Ich stürmte zurück in mein Zimmer und traf dort auf einen komplett zerstörten Alexander. Er sah aus wie eine Statue, rührte sich nicht und sagte auch nichts. „Lust auf einen Ausflug?" fragte ich wie am Abend zuvor. „Wenn es euer Wunsch ist." entgegnete er. Es war schlimmer als gedacht. Gestern war er wenigstens noch etwas freundlicher gewesen, diesmal war er allerdings bereit, alles zu tun, was ich verlangte und fühlte dem Anschein nach rein gar nichts. Ich nahm seine Antwort hin und lief von ihm gefolgt nach unten. Im Wohnzimmer traf ich auf Mia, allein. „Mia, wo ist Papa?" fragte ich sie. Mia war so vertieft in den Kinderfilm der gerade im Fernsehen lief, dass sie einige Zeit brauchte um zu antworten. „Ich glaube der ist noch draußen." sagte sie dann, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. Also lief ich nach draußen und siehe da, kommt mein Vater auch schon um die Ecke. „Papa, ich werde wieder etwas Spazieren gehen. Weiß nicht, wie lange wir weg sein werden." erklärte ich ihm und er warf mir nur einen fragenden Blick zu. „Was, jetzt? Aber es fängt bestimmt gleich an zu regnen!" warf er ein. Ich schaute kurz nach oben auf die immer dunkler werdenden Wolken und lächelte dann. „Ich weiß. Keine Sorge, ich werde einen Schirm mitnehmen." meinte ich, ging kurz nach drinnen, schnappte mir einen der vielen Schirme die an der Wand lehnten und ging dann wieder raus. Mein Vater nahm das mit einem Schulterzucken hin und so ging ich mit Alexander wieder in Richtung des Hügels, auf dem wir gestern waren. Auf halbem Wege begann es bereits leicht zu nieseln, ich hielt den Schirm aber geschlossen. Alexander lief schweigend neben mir her, diesmal schaute ich ihm nicht ins Gesicht. Ich konnte seinen leeren Blick im Moment einfach nicht ertragen. Nach ein paar Minuten fing es dann richtig an zu regnen, aber ich wollte den Schirm nicht aufspannen. Der Regen fühlte sich gut an, als würde er all den Stress der letzten drei Tage von mir abwaschen. Wir erreichten den Gipfel des Hügels und ich stellte mich an dieselbe Stelle, an der ich gestern erst saß. Diesmal war der Ausblick nicht so schön aber ich hatte trotzdem ein angenehmes Gefühl. Nun war ich endlich bereit, zu Alexander zu sehen, der klitschnass neben mir stand und mich betrachtete. Sein weißes Hemd klebte an seinem Körper, aber das schien ihn nicht im Geringsten zu stören. „Soll ich den Schirm für Sie halten?" fragte er und streckte seine Hand aus. AHA! Er fing schon an, von selbst zu fragen. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Das brachte mich zum Lächeln und ich schmiss den Schirm neben mich auf die nasse Wiese. „Nö. Ich denke nicht, das ich das will." antwortete ich mit einem frechen Grinsen. Alexanders Blick wanderte von mir zum Schirm und wieder zurück. „Aber Sie werden sich erkälten!" entgegnete er, nun schon etwas besorgt. Es funktionierte tatsächlich, wenn ich mich und meine Gesundheit in Gefahr brachte, machte er sich sorgen. Tief drin war er also doch ein Mensch, und den konnte man so hervorrufen. „Ach was! Es ist doch nicht kalt. Das hier ist ein Sommerschauer, da erkältet man sich nicht." sagte ich schlicht und warf meinen Kopf nach hinten, sodass mir die Regentropfen direkt aufs Gesicht fielen. Es war ein unglaublich gutes Gefühl. Meine Antwort lies Alexander wieder für eine Weile verstummen und ich dachte schon, ich hätte es wieder schlimmer gemacht aber dann sah ich zu ihm. In seinen Augen sah man die Emotionen langsam wiederkommen. Er schien den Regen nun auch zu genießen. „Kannst du tanzen?" fragte ich und machte einen Schritt auf ihn zu. „Tanzen?" ich nickte nur und grinste zu ihm auf. Wir standen nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt und der Größenunterschied zwischen uns machte es mir schwer, ihm in die Augen zu sehen. „Ich weiß nicht. Bisher hab ich noch keine Erfahrungen beim Tanzen." erzählte er mir und schaute zu mir herunter. Bevor er irgendwie wiedersprechen konnte schnappte ich seine Hände und legte sie dorthin, wo sie bei einem normalen Partnertanz sein sollten. Sein Griff wurde wie automatsch fest und ich hätte schwören können dass er kurz den Atem anhielt. „Gut, dann wird das hier jetzt dein erstes Mal." sagte ich grinsend und machte den ersten Schritt. Er wirkte etwas unsicher, deswegen sprach ich ihm Mut zu. „Vertrau mir einfach. Wenn du mich führen lässt, bringe ich dir die Schritte bei und dann darfst du führen. Ich bin mir sicher, dass du das kannst." Alexander nickte als Antwort und lies mich als erstes Führen, bis er den Rhythmus gefunden hatte und sicherer wurde. Nach einer Weile musste ich mich nur noch mit ihm mitbewegen und es fühlte sich an, als würde ich fliegen. Es stellte sich heraus dass er, wie in so vielen Dingen, auch im Tanzen ein Naturtalent war. Die ganze Zeit über spielte ein Lied in meinem Kopf, eines meiner Lieblingslieder, und es war als würde es tatsächlich neben uns spielen. Der Regen störte mich kein bisschen, im Gegenteil, er war sogar richtig schön. Meine Füße begannen zu schmerzen aber das kümmerte mich in dem Moment auch nicht. Das einzige was jetzt zählte war dieser Tanz und die Gewissheit, dass ich Alexanders Gefühle wiederbrachte. Ich konnte es deutlich in seinen Augen sehen, auch wenn mir die Regentropfen durch die Sicht fielen. Plötzlich, mitten im Tanz, lies er mich drehen, obwohl ich ihm das gar nicht gezeigt hatte. Es war trotzdem toll und ich lachte unvermittelt los, als er mich zurück in seine Arme holte. Mein Lachen hörte sich an wie das eines verliebten Teenagers aus den alten Filmen und ich erschrak beinahe selbst vor dieser ungewohnten Reaktion. Lächelnd sah ich nach oben, in das Gesicht meines Dieners und bemerkte, dass er tatsächlich ebenfalls lächelte. Ich hatte es geschafft, sein wunderschönes Lächeln wiederzubekommen. „Wie fühlst du dich?" fragte ich, immer noch mit ihm mit schwingend. „Wie ich mich fühle?" fragte er zurück, etwas verwirrt. Ich nickte und lächelte ihn weiterhin an, sodass sein Lächeln auch blieb. Er zuckte die Achseln, eine ungewöhnliche Geste für einen Diener, dafür aber eine umso menschlichere. „Ich bin mir nicht sicher, aber... gut, denke ich.", sagte er dann. Ich kicherte leise vor mich hin. „Kann es sein, das du glücklich bist und gerade Spaß hast?" fragte ich dann. Ich wollte es nun unbedingt wissen. Alexander zuckte abermals mit den Schultern. „Wie fühlt man sich denn wenn man Spaß hat und glücklich ist?"
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Metal Heart
Teen FictionStell dir eine Welt vor, in der die Armen von den Reichen unterdrückt werden. Ihre Körper sind wertlos und da sie sich wehren freiwillig für die reichen Menschen zu arbeiten, werden sie dazu gezwungen. In einer Welt voller Technik und Elektronik is...