Kapitel 4

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 Die Mittagspause verlief, wie sollte Max das am besten Ausdrücken? Es verlief tatsächlich sehr normal. Dennoch war die Sache, dass sie sich so normal verhielten, auch die Sache, die Max so bedrückte. Seufzend sah er auf seinen Block, hörte seinem Dozenten überhaupt nicht zu und hing seinen eigenen Gedanken nach.

 "Herr Krüger, konzentrieren Sie sich lieber auf die Vorlesung. Die Themen sind relevant für ihre Prüfungen im nächsten Semester.". Erschrocken zuckte Max zusammen, murmelte eine leise Entschuldigung und versuchte, zu verstehen, was da an die Tafel projiziert wurde. Aber so sehr er es auch versuchte, desto anstrengender wurde es für ihn und sein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Er sah  auf die Uhr, welche ihm anzeigte, dass die letzte Vorlesung für heute gleich vorbei sein würde.

 "So, ich möchte bitte, dass Sie bis Ende der Woche einen kleinen Vortrag vorbereiten, über die Themen, die wir die letzten zwei Vorlesungen über behandelt haben.". Was? Das war ein Scherz. Max war das erste Mal seit Monaten wieder in Berlin, hatte die vorletzte Vorlesung überhaupt nicht besuchen können und hatte sich während dieser Vorlesung überhaupt nicht konzentrieren können. Jetzt musste er auch noch einen seiner Kommilitonen fragen, ob er sich die Unterlagen kopieren könnte. "Ähm, Lukas? Könnte ich mir vielleicht deine Notizen kopieren?", fragte er den Mann, der vor ihm saß. "Natürlich. Wie war es eigentlich in Amerika? Es muss doch unglaublich warm in Texas gewesen sein, oder?".

 Max war es nicht gewohnt, so ausgefragt zu werden, aber er beantwortete alle Fragen von Lukas. Die beiden verstanden sich auf Anhieb, das war ziemlich seltsam für Max. Da beide jetzt noch Zeit hatten, wollten sie sich in der Unibibliothek treffen, damit Lukas ihm die letzten beiden Vorlesungen nochmal erklären wollte.

 Wie sich schon nach weniger Zeit, in der sich die beiden unterhielten herausstellte, spielte Lukas in einer Band als Schlagzeuger, welche noch einen Lead-Sänger suchte. Natürlich wurde Max von Luke, wie er genannt werden wollte, gefragt, ob er Interesse hätte, allerdings lehnte er dankend ab, er hätte noch zu vieles in seinem Leben zu klären, wodurch er leider keine Zeit haben würde. Die Hälfte seiner Worte entsprach der Wahrheit, die andere Hälfte nicht. Max hatte tatsächlich noch viel in seinem Leben zu regeln.

 Als Erstes war da die Sache mit Florian. Sie mussten endlich Klartext reden, Max brauchte diese Gewissheit einfach. Der zweite Punkt war, dass Max sich einen Psychologen suchen wollte. Allerdings hatte er auf diesem Gebiet absolut keine Ahnung, also nahm er sich vor, Florian um Rat zu fragen, da dieser ja Psychologie studierte. Dritter Punkt der Liste war, dass Max endlich sein Leben auf die Reihe bekommen wollte. Er wollte seine schreckliche Vergangenheit endlich loslassen können.

 Zum Schluss wollte er seine Gefühle zu Florian loswerden. Er wusste zwar noch nicht, wie er das überhaupt machen sollte, aber er hoffte, es würde sich klären, wenn er zuerst die oberen Punkte seiner gedanklichen Liste abarbeitete.

 Es vergingen einige Stunden, wo sich Lukas und Max unterhielten. Nachdem die beiden Männer die letzten beiden Vorlesungen wiederholt hatten und schon die ersten Pläne für ihre jeweiligen Präsentationen angelegt hatten, unterhielten sie sich über belanglose Themen wie Musikgeschmack, Freunde, Pläne fürs Wochenende und dumme Geschichten aus ihrer Schulzeit. Auch, wenn es sich noch befremdlich anfühlte, glaubte Max, dass er in Lukas wahrscheinlich jetzt schon einen guten Freund gefunden hatte.

 Da es bereits schon recht spät war und die beiden ihren restlichen Nachmittag und Abend nicht unbedingt in der Universitätsbibliothek verbringen wollen, tauschten sie noch ihre Nummern aus, packten ihre Sachen zusammen und verabschiedeten sich von einander.

 Bevor Max direkt nach Hause gegangen war, war er noch in einem kleinen Discounter in der Nähe seiner Wohnung einkaufen, damit er wieder etwas anständiges zum Essen in seiner Wohnung haben konnte. Mit den schweren Tüten stieg er die Treppen hinauf, schloss seine Wohnung auf und stellte die Tüten in der Küche ab, nachdem er die Wohnungstür mit seinem Fuß zugestoßen hatte.

 Nachdem er seine Einkäufe sortiert hatte und sich Wasser für Nudeln aufgesetzt hatte, zog er seine Straßenkleidung aus und tauschte sie mit einer bequemen Jogginghose und einem zu großen, dunkelblauen Pullover. Als er wieder in der Küche war, schüttete er die Nudeln in das kochende Wasser und stellte einen zweiten Topf auf die Herdplatte, um die Tomatensoße zu erhitzen.

 Kurze Zeit später, er hatte gerade die Nudeln abgegossen, klingelte es plötzlich an der Tür. Seufzend stellte er den Topf zurück, streifte sich die Topfhandschuhe von den Händen, die seltsamerweise vom Muster her komplett falsch zusammen genäht wurden von seinen Händen und ging zur Tür.

 Er drückte den Knopf, um die Haustür zu öffnen und wartete einen Moment. Als es dann an der Tür klopfte, machte Max die Tür auf, doch er war nicht darauf gefasst, das er plötzlich vor ihm stand, vollkommen aufgelöst. "Flo-.". Weiter kam er nicht, denn Florian brach kurz darauf zusammen, und bevor dieser Bekanntschaft mit dem Boden machen konnte, fing Max ihn auf.

Failsafe: EntropyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt