Yale und ich liefen schweigend durch den Wald. Die Dämmerung ließ verzerrte Schatten um die Bäume herum huschen und die untergehende Sonne schien durch einige Spalten im dichten Blätterdach. Sie tauchte alles in einen goldenen Schimmer, der langsam, aber stetig schwacher wurde.
Dann würden wir wohl noch mal hier übernachten müssen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir schon so weit von zu Hause weg waren.
Außerdem hatten wir den letzten Tag nichts zu essen oder zu trinken gehabt, was sich aber nur schleichend zeigte. Anscheinend konnten Yale und ich länger als normale Menschen überleben, ohne etwas zu essen.
Und ich wusste immer noch nicht, was er war. Und er hielt es gut versteckt. Mir wurde klar, dass ich so gut wie gar nichts über ihn wusste. Okay, er hieß Yale und war ein talentierter Kämpfer, einer von Lucas' Freunden (wobei ich mir da nicht ganz so sicher war, aber man sollte ja nie etwas ausschließen) und er war ungefähr in meinem Alter.
Ich wollte gerade zu einer Frage ansetzen, als mich plötzlich etwas hartes am Hinterkopf traf. Wie versteinert blieb ich stehen, nicht in der Fassung, etwas zu sagen, oder mich umzudrehen.
Yale schaute sich verwundert um, als ich nicht mehr neben ihm herlief und kam dann schließlich seufzend auf mich zu.
"Shan, du weißt, wir müssen-"
Er hielt inne, als ein unterdrücktes Lachen hinter einem der Bäume hervor drang. Gleichzeitig schossen wir herum und gaben uns mit Blicken zu verstehen, dass einer von rechts und einer von links den Baum umzingeln sollte. Wir waren zu zweit, und wie es aussah, der oder diejenige nur alleine.
Mit festen Schritten bahnte ich mir meinen Weg über die umgefallenen Bäume und Äste, die sich in meinen mit Dreck befleckten Jeans festkrallten.
Als wir am Baum ankamen und kurze Zeit später auf eine Reaktion warteten, drang wieder nur ein leises Kichern an unsere Ohren.
Yales Gesichtsausdruck erhellte sich schlagartig.
"Schrei?!", rief er und reckte seinen Kopf suchend in die Höhe.
Über uns raschelten Zweige und ich wurde wieder mit etwas beworfen. Ein Stein. Ich realisierte Yales belustigten Blick, der nun auf mir lag, dann breitete er seine Arme aus.
"Schrei! Komm runter, oder ich hol' dich!", meinte er drohend, doch in seinen Augen lag ein freudiges Glitzern.
Mit einem mal warf sich eine schwarze Gestalt von dem Baum und landete direkt in seinen Armen. Schrei war zierlich gebaut, sie trug eine zerrissene schwarze Hose und einen dunklen Pullover, unter dessen Kapuze einige schwarze Haarstränen hervor lugten.
Sie schlang ihre dünnen Arme um Yales Oberkörper und legte ihr Kinn auf seine Schulter, als er die Umarmung überrascht erwiederte. Er lachte. Und ich fühlte mich mit einem Mal völlig fehl am Platz. Wie das fünfte Rad am Wagen.
Ich beschloss einfach alleine weiter zu gehen, was aber nicht lange unbemerkt blieb, denn kurze Zeit später spürte ich wieder etwas hartes an meinem Kopf, das garantiert weitere Gehirnzellen abgetötet hatte. Verwirrt drehte ich mich um, um gleich darauf in schwarze Augen zu sehen.
"Halt dich von Yale fern. Er gehört mir.", zischte sie mich mit einem Ich-bin-hier-die-Größte-und-dich-stelle-ich-locker-in-den-Schatten Blick an und ich wollte gerade etwas patziges erwiedern, als sie mich übertrieben fröhlich angrinste und mich dann auch in eine Umarmung zog. Ihre Fingernägel bohrten sich in meine Schulterblätter. "Denk dran.", wisperte Schrei mir ins Ohr, ehe sie sich von mir löste und zu Yale zurück stolzierte.
Ach was. Da denkt wohl jemand, ihm gehöre die Welt. Und alle Jungs noch dazu.
Ich beschloss, ihre Drohung einfach zu ignorieren, denn ich wollte ja sowieso nichts von Yale... oder?
Zwiegespalten biss ich mir unsicher auf die Unterlippe, drehte mich dann erneut einfach um und lief weiter durch die Bäume, in die Richtung, in der ich die Menschheit vermutete und mich nicht vor übernatürlichen Wesen fürchten musste. Immerhin hatte ich das dumme Gefühl, dass die beiden Gestaltwandler, Kian und Shaw, nur der Anfang meiner Probleme waren.
Ich verbannte meine Enttäuschung, als niemand versuchte, mich aufzuhalten und hielt mir ein paar Äste bei Seite, die nach hinten klatschten, als ich sie losließ.
"Au, verdammt, Shan!", fluchte jemand, der sich unmittelbar hinter mir befand, aber ich drehte mich nicht um. Natürlich war mir klar, dass Schrei mich wohl kaum Shan nennen würde.
Yale beschleunigte sein Tempo, blieb vor mir stehen und rieb sich mit einer unschuldigen Handbewegung die Wange, auf der ich rote Linien erkennen konnte.
"Was soll das?", fragte er genervt und bedachte mich mit einem verständnislosen Blick.
"Was soll was?"
"Na... du läufst einfach weg!"
"Und? Was willst du dagegen tun?"
"Ich dachte..." Yale kratzte sich flüchtig am Kopf, "Dass wir das zusammen machen?"
Ich beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Schrei sich zu uns gesellte, wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob das ihr richtiger Name war. Sie beugte sich zu Yale und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr und drehte sich dann um, nachdem sie ihm einen Kuss auf die Wange gehaucht hatte und mir einen bedeutungsvollen Blick zu warf. Sie meinte es ernst. Würde ich irgendie irgendwo Yale zu nahe kommen, würde sie es wissen.. und ich, naja.. ich denke, ihr fiel es nicht sonderlich schwer, Leute umzubringen und es wie einen Unfall aussehen zu lassen.
Und ihr Opfer würde ich ganz sicher nicht spielen wollen.
Schrei verschwand Sekunden später im Unterholz und ließ uns alleine. Doch ich spürte ihren einschüchternden Blick auf mir.
"Sie hat gesagt, dass sie dir Glück wünscht.", flüsterte Yale und jetzt konnte ich mit Sicherheit sagen, dass er sie für einen Engel hielt.
Ja. Teufelsengel. Oder doch lieber nur eifersüchtige Allerheilige?! Mit dem Segen vom Schöpfer der Erde.. ähem.. und der Macht des ganzen Universums? So führte sie sich jedenfalls auf.
"Komm, lass uns weitergehen.", meinte Yale und wir stapften gemeinsam durch das dichte Unterholz, das noch weniger Licht hindurch ließ. Nach wenigen Minuten stolperten wir durch vollkommende Dunkelheit und ich hörte Yale erschöpft seufzen.
"Wir können sowieso nicht weiter, also, lass uns einfach hier übernachten.", schlug ich vor und hörte, wie Yale sich erleichtert an einem Baum herunter sinken ließ. Er zog mich mit auf den Boden, legte einen Arm um mich, als ich mich an seine Schulter lehnte und schlief schließlich ein, nachdem ich wahrscheinlich noch Stunden den beunruhigenden Geräuschen der Nacht gelauscht hatte. Hier und da ein Knacken hatten mich völlig kirre gemacht. Hilfe, Shannon, deine Paranoia kannst du dir sparen.
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Heey :D
Tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet.. Ich glaube, jetzt werde ich wieder öfter updaten.
Wie findet ihr Schrei? Soll sie weiterhin eine Rolle spielen, oder lieber nicht?
Verbesserungsvorschläge?
xx
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Fatality
FantasySie zeigt sich, wenn du sie brauchst. Wenn deine Gefühle sich überschlagen und du die Kontrolle über deine Instinkte verlierst. Eigentlich will sie nur helfen, doch sie macht dir, verdammt nochmal, manchmal das Leben zur Hölle. Denn durch sie werden...