Skye

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Oh, Skye. Manch einer würde behaupten, sie hatte es am leichtesten von all diesen Menschen. Ich denke, man kann ein Übel nicht mit dem anderen vergleichen.


Genau wie Amelia lernte ich auch sie über das Internet kennen. Am Anfang waren wir uns vielleicht ein wenig fremd, aber das änderte sich schnell. Die Monate, in denen wir chatteten, fühlten sich wie Jahre an. Sie war so sarkastisch wie ich, wir konnten uns wunderbar über die gesammelte Menschheit, die irgendwo im Internet rumschwebte, aufregen und es wurde nie langweilig. Und trotzdem konnte ich mit ihr über einfach alles reden.

Ja, Skye war toll.

Und gefangen. Sie als introvertiert zu bezeichnen, ginge zu weit. Das war sie nicht. Genauso wenig wie verklemmt, wie ihr so oft vorgehalten würde. Vernunft klingt auch unpassend, ebenso wie eigenwillig. Sie war einfach nicht kopflos.

Sie flüchtete sich lieber in Bücher als in fremde Häuser. Sie schrieb lieber über Gefühle statt sie auszusprechen. Niemand, den sie kannte, war so. Jeder einzelne von ihnen füllte sich lieber selbst auf Partys ohne Sinn und Verstand ab.

Skye sah ihnen zu. Sie sagte nichts, sie dachte nur. Dachte an den Morgen, an dem ihr Bruder ins Haus gestolpert kam, ein Auge zugeschwollen, Lippe und Augenbraue aufgeplatzt, ohne Erinnerungen. Sie hatte ihre Gründe, nicht auf Oberflächlichkeit und vermeintliche Betäubung einzugehen. Skye hatte ein Poetenherz und durch ihre Leidenschaft Menschen, die sie verstanden. Sie blieb ruhig, war freundlich, hielt sich einigermaßen im Hintergrund und wurde als das langweilige, verklemmte Mädchen wahrgenommen.

Bis zu jenem Tag, als überall Poesiebruchstücke auftauchten, und sich jeder fragte 'Wieso?'.


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