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•Uptown Funk•

H  O  L  L  Y

G. S. S.
Stand in großen neonfarbenen Buchstaben über der Eingangstür des Ladens.

Ich sah mich vorsichtig um.

Ich sollte mich beeilen.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich George Sanders Shop, ein größeres Geschäft in der hintersten Ecke unserer Mall, betrat.

Es bot Billigware aller Art an, von Ein-Weg Ohrenstöpseln bis hin zu  Fernsehgeräten. Würde mich nicht wundern wenn auch letzteres Ein-Weg- Geräte wären.

Ich ging, vorsichtig darauf bedacht, dass Sanders mich nicht bemerkte, zwischen den Regalen entlang, um mir etwas auszusuchen.

Bei einer wirklich hässlichen goldenen Sonnenbrille mit roten Gläsern hielt ich inne.

54 Dollar.

Perfekt.

Ich sah mich kurz um, griff dann hastig nach der Sonnenbrille und lies sie in meiner Jackentasche verschwinden.

Mein Herz raste.
Aber genau deswegen machte ich den Scheis hier ja.
Ein bisschen Nervenkitzel eben.

Jetzt bloß unauffällig sein.
Ich pustete mir eine blonde Strähne aus dem Augenwinkel und trat dann zur Tür.

Noch zwei Schritte, dann war ich drausen.
Noch einer und-...

"Driiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii..."

Alarmanlage.

Typisch.

~

Der bullige Kerl mit dem Piercing in der Augenbraue schnarchte auf der Bank, ein gruseliger Typ mit blauen, wässrigen Augen beobachtete mich aus einer Ecke heraus und zwei betrunkene Knackis riefen mir ekelerregende Dinge von der anderen Zelle aus zu.

Es war jetzt ungefähr neun Uhr abends.

Der Polizeibeamte sperrte die Zelle auf.
Am liebsten hätte ich ihm zugerufen, er solle mich hier drinnen lassen, anstatt in die Arme des tollwütigen Monsters, aka meiner Mutter, zu schicken.

Weil wenn man es so betrachtete, war es doch eigentlich ganz gemütlich zwischen den ganzen betrunkenen Schlägern und Vergewaltigern und... keine Ahnung... Kaugummiautomatenknackern?

Aber leider verstand der Polizist meine Augensprache nicht, sondern sah mich bloß an, als wäre ich bescheuert, als ich versuchte, ihm meine Zwinker Botschaft mitzuteilen.

Ohne Erbarmen wurde ich schließlich dem grauenhaftem Monster übergeben und es zerrte mich aus der Polizeistation.
Wenn ich an das Drama dachte, das mich gleich zu Hause erwarten würde, vermisste ich meine Knacki-buddies schon schmerzhaft.

"Holly Maria Summer! DIEBSTAHL?! Ist das dein Ernst?! War ich eine so schlechte Mutter?
Hab ich deine Erziehung wirklich so in den Sand gesetzt?
Vielleicht hätte ich doch mal den einen oder anderen Erziehungsratgeber lesen sollen.
Ja, Vermutlich hätte ich das tatsächlich tun sollen.
Aber das tut hier nichts zur Sache!"

Ich schwieg.

"Ich rede mit dir, junge Dame!
Das letzte Mal war die Sache ja mit einem kleinen Vermerk getan, aber diesmal...!" erzürnte sich meine Mutter weiter.
"Sorry, Mum." Murmelte ich.

Seufzend atmete sie tief aus.
"Was wolltest du überhaupt bei Sanders? Nur mal davon abgesehen, dass die Sonnenbrille grottenhässlich ist!" Schimpfte sie.

Adrenalinkitzel.

Das wäre die einzige ehrliche Antwort, aber wohl kaum das, was meine Mutter gerne hören würde.

Deswegen schwieg ich.

"Damit das klar ist, Fräulein, ich stimme der Polizei voll und ganz zu. Sozialstunden bis es hapert!"

Uff.

~

"Miss Summer?"
Ich nickte.
"Schön, dann kommen Sie doch bitte mit."

Der Pfleger begleitete mich in das Gebäude mit der Aufschrift:
Psychologie Gershwin

"Mein Name ist Andrew Gershwin, Miss Summer. Ich bin Cornelius Gershwins Sohn."

"Ähm... ja. Das freut mich für Sie...?" Meinte ich unsicher und Gershwin Junior schmunzelte leicht.

"Natürlich.
Also, Miss Summer, unsere Einrichtung ist nicht ganz einfach. Viele Leute mit unterschiedlichen Problemen sitzen hier.
Von Magersucht bis Suizidversuche aus unterschiedlichen Motiven, hier ist alles dabei.
Da sie über das nötige Hintergrundwissen durch ihr abgebrochenes Psychologiestudium verfügen, wird es Ihre Aufgabe sein, die Aufsicht über einen recht... eigenen Patienten zu übernehmen.
Ich denke, es würde ihm gut tun, nicht ständig professionelle Therapeuten vor der Tür stehen zu haben, sondern jemanden, der Normal ist."

Ich zog die Augenbrauen hoch.
"Ich nehm das jetzt einfach mal nicht als Beleidigung."

"Das sollte es auch nicht sein. Ihre Schicht beginnt erst morgen gegen vier Uhr Nachmittags, aber wir dachten uns, er solle Sie heute schon kennen lernen."

Ich seufzte. "Geht klar."

"Sehr gut. Wir wollen gleich zu ihm, dann können Sie wieder nach Hause fahren, Miss Summer."

Er geleitete mich ein Stockwerk nach oben. Auf dem Weg zeigte er mir, wo sich sein Büro, die Krankenstation, die Waschräume, die Therapiezimmer und der Fernsehraum befand.

In einem weißen Flur mit hellgrauen Fließen, Türen mit Milchglas und gruseligen Clownbildern an den Wänden machten wir schließlich Halt.

Kein Wunder dass die Leute hier psychische Schäden haben, dachte ich bei mir und schauderte, als wir an einem Clown mit grünem Hut auf der roten Perücke vorbeiliefen, der mich grinsend anzustarren schien.

Ich hasste Clowns.

Vor der letzten Tür des Flures blieben wir stehen.

Mr Gershwin legte seine Hand auf die Türklinke.
"Seien Sie nicht allzu streng mit ihm. Er ist... schwierig. Erwarten Sie sich bitte auf keinen Fall zu viel." sagte er und schien tatsächlich leicht nervös.

Ich nickte bloß.

Dann öffnete Gershwin Junior die Tür.

Summer and WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt