Kapitel 3 - Ungeahnte Kräfte

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Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns vor Mikes Konsole und zockten bis spät in die Nacht. Ich vergaß dabei vollkommen, dass etwas mit mir ganz und garnicht stimmte und es war mir in dem Moment auch herzlich egal. Es fing sogar an Spaß zu machen, denn meine Reflexe schienen immer besser geworden zu sein und ich zog ihn richtig ab als wir gegeneinander spielten. Das bereitete mir umso größere Freude, denn eigentlich gewann er immer gegen mich und nun hatte ich endlich eine Chance. Klar, es war nur ein Spiel gegen meinen besten Freund, doch vielleicht war ich nun auch in allem anderen besser und konnte endlich im Tennis gewinnen.

'Ich bin müde.' Sagte Mike und guckte auf die Uhr bevor er sich die Augen rieb. 'Es ist ja auch schon fünf Uhr morgens.'

'Echt?' Fragte ich und schaute auf mein Handy. Krass, wir hatten die ganze Nacht durchgehend gezockt. Ich war aber noch lange nicht müde. 'Ich bin irgendwie nicht müde.'

'Kann nicht sein.' Murmelte er und schaute kurz vom Fernseher weg und mich an. Das kurze gucken wurde zum starren.

'Was?' Fragte ich ihn. 'Hab ich was im Gesicht?'

'Du hast echt nicht gelogen als du das mit den Augen gesagt hast.' Stammelte er. 'Die glühen wirklich.'

'Ist mir nicht aufgefallen.' Sagte ich und merkte es jetzt. Meine Sicht war schärfer als sonst und ich konnte fühlen, dass sie sich anders anfühlten.

'Wollen wir Leute erschrecken?' Fragte er plötzlich und grinste.

'Gute Idee.' Lachte ich. Klar, wir waren schon erwachsen, aber Leute zu erschrecken klang nach einem wirklich spaßigen Plan.

Wir verließen das Haus und traten in die Dunkelheit. Es war zwar schon am Morgen, aber die Sonne würde erst in einer guten Stunde aufgehen. Als ich in die Dunkelheit trat überkam mich ein wohliges Gefühl und ich spürte wie alle meine Sinne sich schärften. Meine Augen begannen zu glühen, klauen und Reißzähne traten hervor.

'Das wird ein Spaß.' Sagte ich und meine Stimme hatte sich erneut verändert. Dieses tiefe, animalische gefiel mir sehr. Was mir jedoch an ihr noch mehr gefiel war das leichte Knurren was bei jedem Wort deutlich zu hören war.

'Du bist gruselig.' Sagte Mike und grinste dabei. 'Halloween wird dieses Jahr ein Spaß.'

'Darauf kannst du dich verlassen.' Sagte ich und wir gingen los.

Zuvor hatte ich mir nie getraut nachts oder auch am frühen Morgen über einsame Spielplätze zu gehen weil da immer die bösen Typen rumsaßen die alles und jeden angriffen, doch heute wollte ich dort unbedingt hingehen. Nicht nur weil ich Drogen hasste, sondern weil sie es verdient hatten die Angst zu spüren die sie sonst jedem anderen spüren ließen. Ich wurde wütender mit jedem Schritt den wir in Richtung des bekanntesten Spielplatzes machten. Doch es war nicht nur Wut; es war auch Vorfreude und der Nervenkitzel. Wie schwer würde es werden? Wie stark war ich wirklich? Was würden sie tun? Und wie weit würde ich gehen? Ich war mir wirklich nicht sicher wie weit ich gehen würde, doch sobald ich sie roch - was lange vor dem Spielplatz war - wusste ich, dass ich sehr wahrscheinlich die Beherrschung verlieren würde. Würde ich jemanden töten? Definitiv möglich. Ich erschrak vor der Richtung meiner Gedanken und Vorfällen davor, dass ich wahrscheinlich nicht zögern würde jemanden zu töten. Im Gegenteil, ich würde es sogar genießen. Ich leckte meine Zähne.

'Was ist los?' Fragte Mike als er bemerkte wie mir zumute war.

'Nur die Vorfreude.' Sagte ich. Es wurde immer schwerer nicht sofort los zu rennen. Ich versuchte mich zu beherrschen und atmete tief ein und aus. Ich versuchte an schöne Dinge zu denken um mich zu beruhigen, doch es klappte nicht. Zumindest solange nicht bis ich daran dachte wie viel mehr Spaß es doch machen würde wenn ich als Mensch vor ihnen auftauchen würde und mich erst dann verwandelte. Es würde ihnen sowieso keiner glauben; sie waren Junkies und man würde es darauf schieben, dass sie high waren.

Nur noch wenige Meter trennten uns von dem Spielplatz. Ich war wieder genauso wie immer, doch in mir drin versuchte etwas auszubrechen. Ich konnte förmlich spüren, dass es an meinem inneren kratzte um endlich rauszukommen. Es knurrte in meinem Kopf und ich musste das echte Knurren unterdrücken. Ich merkte wie Mike immer unruhiger wurde.

'Mach dir keine Sorgen, wir sind nur hier um zu spielen.' Sagte ich und lachte halb, doch es war nicht das freundliche lachen, dass ich von mir kannte und liebte. Nein, es war ein absolut böses lachen und es gefiel mir. Diese böse Seite kannte ich bis jetzt nicht wirklich von mir, doch ich wusste, dass sie schon immer da gewesen war.

Wir gingen um eine Kurve und erreichte den Spielplatz. Da saßen sie schon. Vier Jungs, nicht viel älter als wir. Der eine rauchte einen Joint, die anderen tranken und der nächste lag schon völlig fertig neben der Bank. Ich kannte sie, ich war vor ein paar Jahren mal vor ihnen weggerannt als ich den Fehler beging nachts von meiner damaligen Freundin durch eine dunkle Gasse nach Hause zu laufen. Die Rache war mein. Rache? Früher hatte ich nie viel dafür übrig gehabt, jedoch wahrscheinlich nur weil ich nie stark genug dafür war. Ich wusste zwar jetzt auch noch nicht wie stark ich war, doch es war sicher ein Vielfaches von meiner früheren Kraft.

'Was wollt ihr hier?' Fragte einer von ihnen und stand auf. Er kam auf uns zu und wollte uns vermutlich einschüchtern, bei Mike schien es zu klappen.

'Dir von deiner bitch sagen, dass es vorbei ist.' Sagte ich ohne es zu wollen. 'Sie findet mich wohl besser als dich.'

'Du kleiner!' Brüllte der Typ und wollte mich schlagen. Ich fing seine Faust Zentimeter vor meinem Gesicht ab und verdrehte seinen Arm bis er vor Schmerzen schrie. Jetzt wurden auch die anderen auf uns aufmerksam.

'Ich kleiner was?' Fragte ich ihn als er vor mir auf die Knie sackte.

'Pisser!' Würgte er hervor und ich legte den Kopf schräg.

'Das mit deiner bitch war ein Spaß.' Sagte ich. 'Ich kenne dich nicht mal und weiß auch nicht ob du eine hast oder nicht.' Ich drehte seinem Arm weiter und er schrie noch mehr.

'Was willst du?' Wimmerte er und seine Stimme klang den Tränen nahe. Musik in meinen Ohren.

'Dass du fühlst wie viel Angst ich vor dir hatte.' Sagte ich und drückte noch fester zu. 'Ich dachte damals ihr wolltet mich töten oder ähnliches, jetzt ist es Zeit, dass du Angst hast.'

'Verpiss dich!' Schrie er und rammte mir ein Messer in die Seite.

'Liam!' Schrie Mike. Panik war in seiner Stimme zu hören. Ich sah von dem Typen Weg zu meiner Seite in der das Messer steckte. Erstaunlicher Weise spürte ich keinen Schmerz. Ich begann zu lachen. Der Typ hatte keine Ahnung wie sehr am Arsch er jetzt war. Ich griff an den Griff des Messers und zog es raus. Es gab ein schmatzendes Geräusch und dann ließ ich es zu Boden fallen. Die Wunde war bereits verheilt und ich musste lachen. Das gefiel mir irgendwie, denn normalerweise sollte ich jetzt eigentlich sterbend am Boden liegen, doch nichts der gleichen war der Fall.

'Macht dir das spaß?' Fragte ich ihn und sah ihm dabei direkt in seine vor Panik geweiteten Augen. Er brachte keinen Ton raus und die anderen beiden waren auch wie versteinert. 'Ab heute werdet ihr niemanden mehr Angst machen, sonst komme ich zurück.' Ich ließ seinen Arm los und drehte mich zu Mike um und grinste.

'Krass.' Sagte er.

'Du kleiner Bastard denkst du könntest uns Angst machen?' Fragte einer der anderen beiden und kam ein paar Schritte auf mich zu.

'Oh ja, das denke ich.' Sagte ich und sah ihm in die Augen. Er blieb stehen und starrte mich an. Ich konnte seine Verunsicherung spüren. Ich grinste und zeigte meine Zähne. Noch waren es nur meine menschlichen, doch ich fühlte schon wie sie größer wurden. Momente später waren meine Reißzähne zu sehen und ich knurrte. Diesen panikerfüllten Gesichtsausdruck würde ich in meinem Leben nie vergessen. Der Typ stolperte rückwärts. Ich lachte und wieder war dieses unterschwellige Knurren da. Meine Augen fingen an zu glühen.

'Scheiße was bist du?!' Schrie der Typ der noch vor mir kniete und ich guckte ihn an.

'Dein Albtraum.' Knurrte ich und verspürte das Verlangen zu töten.

'Liam komm.' Sagte Mike und brachte mich damit wieder zu mir selbst zurück. Eigentlich wollte ich niemanden töten, aber solange ich so war konnte ich dieses Verlangen nur schwer unterdrücken.

'Da habt ihr nochmal Glück gehabt.' Knurrte ich und ging mit Mike mit.

Wir liefen fast schweigend zu ihm nach Hause. Wir redeten nicht viel und ich verabschiedete ihn an seiner Haustür. Meine Augen und Zähne waren wieder normal.

That One Night in the ForestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt