Forsaken

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Jay blinzelte, als er vom Sonnenlicht geweckt wurde. Mit einem Mal setzten die Kopfschmerzen ein und er stöhnte leise, schloss die Augen wieder. Während er seine Lider aufeinanderpresste, versuchte er, den gestrigen Abend zu rekonstruieren. Er war mit den anderen Piets in Köln etwas trinken gegangen, da sie sich aufgrund der Gamescom alle in Köln befanden. Es war ziemlich spät geworden und er konnte sich daran erinnern, dass er eine beträchtliche Menge an Alkohol intus gehabt haben musste. Allerdings erklärte das nicht, wie er es nach Hause nach Gießen geschafft hatte. Ruckartig schreckte er auf, saß kerzengerade auf dem Sofa, wie er feststellte. Es war aber nicht sein Sofa. Argwöhnisch schaute er sich um und er wurde das Gefühl nicht los, dass er die Wohnung kannte. Auch der unterschwellige Geruch kam ihm vertraut und bekannt vor. Langsam entspannte sich seine Körperhaltung und er sank zurück in das Kissen. Seine Gedanken kreisten um seinen Aufenthaltsort und er zerbrach sich den Kopf darüber, wo er nicht gelandet war. Ein leises Klappern riss ihn aus seinen Gedanken und er sah auf. Aus dem Flur hörte er leise Schritte und dann bekam er seinen Gastgeber zu Gesicht.


Sep stand im Durchgang und lächelte leicht. In seinen Händen hielt er ein Tablett mit Frühstück, so erschien es Jay. "Guten Morgen, Jonathan", begrüßte Sep ihn mit einem leicht schelmischen Lächeln und legte das Tablett auf den Couchtisch. Erneut setzte er sich vernünftig auf und besah sich das Frühstück. "Morgen", grummelte er lediglich. Seine Miene hellte sich jedoch auf, als er das Glas Wasser und die Aspirin sah. "Danke", fügte er hinzu, während er nach dem Glas griff und die Aspirin damit hinunterspülte. "Bitte", erwiderte der Ältere, noch immer lächelnd. "Ich hatte gestern viel intus, oder?", fragte er, während er sich langsam, schon fast ein wenig zögerlich über das Frühstück hermachte. Ein Lachen schallte durch den Raum und seine Nackenhaare stellten sich wohlig auf. Kurz verwirrt von sich selbst; hielt er inne und sah zu dem Ingenieur auf. Dieser lächelte noch immer und setzte sich dann zu ihm. "Um deine Frage zu beantworten: ja, du hattest sogar sehr viel intus", kam es über Lenßens Lippen. "Oh", brachte er lediglich hervor und betrachtete den Boden. "Ist doch alles gut, Jay. Du hast mir nicht in die Wohnung gekotzt und warst ziemlich ruhig..." Als er das Zögern in der Stimme des Maschinenbauers hörte, sah er auf. Die Grün-grauen Augen erwiderten seinen Blick und er las Unsicherheit in ihnen. "Hab ich was Unpassendes gesagt?", fragte er leise. Sein Gegenüber musterte ihn. "Du... du hast mir ziemlich viel über deine Beziehung mit Anna erzählt... und das es nicht so gut läuft", kam es Sebastian zögerlich über die Lippen. Langsam dämmerte es ihm und er wurde sich seiner Handlung und ihrer Tragweite bewusst. Tief ausatmend wandte er den Blick ab. "Tut mir leid, sollte ich dich, nein, dass ich dich damit zugemüllt habe...", murmelte er leise. Überrascht sah er zu Boden, wo Sammy sich an seine Beine schmiegte und leise schnurrte. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und er streckte seine Hand aus, kraulte Sammy hinter den Ohren. Der Kater lehnte sich in seine Hand und schnurrte unerlässlich, ließ dann aber von ihm ab und verschwand. "Das ist doch Quatsch!", hörte er Sep aufbegehren. Sein Kopf schnellte nach oben und traf die Grün-grauen Augen. Er wusste nicht, wie ihm geschah, als er den Blick erwiderte, sich in den Augen verlor. Ein Scheppern riss ihn von der grün-grauen Versuchung fort. "Kackjes", kam es lediglich über des Brünetten Lippen, ehe er in die Küche verschwand. Leicht seufzend sah er ihm nach, stand dann auf und folgte ihm langsam. Was war gerade in ihn gefahren? Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum er sich so hatte gehen lassen und vor allem: warum hatte er sich in Seps Augen verloren?


In der Küche angekommen, konnte er sich ein Lachen nicht verkneifen. Die Schale mit den Äpfeln lag auf dem Boden und Sammy thronte auf dem Kühlschrank, putzte sich die Pfoten. Ihm war, als wäre der Kater die personifizierte Unschuld, so, wie er dort saß. Der Ingenieur hob die Äpfel auf und legte sie auf die Spüle, ebenso die Schale. Anschließend lehnte er sich gegen die Arbeitsplatte. "Jay... du hast mir gesagt, dass Anna sich darüber aufregt, dass du nur noch zwischen der Praxis und deinem Computer pendelst... aber... naja, sie sollte doch wissen, worauf sie sich eingelassen hat, oder?", kam es von dem Gamer. Sein Lachen verschwand aus seinem Gesicht und er seufzte. Sein Blick wanderte von Sammy zu dessen Besitzer, welcher ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen musterte. "Schon, aber... klar verbringe ich im Moment viel Zeit in der Praxis durch das Praktikum und wenn ich nach Hause komme, esse ich in der Regel schnell und nehme dann auf... Das ist aber auch nur eine Phase, immerhin endet das Praktikum zum Ende des Jahres. Es ist nicht so, als würde ich sie ausschließen... ich mache am Wochenende immer etwas mit ihr... wir gehen Essen, nach draußen oder machen einen Filmabend... ich kann verstehen, dass ihr das nicht reicht, aber mehr schaffe ich im Moment nicht... ich bin doch eh schon übermüdet.... sieh dir meine Augenringe an...", rechtfertigte er sein Handeln. Sebastian hob die Hände an. "Bei mir brauchst du dich nicht rechtfertigen..." Er lächelte lediglich und musterte den Älteren leicht. Lenßen war kleiner als er, schlank und ein wenig trainiert. Wenn man es nicht wusste, sah man es auch nicht, aber er wusste es. Wie auch so vieles. Seine Gedanken schweiften zu ihrer Schulzeit und den nachmittäglichen Besuchen ab. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, doch er wurde aus seinen Gedanken gerissen. "Willst du mein speziell für dich angerichtetes Frühstück einfach so liegen lassen?", fragte Sep ihn ein wenig spöttisch. Oh. Ihm fiel auf, dass er noch nichts gegessen hatte und sein Magen stimmte ihm mit einem Knurren zu. Grinsend sah er seinem Freund in die Augen. "Mein Magen und ich sind da anderer Meinung", antwortete er und lief zurück ins Wohnzimmer.


"Fuck!", zischte er, als er auf sein Handy sah. Mehrere Dutzend entgangene Anrufe und Nachrichten von Anna. Ein kurzer Blick zum Ingenieur reichte und er verließ den Raum. Tief durchatmend rief er seine Freundin an. Sie ging ran. "Hey Anna, ich-", doch weiter kam er nicht. "Bist du eigentlich völlig bescheuert? Ich sitze hier und mache mir Sorgen; ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen! Du hattest mit versprochen, dass du dich meldest. Ist es so schwer, eine Nachricht zu tippen?", fuhr die Frau ihm dazwischen. Die Augen schließend antwortete er ihr: "Nein, und ich weiß auch, dass das sehr dumm von mir war. Es tut mir leid, Anna.... ich mache mich gleich auf den Weg und bin in zwei Stunden wieder bei dir." Er hörte ihr kaltes Lachen und etwas in ihm wusste, dass es so nicht mehr weiterging, doch er verdrängt den Gedanken schnell. "Na dann sehen wir uns auch mal wieder. Grüß Sep von mir", erwiderte sie und legte auf. "Bis gleich...", murmelte er leise und verstaute sein Handy in der Hosentasche. Ein Gefühl der Leere keimte in ihm auf, es fühlte sich so an, als stünde er tatsächlich neben sich. Abwesend räumte er seine Schlafstätte auf und nahm das leere Tablett in die Küche. Sebastian, welcher Sammy gerade ein Leckerchen gegeben hatte, sah fragend auf. "Danke, dass du ihr Bescheid gegeben hast. Sie ist ziemlich sauer auf mich und ich weiß ehrlich gesagt nicht, was mich Zuhause erwartet... vor allem nicht, nachdem wir die letzten Wochen und Monate nur gestritten haben...", kam es ihm leise über die Lippen. Anstelle einer Antwort bekam er eine Umarmung, welche er erwiderte. Als sie sich voneinander lösten, fand er sich in den Grün-grauen Augen wieder. "Dein Auto steht im Übrigen noch in der Innenstadt. Ich fahr dich hin", sagte der Maschinenbauer und lief langsam Richtung Flur. "Danke..." Sammy kam auf ihn zu und schlängelte sich um seine Beine. Mit einem leichten Lächeln kniete er sich zum Kater und kraulte ihn zum Abschied ausgiebig. "Einen guten Diener hast du dir da ausgesucht. Pass auf ihn auf und behandle ihn gut", murmelte er dem Kater zu, ehe er aufstand und sich im Flur Jacke und Schuhe anzog. Der Ältere hatte seine Schlüssel in der Hand und hatte sich auch schon von seiner Freundin verabschiedet und ihr Bescheid gegeben. "Tschüss Marie...", sagte er etwas lauter, ehe er mit einem seiner längsten Freunde dessen Wohnung verließ.


Im Auto nahm er den Beifahrersitz ein und dachte über seine Situation nach. Er wusste nicht, was ihn in Gießen erwarten würde und das beunruhigte ihn. Er wusste nicht, ob Anna ihn anschreien würde. Er wusste nicht, ob es Streit geben würde. Er wusste nicht, ob sie weg sein würde. Er wusste nicht einmal, ob er noch eine Freundin hatte. Warum war er auch so dumm gewesen und hatte seine Ankunft angepriesen? Hätte er das nicht getan, hätte Anna auf ihn gewartet, aber so konnte sie schon fort sein, wenn er ankam. Ausatmend setzte er seine Brille ab und rieb sich über die Augen, dann übers Gesicht. "Jonathan?" Er hatte die Brille wieder an und wandte sich mit zusammengezogenen Augenbrauen an den Grünäugigen. Der Wagen kam langsam zum Stehen und schließlich parkte Sep, wandte sich dann zu ihm. "Solltest du etwas brauchen, jemanden zum Reden oder Zuhören, ich bin für dich da. Schreib mir, oder ruf mich an, okay?", bot Sebastian ihm an, während er in die grün-grauen Augen starrte. Stumm nickte er und stieg aus. Lenßen stieg ebenfalls aus und blieb vor ihm stehen. "Meld dich, wenn du da bist. Das gilt auch für den Fall, dass etwas sein sollte - egal was", wiederholte der Ältere eindringlich. Eine Andeutung eines Lächelns erreichte seine Lippen, wusste er doch, dass die Eindringlichkeit in erster Linie Fürsorge war. Zum Abschied umarmte er den Maschinenbauer. "Danke, Sep... und kein Wort zu den Anderen. Bitte", murmelte er und sah erwartungsvoll hinab. Angesprochener nickte. "Das ich dir helfe und zuhöre, ist selbstverständlich, Jay. Da gibt es nichts zu danken und wenn du nicht möchtest, dass ich es ihnen erzähle, mache ich das nicht. Ist ja immerhin auch deine Angelegenheit." Er konnte nur nicken und war in diesem Moment sehr dankbar für den Ingenieur. In den Augen ebendieses Ingenieurs verlor er sich kurzzeitig erneut und schüttelte kurz den Kopf. "Bis dann...", verabschiedete er sich und lief zügigen Schrittes zu seinem Wagen. Er sah den Wagen seines Freundes noch aus dem Parkhaus fahren. Mit einem flauen Gefühl im Magen und einem immer wiederkehrenden Bild von Grün-grauen Augen vor seinem inneren Auge, machte er sich auf den Weg nach Hause.



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Das ist bis jetzt das erste Kapitel, weitere sind in Planung. 

Ich hoffe mal, es gefällt euch c: 

The Racing HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt