Nachdem mein Körper wieder komplett von Schmutz gereinigt und meine Haare entfilzt waren, schlüpfte ich in ein graues Untergewand. Warm und weich schmiegte sich der Stoff an meine Haut. Anschließend half mir Lydia in ein schlichtes grünes Kleid mit schwarzer, das um die Taille etwas enger gebunden war und sonst glatt nach unten fiel. An der Hüfte verlief ein schwarzes Band das nach vorne hin nach unten lief und in einer Spitze endete.
Nachdem meine Locken zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur gebunden waren und die letzten widerspenstigen Haare mit Klemmen befestigt waren, warf ich noch einen letzten überprüfenden Blick in den Spiegel. Das Kleid passte sich perfekt meiner Figur an. Ich war normal gebaut. Nicht zu dünn, aber auch nicht zu dick.
Nur meine Beine waren etwas kräftig gebaut, da ich als Kind viel mit den Pferden meines Großvaters zu tun hatte. Untypischerweise für Damen meines Alters war ich deshalb auch eine ganz passable Reiterin. Im Gegensatz zu meiner Hüfte war mein Gesicht eher schmal und kantig. Ich hatte stark herausstechende Wangenknochen und eine hohe Stirn. Diese wurde zu Glück meistens von meinen Locken verdeckt. Auch jetzt fielen locker um mein Gesicht und verliehen der strengen Frisur ein leicht spielerischen Touch.
Zufrieden mit meinem Aussehen wandte ich mich Lydia zu und meinte: „Vielen Dank. Es sieht wie immer wunderschön aus!“ Doch sie lächelte nur und tätschelte mich an die Wange: „Ach mein Kindchen. Was nützt eine hübsche Frisur und ein bezauberndes Kleid, wenn die Dame die es trägt nicht von alleine so schön wie die Sonne strahlt.“ Ein kleines Lächeln stahl sich nun auch auf mein Gesicht. Ich wurde leicht rot und murmelte: „Danke.“ „Nicht so bescheiden mein Täubchen, eine Frau sollte stolz auf das sein, was sie vom Herrn bekommen hat.“
Ich nickte gehorsam und antwortete: „Natürlich Lydia. Trotzdem danke. Aber du weißt, ich ...“
Mit in meiner Erklärung wurde ich durch die Stimme meiner Mutter unterbrochen, welche soeben das Zimmer betreten hatte: „Bist du endlich fertig Estelle? Du weißt, dein Vater wartet nicht gern.“ Sie wedelte in Richtung Lydia und sagte schroff: „Danke für ihre Arbeit Lydia. Sie können jetzt gehen!“ Lydia knickste gehorsam und warf mit noch ein warmes Lächeln zu ehe sie das Zimmer verließ. Überrascht über das Erscheinen meiner Mutter warf ich einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne hatte schon fast ihren Höchststand erreicht. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass das Baden und die Ankleidung soviel Zeit in Anspruch genommen hatten. Ich musste mich mal wieder in meinen Gedanken verloren haben.
Erst jetzt schien meine Mutter mich richtig anzusehen. Sie hob kurz eine Augenbraue, dann wandte sie sich abrupt ab und sagte harsch: „Komm wir müssen los. Die genauen Umstände für diese frühe Stunde werde ich dir auf den Weg zum Speisesaal erklären.“
Schnellen Schrittes folgte ich meiner Mutter durch die nun mehr hell erleuchteten Korridore Richtung Audienzsaal. Zum ersten Mal seit wir meinen Raum verlassen hatte erhob Mutter wieder die Stimme: „Dein Vater wird außer sich sein. Wir haben den Botschafter viel zu lang warten lassen.“ Sie seufzte leise.
Ich jedoch horchte auf und fragte überrascht: „Botschafter? Sag Mutter, welcher Botschafter ist zu dieser frühen Stunde schon eingetroffen? Was ist geschehen. Gibt es Nachricht aus dem Norden?“
Sie musste die Hoffnung in meiner Stimme gehört haben, denn sie versteifte sich und herrschte mich an: „Nein, du dummes Kind. Natürlich nicht! Etwas viel Bedeutsameres ist geschehen. Es gibt Nachricht vom Königshof. Der Prinz ist auf dem Weg nach London und wird heute Abend hier einen Zwischenstopp einlegen. Er ist in Begleitung der gesamten ersten Abteilung.“
Mein Herz tat einen Satz. Der Prinz? Könnte sie tatsächlich Kronprinz Jewaad meinen? Ich hatte ihn noch nie persönlich getroffen, doch überall wurde er jetzt schon als der beste König den England je haben würde gerühmt. Dabei sah es noch lange nicht nach einem Ableben des jetzigen Königs, Georg dem II. aus. Doch das scherte niemanden. Jewaad war allseits beliebt und man hörte nur gutes über ihn. Jegliche Streitereien die es am Königshof gab, wurden eingestellt solange er da war. Die ärgsten Feinde versöhnten sich, wenn er sie darum bat. Man sagte ihm das größte Mitgefühl, aber auf eine harte Hand und strenge Gerechtigkeit nach. Dabei war er gerade einmal 21 Winter alt. Und doch hatte er es weit gebracht. Um die allgemeine Euphorie über die baldige Herrschaft seines Sohnes etwas abzuschwächen schickte König Georg ihn so viel herum, wie nur möglich. Im Moment war er der oberste Befehlshaber der Truppen im Norden. Und auch in dieser Aufgabe hatte er sich bis jetzt glänzend bewährt. Es musste wohl nichts geben was der Prinz nicht konnte. Er war für uns einfach Adlige vom Land immer die kleine Hoffnung gewesen. Er hatte sich stets für unsere Rechte eingesetzt und war für Milde gegenüber dem einfachen Volk bekannt und geliebt.
Entsprechend hoch war nun auch meine Euphorie als ich von dem baldigen Treffen mit ihm erfuhr. Es war nicht unüblich das der Prinz bei einem seiner vielen Streifzüge die eine oder andere Grafschaft besuchte, nach dem Rechten sah und nach etwaigen Problemen und Sorgen fragte. Etwas überraschend war jedoch, dass er ausgerechnet zu uns kommen würde. Wir lagen nicht auf dem direkten Weg von den Highlands nach Süden und er hätte einen großen Umweg auf sich nehmen müssen um zu unserem Land zu gelangen. Das er in Begleitung der gesamten ersten Abteilung war erschwerte die Angelegenheit zusätzlich. Es musste also noch einen anderen Grund für sein baldiges Erscheine geben. Und ich wusste nicht ob ich ihn wisse wollte. Inzwischen standen wir vor der großen Tür zum Audienzsaal, der vorübergehend zum Speiseraum umfunktioniert war. Ich wollte schon den Arm ausstrecken um die Klinke hinab zu drücken, doch meine Mutter hielt mich zurück.
Sie schien mein langes Schweigen falsch gedeutet zu haben: „Was ist mein Kind? Freust du dich nicht den Kronprinz endlich kennen zu lernen? Er soll ja ganz beliebt sein, also mach dir nicht allzu große Sorgen.“
Überrascht schüttelte ich den Kopf und sagte: „Nein Mutter, so ist es nicht. Ich habe mich nur gewundert …“
Doch sie unterbrach mich erneut: „Dann ist ja gut. Ich möchte dir auch eine gewisse Freude anraten, denn du wirst ja schließlich die nächsten Wochen mit hm verbringen.“
„Was?“ Meine Gesichtszüge entgleisten mir als ich versuchte, das eben gehörte zu verarbeiten.
Meine Mutter schüttelte missbilligend ihren Kopf und rügte mich: „Mund zu Kind, das sieht albern aus. Und jetzt mach nicht so ein erstauntes Gesicht. Du hast mich schon ganz richtig verstanden. Wir haben eben von dem Botschafter die Bestätigung erhalten. Der König hat eingewilligt dich an seinem Hof aufzunehmen. Die Königin persönlich wird sich deiner annehmen. Was für eine Chance! Du kannst sehr zufrieden sein Engel. Diese Möglichkeit hätte ich nur zu gerne gehabt. Es werden sich gewiss einige reiche Adelssöhne blicken lassen. Du musst dir nur noch den richtigen angeln. Es wurde auch endlich Zeit. Als ich so alt war wie du war ich schon lange Mutter und du ..“
Doch diesmal war ich es die sie unterbrach: „Momentmal, was soll das heißen? Willst du mir sagen, dass ich loswerden wollt? Wie viel hab ihr ihm dafür gegeben?“
Überrascht und mit einem leichten Anflug von Schuld verteidigte sie sich: „Wie kannst du es wagen? Wir .. Wir haben nur das Beste für dich gewollt. Jedes andere Mädchen würde sich glücklich schätzen eine Möglichkeit wie du zu bekommen!“
Ich wandte mich ab und die Tränen in meinen Augen zu verbergen und schrie jetzt fast: „Ich bin aber nicht jede Andere. Ich habe auch ein eigenes Leben, okay? Und ich bin kein Objekt das ihr einfach so verkaufen könnt. Du kannst den Botschafter gleich wieder zurück schicken und ausrichten lassen, das das Angebot hinfällig ist!“
Ich wandte mich wieder um. Ich wollte das Gesicht der Frau sehen, die mich für eine Gegenleistung einfach so feilbot. Doch sie schien nicht im Geringsten betroffen oder gar schuldbewusst.
Sie hob nur eine Augenbraue und antwortete. „Du dummes undankbares Ding. So ein Angebot weist man nicht einfach ab. Und es ist mittlerweile sowieso zu spät. Was denkst warum der Prinz extra den Umweg auf sich nimmt? Er ist hier um dich abzuholen. Morgen früh brecht ihr nach Süden auf!“
Mit diesen Worten brach meine Welt zusammen.
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Eternity (ein Zayn Malik FF der etwas anderen Art)
FanfictionEigentlich sollte Estelle nur nach einem geeigneten Ehemann Ausschau halten. Doch was ist wenn sie sich in den einzigen verliebt, der für sie unerreichbar ist? Und was ist wenn er diese Liebe erwidern sollte?