Als ich die Klinik betrete ist mir wie immer mulmig zu mute. Egal wie oft ich schon hier war ich werde mich nie daran gewöhnen. Die sterilen Räumen die an ein Gegfängnis erinnern. Eine Heilanstalt für psychisch Kranke Menschen. Oder wie manche zu sagen pflegen für Geisteskranke.
Mitten unter diesen Menschen auch meine Mutter. Seit einem halben Jahr gehe ich hier täglich ein und aus.
Ein halbes Jahr in dem ich nun schon hoffe dass sich der Zustand meiner Mutter ändert. Aber manchmal habe ich das Gefühl sie möchte nicht wieder gesund werden.Ich betrete das Zimmer meiner Mutter und wie immer registriert sie es nicht.
Eine Weile bleibe ich im Türrahmen stehen und beobachte wie sie in ihrem Sessel am Fenster sitzt und ins Leere starrt. Ihr langes dunkles Haar ist zu einem Zopf geflochten und sie trägt ihren geblümten Pyjama.
Mit meinem blonden Haaren und den grauen Augen sehen ich ihr überhaupt nicht ähnlich.
Unwillkürlich muss ich daran denken dass sie immer zu mir sagte ich bin die Tochter meines Vaters und sofort füllen meine Augen sich mit Tränen.
Ich unterdrücke den drang laut los zu schluchzen und gehe zu ihr hinüber."Hallo Mummi was gibt es denn da draußen zu sehen?" frage ich.
Doch wie immer bekomme ich keine Antwort. Weiterhin starrt sie ausdruckslos aus dem Fenster.
Ihr Blick ist so leer als wäre ein Teil von ihr bereits gestorben und wer könnte es ihr verübeln nach allem was damals passiert ist?
"Sieh mal ich hab dir deinen Lieblingskuchen mitgebracht."versuche ich es erneut.
Sie löst ihren Blick kurz vom Fenster um den Erdbeerkuchen in meiner Hand zu betrachten doch so gleich wendet sie sich wieder ab und ich stelle den Kuchen auf den kleinen Tisch neben ihrem Bett.
"Weißt du Mummi ich hab mir überlegt meinen Job zu schmeißen und Stripperin zu werden was hältst du davon? " scherze ich.
"Mhm schön."antwortet sie und ich versuche ein seufzen zu unterdrücken.
Ich weiß nicht ob es an den Tabletten liegt die sie täglich bekommt um sich nicht wieder das Leben zu nehmen oder ob sie mittlerweile wirklich so gleichgültig geworden ist aber diese Antwort bekomme ich öfter auf so ziemlich jede Aussage oder Frage.
Vorausgesetzt sie sagt irgendwann mal was. Manchmal sagt sie auch dem ganzen Tag nichts und starrt einfach nur aus dem Fenster.Ich setze mich zu ihr neben dem Fenster und automatisch fällt mein Blick durch die offene Tür auf das Zimmer gegenüber.
In letzter Zeit muss ich oft an den Mann denken der dort mal gelegen hat. Ganz alleine ohne jeden Besuch.
Immer wieder fragte ich mich ob er vielleicht keine Familie hatte.
Aber als ich manchmal drüben in dem Zimmer war hatte er immer von einer Frau gesprochen.
"Emma bitte verzeih mir und sag ihm dass es mir leid tut. Ich liebe euch." Hatte er immer zu mir gesagt.
Ich frage mich wer diese Leute waren.
Vermutlich war es seine Frau und sein Sohn? Oder Bruder? Das weiß ich bis heute nicht aber ich kann mich nicht daran erinnern dass er den Namen dieses Jungen oder Mannes jemals erwähnt hätte.Vor zwei Monaten ist er gestorben ich weiß noch dass ich fast täglich kurz bei ihm war und mit ihm gesprochen habe. Damals habe ich ihm meine Kette mit dem Kreuz geschenkt
welche ihm so gut gefallen hat.
"Meinst du Gott verzeiht mir Emma?"
Hatte er mich damals gefragt.
Ich habe ihm gesagt dass er das ganz bestimmt tun wird wenn er ihn darum bittet woraufhin er nur freudig genickt hat.Ich wende meinen Blick von der Tür ab und sehe meine Mutter an.
Ihre großen dunklen Augen starren weiterhin aus dem Fenster.
Wie gerne würde ich wissen was in ihrem Kopf vorgeht.Ich lege eine Hand auf die ihre und so sitzen wir eine Weile schweigend da.
Ab und zu löst sie ihren Blick vom Fenster und sieht zu mir rüber mit diesem leeren Blick der mir nur allzu Vertraut ist.Nachdem ich mich von ihr verschiedet und ihr einen Kuss auf den Scheitel gedrückt habe mache ich mich auf den Weg nach hause.
Die Luft draußen ist mittlerweile etwas kühler geworden und es beginnt leicht zu nieseln.
Was nichts ungewöhnliches in Vancouver ist. Hier regnet es die meiste Zeit über.Eine Weile bleibe ich im Wagen sitzen und denke darüber nach wie sich alles verändert hat. Im letzten Jahr ist so vieles anders geworden dass es mir manchmal wie ein Traum vorkommt. An manchen Tagen hoffe ich dass ich irgendwann aufwache und alles war nur ein Traum war.
Unterwegs halte ich auf der Hastings Street und gehe zum A Plus Floristic Laden. Als ich den Laden betrete atme ich den Duft der Blumen ein und bleibe kurz stehen. Eine kleine korpulente Dame kommt auf mich zu und fragt mich ob ich etwas bestimmtes suche.
"Einen Strauß weiße Rohodrenden bitte."sage ich.
Sie nickt und bittet mich ihr zu folgen.
"Das sind wirklich schöne Blumen uns sehr schwer zu bekommen Sie blühen nur im späten Sommer. Die weißen sind besonders selten."sagt sie während sie die Blumen sorgfältig verpackt. "Sind sie für jemand besonderes?" fragt sie mit einem leuchten in den Augen.
"Für meinen Bruder." Sage ich leise und richte meinen Blick auf meine Hände damit sie die aufsteigendenTränen in meinen Augen nicht sieht.
Anscheinend hat sie diese bemerkt denn sie stellt keine weiteren Fragen.
Ich bezahle die Blumen und verlasse den Laden um schnellstmöglichst zu meinem Wagen zu kommen.Schnell schließe ich den auf Wagen um einzusteigen und den Blumenstrauß auf den Beifahrersitz zu legen.
Tränen laufen mir über die Wangen als ich einen Blick auf den wunderschönen Strauß werfe.
Ich schluchze laut los während die Tränen unaufhörlich meine Wangen hinunter laufen. Mit verschleierte Blick starte ich den Wagen und fahre einen Stück die Hastings Street hinauf bis ich am Glenheaven Memorial ankomme. Ich bringe den Wagen zu stehen und trockne meine Wangen mit dem Handrücken. Bevor ich aussteige hole ich nochmal tief Luft und nehme den Strauß mit den Rohodrenden in die Hand. Dann steige ich aus und und schließe den Wagen ab.
Mit zittrigen Beinen betrete ich den Friedhof und bahne mir einen Weg durch die Grabsteine bis ich an einem riesigen weißen Marmor Grabstein mit goldener Verzierungen stehen bleibe. Auf dem Grabsteine sitzen zwei Engeln mit riesigen Flügeln. Ich lege die Blumen ab und knie mich auf den kühlen Boden der inzwischen ganz nass vom Regen ist. Ich fahre mit den Fingern über die Inschrift.
Connor Brantford Gegangen aber nicht vergessen. Steht da und darunter Oscar Brantford.
Die Tränen in meinen Augen lassen die Schrift verschwimmen.
"Hey Conor, Hey Dad."sage ich mit erstickter Stimme.
"Ich war heute bei Mom es geht ihr immer noch schlecht. Sie kann einfach nicht loslassen ich habe unendlich große Angst sie auch noch zu verlieren. In letzter Zeit habe ich viel über alles nachgedacht, wie jemand dein Leben in einem Wimperschlag für immer verlassen kann. Es ist so schmerzhaft. Es ist so schwer. Ich denke nichts passiert ohne Grund aber oft rechnet man nicht damit man sieht es nicht mal kommen. Doch diese Dinge geschehen. Seit dem ihr weg seit habe ich echt eine harte Zeit und es wird nicht besser. " Ich unterbrechen mich und weine laut los. Mittlerweile bin ich ganz nass da der Regen nun noch stärker geworden ist. "Die Tage sind nicht ganz so schlimm, da kann ich meinen Schmerz einigermaßen runterschlucken. Schlimm sind die Nächte wenn vollkommene Stille herrscht. Ich kriege kaum Luft so weh tut das. Mein Herz fühlt sich wie Blei an es ist so als ob sich eine eiserne Faust darum gelegt hat. Dad wie konntest du nur du bist einfach gegangen ich hatte nicht mal die Gelegenheit mich zu verabschieden das war nicht fair ich konnte dir nicht Lebewohl sagen." Erneut werde ich von einem lauten schluchzen geschüttelt ehe ich fortfahren kann.
"Connor es tut mir so leid dass du so früh gehen musstest. Das hätte nie passieren dürfen. Als ich dich
dort liegen sah konnte ich mich nicht bewegen ich war wie gelähmt. Wieso ist das Universum so grausam Connor? Du solltest nicht sterben du solltest Heiraten und Kinder kriegen.
Ich würde wirklich alles dafür geben euch noch einmal im Arm zu halten. "Ich bleibe noch eine Weile vor dem Grabstein stehen und weine laut ehe ich völlig durchnässt aufstehe. Meine Beine fühlen sich taub an und ich gehe vorsichtig zurück zum Wagen.
Als ich ihm Wagen sitze tropft das Wasser von meinen Haaren an mir hinunter während ich die Zündung an schalte und nach Hause fahre.

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Soulmates - Finde Mich!
RomanceDie 21 jährige Abigail musste ihn ihrem Leben vieles ertragen wodurch sie sich immer mehr zurück zieht. Als sie eine Nachricht von einem Unbekannten erhält scheint sich alles zum guten zu wenden. Doch auch er hat mit der Vergangenheit zu kämpfen. ...