas vor mich hin und verließ den Bau. Die helle Sonne blendete mich, sodass ich meine Augen schließen musste. „Da bist du ja endlich", begann mein Vater. „Komm. Wir sind spät an." „Was ist mit Frühstück?", fragte ich empört. „Nicht jetzt." Beleidigt öffnete ich den Mund. „Wenn du früher aufstehen würdest, hättest du auch Zeit zum Frühstücken", witzelte Jasper. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und knurrte. „Bis später Schwesterherz." Was sollte ich tun? Ich war nun einmal ein Morgenmuffel. Genervt folgte ich meinem Vater in den Wald.

Gemeinsam liefen wir unser Gebiet ab und hielten nach Eindringlingen Ausschau

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Gemeinsam liefen wir unser Gebiet ab und hielten nach Eindringlingen Ausschau. Die Sonne war bereits vollständig aufgegangen, als mein Vater mich endlich erlöste. „So den Rest schaffe ich alleine. Du kannst jetzt gehen." Endlich! „Danke Dad." Immer noch etwas verschlafen trottete ich durch den weichen Schnee. Der Himmel war eisblau und keine einzige Wolke ließ sich blicken. Gerade als ich den Wald verlassen wollte, hörte ich einen Schrei. Es klang ganz nach einem Mensch. Schon seit Jahren hatte ich keine normalen Menschen mehr gesehen. Mein Dad hatte immer gesagt, ich solle mich von ihnen fernhalten. Sie würden uns töten und könnten unser Geheimnis nicht wahren. Dennoch siegte die Neugier. Langsam pirschte ich mich näher an die Stelle heran, aus der das Geräusch gekommen war. Vorsichtig spähte ich zwischen einigen Ästen hervor. Da entdeckte ich gegenüber einer Lichtung ein junges Mädchen. Sie dürfte ungefähr in meinem Alter sein. Lange blonde Haare, vielleicht ein bisschen größer als ich. Ein Bär stand ihr gegenüber und drängte sie in die Ecke. Laut schreiend wisch sie dem Tier aus und stolperte mehrmals. Gebannt beobachtete ich die Szene. Ein komisches Gefühl machte sich in mir breit. Was wollte dieses Mädchen hier, so weit entfernt von den Wanderwegen? Immer wieder wisch sie aus. Der Bär schien außer sich. Vielleicht hatte sie sich seinen Jungen genähert oder ihn geweckt. Erneut brüllte der Bär und drängte sie weiter zurück. Das Mädchen näherte sich einem gefährlichen Abhang. Ich wusste genau, ich sollte es nicht tun, doch ich konnte das Mädchen nicht einfach so sterben lassen. Obwohl ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, hatte ich Angst um sie. Als der Bär sich ihr weiter näherte, fasste ich eine Entscheidung. Jetzt oder nie! Mit einem riesigen Satz sprang ich aus meinem Versteck und drängte mich zwischen die beiden. Laut knurrend zeigte ich dem Bär meine scharfen Zähne. Erschrocken wisch er einige Schritte zurück. Ich bellte, um meiner Drohung mehr Ausdruck zu verleihen und ging auf ihn zu. Wütend schlug er mit seiner Pfote nach mir, doch das war der Moment, auf den ich nur gewartet hatte. Blitzschnell schoss ich in die Luft und schlug meine Zähne in seinen Hals. Ich hatte nur darauf gewartet, dass er seine Pfoten wegnahm. Ein lauter Schrei hallte durch den Wald. Ich hatte nie die Absicht gehabt, den Bär zu töten, doch der Drang das Mädchen zu beschützen hatte mich stärker gemacht, als eigentlich geplant. Es dauerte nicht lange und der Bär sank leblos zu Boden. Ich starrte ihn noch einige Zeit an und drehte mich dann zu ihr um. Ihre Augen waren vor Angst geweitet und sie zitterte am ganzen Körper. Vorsichtig machte ich einen Schritt auf sie zu. Verängstigt sprang sie nach hinten. Der lockere Boden unter ihren Füßen gab nach und sie stürzte in die Tiefe. Nein! Nicht sie! Sofort sprang ich nach vorne und griff gerade noch rechtzeitig ihren Arm. Ihr Gewicht zog mich nach unten, doch ich stemmte mich in den Schnee. Meine Krallen verhakten sich im Waldboden und hielten mich fest. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und zog sie nach oben. Ich hatte es geschafft. Sie lag neben mir im Schnee. Durch die ganze Aufregung war sie bewusstlos geworden. Was sollte ich jetzt tun? Ich würde sie auf keinen Fall hier liegen lassen, aber ich durfte sie auch nicht zu unserem Bau bringen. Einige Minuten vergingen, in denen ich einfach nur neben ihr saß und sie anstarrte. Sie war irgendwie wunderschön. Ihre weichen blonden Haare, die über ihr ruhiges Gesicht fielen. Ihre ganze Haltung, wie sie so dalag. Und ihr Duft. Dieser wundervolle beruhigende Duft, der mir in meine empfindliche Wolfsnase kroch. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und genoss den Moment. Da riss mich die Stimme meines Vaters aus meinen Träumen. Er rief nach mir. Sein langanhaltendes Heulen ging durch Mark und Bein. Ich musste etwas tun. Man erwartete mich bereits. Ich stand  auf und nahm vorsichtig ihr Handgelenk in den Mund. Ganz sanft schleifte ich sie durch den Schnee. Ich wusste genau, wo das verbotene Menschengebiet war, schließlich hatte man mich ständig davor gewarnt. „Egal was du tust, betrete niemals das Gebiet am Waldrand. Die Menschen werden dich töten", hallte mir immer noch die Stimme meines Vaters durch den Kopf. Damals war ich noch ein Welpe gewesen. Jetzt waren bereits 17 Jahre vergangen. Bald gehörte ich zu den Erwachsenen, die beinahe alles durften.

Eine halbe Stunde später erreichte ich die Grenze. Es hatte etwas länger gedauert, da ich besonders vorsichtig gewesen war, um dem Mädchen nicht wehzutun. Sorgfältig blickte ich mich um und hielt nach Menschen Ausschau. Nichts. Langsam näherte ich mich dem riesigen Highway, der quer durch die Wildnis führte. Meine Beine zitterten, doch ich musste es versuchen. Für sie! Ich schlich den Abhang hinauf und wartete. Schon von weitem hörte ich das Rauschen eines Motors. Das war meine Chance. Mutig sprang ich mitten auf die Straße und blieb stehen. Das Auto näherte sich mit rasender Geschwindigkeit. Mein Herz raste. Gerade im letzten Moment hörte ich, wie das Auto kurz vor mir zum Stehen kam. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Ich starrte genau in die Gesichter eines jungen Paares, das mich verwirrt anstarrte. Kurz bewegte sich niemand. Doch dann fiel mir wieder ein, weshalb ich mich überhaupt in solche Gefahr begeben hatte. Ich sprang zurück in den Graben und packte das Mädchen. Vorsichtig schleifte ich sie vor das Auto. Dann drehte ich mich um und sprang zurück in den Wald. Von weitem hörte ich, wie Autotüren geöffnet wurden und man sich um das Mädchen kümmerte. Beruhigt rannte ich nach Hause.

„Warum liegt ein toter Bär im Wald und warum führt deine Fährte dahin?", waren die ersten Worte meines Vaters, als ich Zuhause ankam. „Ich äh...habe mir zu Herzen genommen, was ihr gesagt habt und wollte jagen üben", log ich. „Wieso fängst du dann nicht mit einem Kaninchen an?", fragte er verblüfft. „Wenn schon, denn schon", meinte ich nur und trottete an ihm vorbei. Meine Begegnung sollte ein Geheimnis bleiben und nicht einmal Stacie sollte davon erfahren.

Gedankenverloren starrte ich in den Himmel und dachte an das Mädchen. Ob es ihr wohl besser ging? Ob sie sich wohl an mich erinnern würde? Tief im Inneren hoffte ich, dass es so war.

Hat Laila da gerade ihre Gefährtin gefunden? Doch wie wird es nun weitergehen? Werden sie sich wiedersehen?

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