Der Traum

1.1K 52 5
                                    

Ich war im Lager. Es schien ein normaler Tag zu sein. Die Jungs regten sich langsam auf ihren Hochbetten. "Maralaa! Heute schaffst du aber nicht die 40 Klimmzüge im Training.", ein ziemlich gebräunter Junge stieß mich an die Schulter und lachte. "Boldoo. Lass das!", rief ein anderer von seinem Bett aus. Ich war das einzige Mädchen und musste mich deshalb immer wieder aufs Neue beweisen. Das hatte ich auch gut geschafft. Die Jungs respektierten mich mehr, nachdem ich die 70 Liegestütze in 7 Minuten hinbekommen hatte. Danach hatte ich 2 Tage Muskelkater. Natürlich durfte ich nicht zeigen wie schwach ich war und trainierte dafür doppelt so hart. "Mal sehen. Gestern habe ich die 20 hinbekommen.", ich lachte vor mich hin.

Beim Training mussten wir Schießen und dann plötzlich als ich auf die Zielscheibe schoss, drehte sich eine Gestalt zu mir und ich schoss mitten ins Nichts. Die Leere hüllte mich ein und ich sah schwarz.

Ich stieß einen Schluchzer aus und sprang vom Bett. Ich spürte wie meine Augen angeschwollen waren. Und meine Wangen waren feucht voller Tränen.

"Alles Gut?", meine Mutter stand an der Tür und sah mich liebevoll an. "Ja, war nur ein schlechter Traum.", ich wischte mir mit den Händen über mein Gesicht um meine Gedanken zu ordnen. Langsam realisierte ich was gestern passiert war.

Mein Vater hatte sofort an der Zentrale angerufen. Er war vollkommen aufgebracht und schrie förmlich ins Telefon. Ich saß in meiner Kuscheldecke eingewickelt im Sessel. Meine Mutter war so verzweifelt und hatte sich aus dem Haus gemacht. "Sie ist 16! Wie Tippfehler? Das können sie doch nicht machen! Nein! Ich lasse meine Tochter nicht ziehen! Was? Landesverräter? Sowas können sie doch nicht machen!"

Landesverräter. Was für ein schönes Wort für ein Mädchen, das mit 16 gezwungen ist in den Krieg zu ziehen.

Das war zu viel für mich. Ich stieß mich vom Sessel ab und lief in mein Zimmer.
Schnell zog ich mir meine Nikes an und zog die Lederjacke über und ging aus dem Haus. Ich hörte noch gerade so meinen Vater weiter brüllen.

Als ich die Tür aufstieß spürte ich den kalten Winterwind an mir zerren und ich atmete die kalte, frische Luft. Ich dachte nochmal über alles nach und merkte erst wenige Minuten später, dass meine Beine mich zur Römerbrücke trugen.

Das Mädchen, das in den Krieg zogWo Geschichten leben. Entdecke jetzt