Teil 3

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Evan Scott saß mit dem Rücken zu ihr in einem schweren alten Ledersessel und laß ein Buch. Dabei war es doch völlig dunkel in dem Raum. Verwirrt starrte Zoe den Vampir vor sich an, war wie erstarrt. Erst die blutunterlaufenen Augen, die sich im Glas der Fensterscheibe spiegelten und die sich direkt in sie hineinbohren wollten, erinnerten sie wieder daran, weswegen sie hier war. Lautlos zog sie zwei Messer und ging auf ihn zu. Das Lächeln, das ihr dabei von dem Spiegelbild des Vampirs zugeworfen wurde, war grotesk und grauenhaft. Dass er überhaupt noch den kultivierten Mann spielen konnte, sprach von seinem Alter und seiner Stärke. Er würde kein einfacher Gegner sein. Immer näher kam sie dem Sessel, behielt dabei die Tür, die sie geschlossen hatte und ihre Umgebung genauestens im Auge, wobei sie im Augenwinkel immer Evan hatte. 

„Da hast du dir aber einen schönen Ort zum Sterben ausgesucht", spottete sie nun, als sie direkt hinter ihm stand, ihre beiden Klingen zum tödlichen Stoß erhoben. Evan Scott würde keine Unschuldigen mehr umbringen. „Das Kompliment könnte ich zurückgeben", schnurrte ihr Gegenüber. Dabei sprang er mit solch einer Geschwindigkeit über den Sessel und sie hinweg, dass sie die Toten gar nicht finden wollte, von denen er sich noch genährt hatte. Denn es war bei Vampiren nicht anders, wie bei anderen Lebewesen. Je mehr Nahrung sie bekamen, desto stärker wurden sie. Gut für die Vampire, schlecht für die Jäger.

Genervt drehte sich Zoe um, sah gerade noch im richtigen Moment, dass der Vampir einen erneuten Satz tat und förmlich auf sie zuflog. Ebenfalls in beiden Händen ein Messer. Wo er die so schnell her hatte, wollte sie eigentlich gar nicht wissen. Sie hatte auch überhaupt keine Zeit dazu, darüber nachzudenken, denn schon musste sie den ersten Schwall an zornigen, unkontrollierten Stichen und Hieben des Gegners ausweichen.

Sie duckte sich, die Klingen sausten an ihrem Kopf vorbei, wobei ein paar lose Strähnen ihres Pferdeschwanzes dem scharfen Stahl zum Opfer fielen. In diesen Sekunden war ihr Körper vollgepumpt mit Adrenalin, dass sie sich fast in einem Rausch befand. Jede Faser ihrer Körpers war zum Zerreißen gespannt, sodass ihr nicht die kleinste Veränderung ihres Gegners entging. Das war es, wofür sie Monate, ja sogar Jahre der unterschiedlichsten Prellungen, Verstauchungen und Brüchen auf sich genommen hatte. Zwar brannten ihre Muskeln bereits nach einigen Augenblicken, aber dieser Schmerz war so willkommen, wie das Gefühl der Genugtuung und Freude, wenn sich ihr das Metall ihrer Messer, wie Butter durch die Haut ihres Gegners schnitt.

Viel zu oft traf Stahl auf Stahl, wobei jeder von ihnen die ein oder andere Verletzung des anderen auf seinem Konto verbuchen konnte. Zum Glück gab es außer dem Bett und dem Sessel keine Möbel in dem doch recht geräumigen Zimmer. So stand wenigstens nichts im Weg. Auch musste sich Zoe keine Gedanken über eventuelle Eingriffe von außen machen, denn sämtliche Zimmer waren schallisoliert. Wenigstens etwas hatte sich das Etablissement leisten können.

So ergab sich mit der Zeit ein tödlicher Rhythmus in ihrem Kampf um Leben und Tod, bis sie sich schwer atmend und mit jeweils der Klinge des Gegners am Hals gegenüber standen. Anscheinend waren sie sich ebenbürtig und dann wieder nicht. Zoey atmete schwer, eine dringend notwendige Pause entstand - ein abschätzen, wie gut der Gegner noch war. War der Vampir zwar nicht so geschickt mit der Klinge, so kämpfte er doch ohne Logik und Verstand, was ihn wiederrum zu einem noch gefährlicheren Gegner werden ließ, da man nichts vorhersagen konnte.

Im nächsten Augenblick war die Pause vorbei. Mit einem Zischen sausten die Klingen wieder durch die Luft. Parieren, schlagen, ducken, stechen - es war wie ein Tanz. Die Klingen wirbelten umher und zerrissen Haut und Kleidung. Etwas Hartes war ihrem Messer im Weg, schützte ihren Gegner und widersagte ihr den tödlichen Stoß. Der Schulterknochen des Gegners knackte verdächtig. Mit aller Kraft warf sie sich in den nächsten Stich, Blut spritze auf, heiß und klebrig. Der Vampir schrie und dann war der Widerstand verschwunden. Der Arm zuckte auf dem Boden während sie mit einem heftigen Tritt in die gegenüberliegende Ecke geschleudert wurde. Das ohrenbetäubende und schon fast nicht mehr menschlich klingende Gebrüll zeugte davon, welche Schmerzen der Vampir hatte und doch war er nicht minder gefährlicher geworden. Das Blut machte den Boden rutschig und Zoey kam nicht rechtzeitig hoch, das nächste Messer ihres Gegners bohrte sich mit voller Länge in ihren Arm.

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