Kapitel 14

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Kapitel 14

„Mr. Lowe, auf ein Wort!" Smiths Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes erwarten.

Harold folgte dem Kapitän auf den Flur vor dessen Kabine.

Fieberhaft überlegte er, ob ihm vielleicht während seines Dienstes ein Fehler unterlaufen war oder ob sich Lady Charfields Vater nun doch über ihn beschwert hatte.

Bei diesem Gedanken wurde ihm das Herz schwer.

Er wollte die junge Lady nicht in Schwierigkeiten bringen.

Wobei ihm in den Sinn kam, dass sie das auch ganz gut ohne seine Hilfe schaffte.

Lady Charfield schien einen Dickkopf zu haben.

Eine weitere Eigenschaft an ihr, die er sehr schätzte.

„Eigentlich sollte mich Mr. Wilde heute auf das Dinner in der ersten Klasse begleiten. Doch leider scheint er sich an einer schlechten Auster den Magen verdorben zu haben." Bedauernd blickte der Kapitän zurück zur Tür, durch die sie eben gegangen waren.

Seine Augen wandten sich schließlich wieder Harold zu.

„Sie machen sich sehr gut, Mr. Lowe!"

Harold fühlte Unbehagen in sich aufsteigen. Er ahnte, mit welcher Bitte der erste Mann an Bord der Titanic auf ihn zukommen würde.

Und tatsächlich hörte er kurz darauf jene Worte.

„Ich finde für Ihre guten Leistungen hier an Bord sollten Sie belohnt werden! Würden Sie mich heute Abend zum Dinner begleiten?"

Sein Herz schlug einen schnelleren Takt an.

„Vielen Dank, Sir, dass sie dabei an mich gedacht haben. Doch habe ich heute Abend Dienst."

Der Kapitän machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Den kann Mr. Moody übernehmen. Der Bursche kam heute Mittag zu spät auf die Brücke. Der Junge hat noch viel zu lernen. Da kann ein zusätzlicher Wachdienst nicht schaden."

Harold wusste, dass er keine Wiederworte mehr geben konnte. Also ergab er sich in sein Schicksal.

Was blieb ihm auch anderes übrig.

„Wenn Sie natürlich ausdrücklich wünschen, dass ich Sie begleite, Sir. Dann werde ich es tun!"

Hier lachte Smith laut auf und schlug dem jungen Offizier unerwartet auf die Schulter.

„Himmel, Junge. Sie benehmen sich, als würde ich Sie den Löwen zum fraß vorwerfen."

Harold räusperte sich nur.

„Ich bewege mich nicht oft in diesen Kreisen, Sir."

Und wieder spürte der junge Mann die Hand des älteren auf seiner Schulter liegen.

Fast väterlich blickte Smith ihn nun an.

„Dann wird es Zeit, dass Sie es öfter tun. Als Kapitän gehört es zu den repräsentativen Aufgaben, an solchen Abendessen teilzunehmen. Es bringt die vornehmen Passagiere auch das nächste Mal dazu, die Überfahrt auf einem Schiff der White Star Line zu buchen."

Der weißbärtige wollte sich schon umwenden, als Harold ihn noch zurück hielt.

„Sir, welche Kleidung ist vorgeschrieben?"

Kurz musterte der alte Mann ihn von oben bis unten.

„Uniform natürlich. Doch es reicht, wenn sie die alltägliche nehmen. Die Weiße ist für das einlaufen in New York vorgesehen. Ich sehe Sie dann also heute Abend."

Stilles Herz- Dem Schicksal entgegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt