Kapitel 1

139 11 5
                                    


Es ist Heiligabend und ich stehe auf dem Friedhof vor dem Grab meines Großvaters. Er ist jetzt seit zwei Jahren tot, doch ich komme immer wieder her, weil ich hier einen Ort der Ruhe und Stille gefunden habe, bevor ich in die Kirche gehe und als Messdienerin dem Priester bei der Messfeier helfe. Ihr müsst wissen, dass meine Mutter Küsterin ist, also sie kümmert sich darum, dass die Kirche sauber ist und bereitet die Messen vor. Mein Vater ist Berufssoldat und ist in Koblenz stationiert, weshalb er nur am Wochenende zu Hause ist. Ich habe drei ältere Geschwister. Zwei, Sina und Niklas, sind die Kinder aus der ersten Ehe meines Vaters. Mein zweiter Bruder Jonas hat eine geistige Behinderung, aber ansonsten ist er echt toll. Ich bin die Jüngste, weshalb ich immer im Schatten von Sina und Niklas stehe. Sina studiert Glasrestauration im Praxisjahr und Niklas wohnt mit seiner Freundin in Düsseldorf und arbeitet dort als Dachdeckermeister. Es ist nicht leicht in ihrem Schatten zu stehen, aber ich versuche immer gut in der Schule zu sein, damit ich irgendwann aus ihrem Schatten heraustreten kann. Aber noch bin ich 16 Jahre alt, wohne in einem kleinen Dorf in Deutschland und besuche eine katholische Mädchenrealschule.

„Lena kommst du?", mein Bruder Jonas kommt angerannt und reißt mich aus meinen Gedanken. „Mama sagt, dass du ihr helfen sollst und Papa möchte dir noch eine kleine Änderung in der Aufstellung zeigen!"

„Ja, ja ich komme ja schon, aber schrei nicht so rum wir sind auf dem Friedhof!" Wie immer gibt er mir keine Antwort, also laufen wir schweigend zum Pfarrzentrum, wo die Messfeier stattfinden soll.

„Ah Lena da bist du ja! Hilf mir mal bitte und stell die Sachen auf den kleinen Tisch", freut sich meine Mutter. Jedes Jahr ist es dasselbe. Sie hat alles vorbereitet und gerät trotzdem in Hektik, weil sie denkt sie hätte etwas vergessen.

„Lena komm jetzt! Die Gemeinde ist gleich da und du sollst bis dahin die fertige Aufstellung kennen!" Ich seufze laut. Mein Vater kann es einfach nicht lassen Befehle zu erteilen.

„Papa wir haben das schon so oft besprochen, ich könnte das im Schlaf!", entgegne ich genervt. Manchmal ist es gar nicht so leicht, wenn der eigene Vater auch noch der Messdienerleiter im Dorf ist und alles besser weiß. Selbst nach sechs Jahren als Messdienerin glaubt er, dass ich nicht wüsste was ich tun muss. Trotzdem zeigt er mir nochmal alles und geht danach mit mir in die Sakristei, wo die anderen bereits versammelt sind. Wie immer konzentriere ich mich und komme zur Ruhe. Anschließend sorge ich dafür, dass niemand sieht, dass ich mit den Gedanken ganz wo anders bin, indem ich neutral gucke. Alle Leute denken immer wie gläubig ich doch bin, aber in Wahrheit glaube ich eher, dass Götter wie Zeus und Poseidon leben, als das es nur einen Gott gibt. Das dürfen aber meine Eltern nicht wissen, denn ich soll später einmal Papas Platz als Messdienerleiterin einnehmen. Doch wenn ich ehrlich bin würde ich lieber ganz aufhören, aber ich möchte meine Eltern nicht enttäuschen.

Nach gefühlten zehn Stunden ist die Messe aus und alle gehen nach draußen. Ich folge ihnen schweigend, denn ich möchte mich davor drücken, die Kirche aufzuräumen. Also laufe ich hinter die alte Kirche und lehne mich an die Steine. Der Winter ist diese Jahr kaum vorhanden, denn es hat noch nicht einmal geschneit und der große Frost ist auch noch nicht da gewesen. Plötzlich kommt ein starker Wind auf und ich gucke reflexartig in den Himmel. Was ich dort sehe erschreckt mich zu Tode. Am Himmel kreisen zwei Kreaturen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Sie sind riesig, mindestens 7m lang und haben irgendwas auf ihrem Rücken. Langsam landen sie auf der freien Fläche neben der Kirche. Je näher diese Kreaturen kommen, desto mehr Einzelheiten kann ich erkennen. Die eine ist rot-grün, hat zwei Krallen/Klauen – ich weiß nicht wie ich es nennen soll – und einen Schwanz mit zig Stacheln. Die zweite Kreatur ist dunkelblau und hat vier dieser Krallen-Klauen-Füße. Der Schwanz ist lang aber ohne Stacheln. Als die Drachen – ich nenn sie einfach mal so - gelandet sind springen zwei – ach du scheiße – Menschen von ihren Rücken. Es sind ein Junge und ein Mädchen, die ungefähr 20 Jahre alt sind. Die beiden kommen geradewegs auf mich zu. Ihre Kleidung ist ungewöhnlich: Sie trägt einen dicken Wintermantel, der sehr teuer aussieht, dazu dicke Hosen, Schuhe, sowie eine Mütze und Handschuhe. Er trägt irgendwas, das aussieht wie eine Rüstung, nur das sie nicht klirrt und die Farben sind wie die seines Drachen, dunkelblau mit ein wenig schwarz. Die Rüstung sieht bequem aus, was mich überrascht, weil ich immer der Meinung war, dass eine Rüstung schwer und unbequem ist. Das Visier bedeckt das ganze Gesicht nur die Augenpartie wurde bei der Herstellung ausgelassen. Auf der Seite des Visiers sind komische Zeichen, die ich nicht deuten kann.

Die DrachenprinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt