Der Abschied

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Es schien ein normaler Tag zu sein.

Ich wachte um punkt 7 Uhr auf und machte mich fertig für die Schule.

Meine Mama machte mir Frühstück und ich aß währenddessen Müsli.

Ich verabschiedete mich und ging vor die Haustür.

Ich atmete den frischen Wind und seufzte tief.

Wie sehr ich das vermissen würde.

Keine Schule.

Keine Freunde.

Kein normaler Alltag mehr.

Kein Leben.

Garnichts mehr.

"Hey! Da bist du ja!", meine beste Freundin Sarah sprang vom Stuhl und eilte zu mir rüber, als ich ins Klassenzimmer kam.

Alle anderen starrten mich an.

"Leute. Ich bin immer noch Ich. Hört auf, mich so zu behandeln, als sei ich eine Außerirdische.", platzte es aus mir heraus.

Sie atmeten alle schwer aus und fingen wieder an, sich normal zu verhalten.

Ich setzte mich an mein Platz neben Sarah und packte meine Sachen für die erste Stunde aus.

"Wie sehr ich dich vermissen werde.", sagte Sarah schließlich und umarmte mich ganz fest. "Ich dich auch.", flüsterte ich. "Versprich mir, dass du auf dich aufpassen wirst. Komm bitte wieder an einem Stück zurück. Kein Arm oder Bein darf fehlen. Hast du gehört?", schimpfte sie mit mir. Ich musste schmunzeln. "Hör auf zu lachen!", sagte sie und eine leichte Träne kullerte ihr über die Wange. "Du musst zurückkommen!"

"Ääh. Maralaa?", es war Lukas.

Lukas.

Der Junge, in den ich seit der 5. Klasse verknallt war.

Er stand vor ihr.

Jetzt in diesem Moment.

"Kann ich mit dir reden?", fragte er schüchtern.

Ich nickte und ließ Sarah immer noch mir hängenden Kopf sitzen und ging mit Lukas vor die Klasse.

Es war 8:43 Uhr.

Und der Unterricht würde in 7 Minuten anfangen.

Was würde er jetzt wohl sagen?

Ihr heimlichster Traum war es, dass er ihr sagen würde, wie sehr er sie liebte und dann würde er sie in den Arm nehmen und sie küssen.

Aber leider passierte das nur in Filmen.

Und das, das war kein Film.

"Ich wollte dir nur Tschüss und Viel Glück sagen.", er schien noch etwas sagen zu wollen, doch anscheinend überlegte er gerade, wie er es sagen konnte. "Ich wollte dich schon seit Monaten fragen, ob du Lust hättest dich mit mir zu treffen. Aber ich hab mich einfach nicht getraut und jetzt habe ich keine Möglichkeit mehr dazu.", er machte große Gesten mit den Armen um seine Enttäuschung zu unterstreichen. "Falls du zurückkehrst, ich meine, du wirst zurückkehren, gäbe es die Möglichkeit mit mir ins Kino zu gehen?" Ich lächelte verlegen und wusste einfach nicht, was ich sagen sollte.

Er wollte mich wirklich fragen, ob ich mit ihm ausgehen möchte!

Er mag mich tatsächlich.

Ich lächelte und nickte.

"Echt!", Lukas schien vor Freude zu platzen und ich ebenfalls.

Er umarmte mich plötzlich ganz fest und schrie im Schulflur so laut er konnte: "Ich bin der glücklichste Junge der Welt.", dann hielt er mich kurz von sich und ich konnte ihn weinen sehen.

"Komm zurück.", flüsterte er. "Komm auf jeden fall zurück."

Ich weinte nun schließlich auch und zwang mich zu lächeln.

Und dann nickte ich.

Meine Lehrerin kam ins Klassenzimmer und alle standen auf um sie zu begrüßen.

Sarah hatte sich beruhigt und drückte meine Hand.

Meine Lehrerin blieb vor dem Pult stehen und ließ ihren Blick über die Schüler schweifen, bis ihre Augen auf mir ruhten.

"Maralaa.", hob sie an. "Ich möchte, dass du uns begleitest. Wir haben eine kleine Überraschung für dich. Und es wartet auf den Schulhof auf dich."

Meine Klasse und ich gingen aus dem Schulgebäude und kamen am Schulhof an.

Er war voll.

Meine ganze Schule versammelte sich dort.

Ein Podest war aufgebaut und dort wartete der Direktor auf mich.

Als alle auf dem Hof mich sahen, fingen sie an zu jubeln.

"Maralaa Sergelen. Kommst du bitte hoch zu mir.", sagte der Direktor.

Ich schaute kurz zu meiner Klassen und dann trat ich auf das Podest.

"Wir sind hier, um uns von einer Schülerin zu verabschieden. Wie ihr wahrscheinlich erfahren habt, wird Maralaa nach Russland auf Station umgesetzt. Es ist eine sehr lange und komplizierte Geschichte und ich glaube das sollte sie auch selber sagen.", der Direktor gab mir das Mikro und nun stand ich da oben und über Tausend Menschen beobachteten mich angespannt.

"Hallo.", sagte ich erstmal. "Ah, also ich weiß nicht wirklich wie ich anfangen soll. Ich war letztes Jahr auf Training in der mongolischen Militärschule. Leider war das nur eine Probe und meine richtige Ausbildung hätte erst später anfangen sollen, wenn ich 18 wäre. Aber ich wollte das Probetraining nicht ausschlagen. Dann gab es einen Tippfehler im System, das mich zum vollwertigen Soldaten macht. Leider kann man das nicht mehr ändern. man könnte sagen, es ist ihnen egal, ob ich 16 bin oder nicht. Die Mongolei braucht jeden Mann, der zu Verfügung steht und da ich sozusagen schon gut genug ausgebildet bin, muss ich wohl ziehen."

Alle schaute mich entsetzt an.

"Was ist wenn du dich weigerst?", fragte ein älterer Schüler über die Menge.

"Naja, dann werde ich als Landesverräter abgestempelt und mir droht lebenslange Haft.", antwortete ich knapp.

Einige sahen sich empört an und es begann ein unruhiges Murmeln in der Menge.

"Jedenfalls,", fuhr ich fort," Hat es mich gefreut, in diese Schule gehen zu dürfen. Ich habe wirklich eine tolle Klasse und viele Freunde, die hinter mir stehen.  Ich kenne euch, also die meisten, im Endeffekt nicht, aber wir sind trotzdem eine Schule die zusammenhält. Danke nochmals. Ich hoffe, dass das nicht das letzte Mal ist, dass wir uns sehen und ich werde mein Bestes versuchen heil wieder zu kommen."

Alle jubelten und ich hörte einige "Viel Glück!" und ein paar "Komm heil wieder!" rufen.

Plötzlich wurde alles still.

Sie stellt sich gerade auf und neigten die Köpfe respektvoll zur Seite und gingen auf dem einem Bein auf die Knie. 

Selbst die Lehrer.

Es war nun Schulschluss.

Als ich Richtung Schuleingang ging schüttelten und umarmten mich Leute, die ich nicht kannte, aber es war trotzdem ein schönes Gefühl, von jedem gesehen zu werden.

Meine Eltern warteten im Auto und ich verabschiedete mich nochmal einzeln bei jedem meiner Klassenkameraden.

Ich umarmte sie alle.

Und dann war der Moment vorbei.

Ich saß im Auto und wir fuhren nun los.

Heute würde sich mein Leben komplett verändern.

Das Mädchen, das in den Krieg zogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt