Kapitel 8 - Die Rückkehr der Tychaner

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Alles andere als ruhig liegt das kleine Boot inmitten des riesigen Stroms und wird durch die reißenden Fluten rasant flussabwärts getrieben. James hat in seinen beiden Armen jeweils ein Paddel, dass er allerdings weniger zum Rudern heranzieht, sondern vielmehr, um damit das Boot auf einem halbwegs geraden Kurs im Zentrum des Flusses halten zu können. Noch immer regnet es, als ob es kein Morgen geben würde und aus dem einst beschaulichen Fluss ist in der Zwischenzeit ein breiter Strom geworden, dessen Horizont am Ufer längst zwischen den zahlreichen, üppig bewachsenen Wäldern verschwunden ist. James legt schnaufend die Paddel für einen kurzen Moment zur Seite und blickt Nigel, der ihm gegenüber sitzt, ungeduldig und entschlossen an.

„Kannst du dich endlich erinnern, wie weit es noch bis zu eurer Position ist?" fragt er Nigel, der sich sichtlich unbehaglich fühlt. Nicht nur, dass ihm James die Schuld dafür gibt, was mit Julia passiert ist, sondern auch, weil er wirklich keine Ahnung hat, wo sie sich im Augenblick befinden.

„Ich weiß es nicht genau" entgegnet er stockend und sucht mit seinem Blick den Horizont nach ihm bekannten Punkten ab. Doch der Pegel des Flusses ist seitdem deutlich gestiegen und hat die Landschaft rund herum total verändert. Einzig die Bäume, die gleichförmig am fernen Ufer aus dem Wasser reichen, weisen darauf hin, dass sie definitiv noch nicht im Meer angelangt sind.

Nach seiner Rückkehr mit Peter und Jury aus dem Wald musste James leider erfahren, was mit Julia passiert ist. Er hatte einen Sündenbock in der Person von Nigel schnell gefunden und es war für ihn keine Frage, seine Verlobte sofort mit dem Raumgleiter zu suchen. Doch als er vom Unfall der Rimor und dessen umfangreichen Beschädigungen Kenntnis erlangte, verfinsterte sich seine Laune noch mehr. James Brunelli war immer ein heißblütiger Italiener, der für sein Temperament und seine Leidenschaft bekannt war, aber seine anschließende Reaktion war für die Anderen - wenngleich zum Teil durchaus nachvollziehbar - kaum zu ertragen. Mit lautem Fluchen und zahlreichen unflätigen Aussprüchen stürzte er die Tür hinaus und kam nach gut 15 Minuten voller Tatendrang wieder zurück.

„Das Boot ist startbereit" hatte er gerufen und Nigel direkt - fast böse - in die Augen geblickt. „Und du kommst gefälligst mit, schließlich hast du Julia dort draußen in der Wildnis allein zurückgelassen und bist folglich der Einzige, der sie finden kann."

Nigel schluckte schuldbewusst und nickte wortlos.

„Und ihr" den Blick nun zu Peter, Harry und Jury gewandt „bewegt endlich eure Ärsche und schaut, dass ihr die Rimor wieder repariert. Und zwar schleunigst, schließlich werden wir kaum mit dem Boot den scheiß Fluss wieder rauf fahren können."

Kein Mucksen, keine Kommentare. Die Worte waren nur zu klar und deutlich und die Art und Weise ließen nicht den winzigen Hauch eines Widerspruches zu. So tat jeder das, was ihm aufgetragen wurde, während der strömende Regen unbeirrt die Landschaft allmählich mehr und mehr in einen modrigen Sumpf verwandelte. Peter, Harry und Jury begaben sich umgehend nach Draußen, um sich mal einen ersten Überblick über die notwendigen Reparaturen am Raumgleiter zu machen. Nigel folgte indessen James den Hügel runter zum Ufer des Flusses, wo das mit Proviant und Waffen beladene Boot zum Auslaufen bereit auf sie wartete.

Inzwischen sind Nigel und James schon mehr als fünf Stunden auf dem mäanderartigen Flussverlauf abwärts getrieben und haben dank dessen starker Strömung schon eine beträchtliche Strecke hinter sich gebracht. Nigel ist es durchaus recht, dass sie genügend damit beschäftigt sind, ihren Kurs zu halten und nicht zu kentern, da er nicht weiß, was er mit James reden soll. Er fühlt sich schuldig, obwohl er absolut nicht anders handeln hätte können und vermeidet daher – sofern es irgendwie möglich ist - jeden Blickkontakt. Stattdessen beobachtet er lieber die Ufer auf beiden Seiten in der Hoffnung, endlich etwas Bekanntes zu entdecken.

Der Kampf der letzten MenschenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt