Teil 7

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„Wie konnte das passieren?", fragte eine samtweiche Stimme in die Stille hinein. Der Raum, in dem sie sich befanden, war pompös und geschmackvoll. Die Eleganz und Harmonie drückten ein Vermögen aus, das unweigerlich dahinter stecken musste. Und doch bewahrte die Einrichtung Anstand und Respekt. Jeder Mann konnte sich in diesen Räumen wohlfühlen, doch Macht hatte er hier keine. Weibliche Dominanz spiegelte sich in vielen kleinen Akzenten wieder, die man erst auf den zweiten Blick bemerkte.

So war auch der Mann, der sich genüsslich in Michaelas Bett räkelte und dabei nur im Adamskleid zu bewundern war, nichts weiter als ein Spielzeug für sie. „Der Mann war dumm genug, sich auf seine Macht, die wir ihm gaben etwas einzubilden. Er kann froh sein, dass die Jägerin ihn getötet hat, sonst würde er jetzt weit schlimmere Qualen erleiden.", spielte der Vampir die Sache runter, „wir haben nichts zu befürchten. Er hat keine Spuren hinterlassen, die Raphael zu uns führen könnten. Ihr werdet eure Rache bekommen meine Fürstin."

Für einen Moment sah Michaela wirklich zufrieden aus, befriedigte der Vampir sie doch auf eine ganz spezielle, sehr intensive Weise. Doch dann bildeten sich Falten der Sorge auf ihrer sonst makellosen Stirn und fast hätte der Mann den Fehler begangen aufzuhören. Schweigend wartete er auf die Stimme seiner Fürstin. „Was ist mit der Jägerin?", fragte Michaela nach einem sehr langen, sehr intensiven Orgasmus.

Sex war für sie nur noch Zeitvertreib, etwas Leeres und Inhaltloses. Sie hatte schon vor langer Zeit aufgehört zu lieben, wusste im Grunde genommen gar nicht mehr, was das war. Der einzige, wo sie wirklich so etwas Ähnliches, wie Liebe empfunden hatte, war ihr von Raphael genommen worden. Nun sollte auch ihm das genommen werden, was ihn stark und mächtig machte. Sein Herz- Elena- und seine Freunde- die Sieben, wie sie sich selbst nannten. Sie hatten zwar alle Lijuan überlebt, doch es war Zeit für ein neues Zeitalter. Denn sie war stärker gewesen, als der Schmerz in ihrer Brust, hatte es geschafft jegliche Gefühle anzuschalten und einen dauerhaften Zustand der Stille einzunehmen. Kein Gefühl der Welt sollte sie jemals wieder schwach werden lassen. Mitleid und Größenwahn hatten Lijuan das Leben gekostet. Michaela dagegen war schlauer.

„Sie stellt keine Gefahr dar. Sie ist sterblich.", erkläret ihr der Vampir. Eine Sekunde später tropfte sein Blut von der schönen Wand in altrosa. Sein Kopf schlug mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden auf. Flammen aus Engelsfeuer züngelten an Michaels Armen entlang, doch kein einziger Tropfen der karmesinroten Flüssigkeit klebte an ihren Händen. Dumm. Das war das einzige Wort, was ihr zu diesem Mann zu ihren Füßen einfiel. Bereits von Elena hatte sie gelernt, dass eine Sterbliche niemals ungefährlich war. Vor allem dann nicht, wenn sie von einem Engel geliebt wurde. Und ihre Spione hatten ihre Arbeit gut gemacht, berichteten alles, was in der Gruppe der Sieben vor sich ging. Jenes Experiment, das Raphael am Anfang seines Daseins eingegangen war.

Sie verstand nicht, was er an diesen Engeln und Vampiren fand und auch die andere Seite war ihr fremd. Schon alleine Dimitri war so stark und mächtig, dass er locker sein eigenes Territorium führen konnte und wenn die Informationen ihrer Spione stimmten, dann war auch Illium auf dem Weg Erzengel zu werden. Einer der vielen Gründe, warum sie die Sieben tot sehen wollte. Doch seit geraumer Zeit stand das Glockenblümchen, wie es in der Welt der Sterblichen genannt wurde, ganz oben auf ihrer Liste. Denn noch so einen mächtigen Verbündeten an Raphaels Seite durfte nicht kommen. Das Gleichgewicht der Welt würde damit aus den Fugen geraten. Es reichte schon, dass zwei Uralte und zwei weitere Erzengel aus dem Kader eine Partnerschaft und Allianz zu Raphael zeigten.

Außerdem schien der Erzengel von New York auf irgendeine Weise Kraft aus ihnen zu tanken. Nicht auf die gleiche Art und Weise, wie es Lijuan getan hatte, sondern auf eine ganz andere. Michaela war schlau genug zu wissen, dass sie niemals einen gezielten Treffer auf einen der Sieben landen würde und auch ihre Generäle waren gegen sie machtlos. Waren die Sieben doch auf eine Art und Weise stark, wie es ihre Männer nie sein konnten. So viel war Michaela bewusst. Man munkelte, dass es das unverrückbare Vertrauen war, dass alle miteinander so stark und mächtig werden ließ. Aber der Erzengel von Europa hielt nicht viel von dieser These. Was war schon Vertrauen, wenn man Kontrolle haben konnte?!

Und doch musste sie sich eingestehen, dass dieses Prinzip der Machtverteilung anscheinend sehr gut funktionierte, waren sie doch Lijuans Armee eins zu fünf unterlegen gewesen und hatten dennoch gesiegt. Ein Tag, der in die Geschichte der Engel eingegangen war und der einen Schandfleck bildetet, wie Michaela fand. Er zeigte nur, wie unfähig Lijuan gewesen sein musste, wenn sie gegen einen Mann und seine Leute verlieren konnte, die jünger, unerfahrener und lange nicht so mächtig gewesen waren, wie sie. Lange Zeit hatte man sie für die Mächtigste gehalten, aber man hatte das Blut zweier Erzengel vergessen, dass Raphael unweigerlich in sich trug. Die Macht pulsierte ihm durch jede Faser seines Körpers.

Deshalb mussten sie es äußert klug anstellen, wenn sie endlich das heiß ersehnte Blut fließen sehen wollte. Und mit dem Tod von Evan Scott hatte Zoe Haziz nicht nur den Tod ihres blaugeflügelten Verehrers in Stein gemeißelt, sondern auch den Startschuss eines Wettlaufs gegen die Zeit gegeben. Nun kam endlich die Antwort auf die Frage, wer im Kampf den kühleren Kopf behielt- Frau oder Mann. „Lasset die Spiele beginnen.", murmelte sie mit einem teuflischen Lächeln auf ihren schönen Lippen vor sich hin.

Und was Zoe Haziz betraf; mit den Jägern der Gilde hatte Michaela sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen und was würde der Gemahlin mehr Schmerz zufügen, als wenn ihr heiß geliebtes Patenkind eines tragischen Unfalls sterben würde. Gleichzeitig würde sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn nicht nur der Turm würde für kurze Zeit lahm gelegt sein, sondern auch die Gilde. Ein perfekter Nährboden für das Gelingen ihres Planes.

Diesen einen Augenblick der namenlosen Wut würde Michaela nutzen und dann endlich wäre ihre Zeit der Rache gekommen. Nun mussten nur noch die richtigen Vorbereitungen getroffen werden, sodass New York völlig im Chaos versinken würde. Zorn und Trauer waren doch so mächtige Gefühle.

 Zorn und Trauer waren doch so mächtige Gefühle

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