Wenige Augenblicke später fand sich Amalia im kalten Schnee wieder. Alles drehte sich immer noch. Ihr wurde plötzlich übel, doch trotzdem sie blieb einfach regungslos liegen. Desorientiert versuchte sie sich ein Bild der Situation zu machen, doch alles wirkte wie ein graues Rauschen.
Erst nach und nach nahm sie ihre Umgebung wieder war und spürte die Arme des Unbekannten um sich. Spürte sein Atmen an ihrem Hals. Spürte die wohlige Wärme, die von ihm ausging. Spürte den kalten Schnee an ihren Händen und an ihrem Gesicht. Sie war hingefallen. Nur der Unbekannte trennte sie fast vollkommen vom eisigen Schnee.
Nach einer gefühlten Ewigkeit flüsterte der Fremde in ihr Ohr: „Alles in Ordnung?" Es ließ sie erschaudern. Der warme Atem, welcher sanft ihren Hals streichelte, löste eine Gänsehaut bei ihr aus. Langsam hielt die Welt an und hörte auf sich zu drehen. „Ja", flüsterte sie kaum hörbar zurück. „Danke, ähm..." Amalia traute sich kaum etwas zu sagen, denn schließlich war sie es selbst schuld gewesen, dass sie nun in dieser Situation war. „Nenn mich Jake."
Vorsichtig versuchte sie von ihm aufzustehen und sah sich um. Währenddessen stand auch Jake langsam auf. Der Fluss war bestimmt zwanzig Meter von ihnen entfernt. Wie ist das möglich? Ihre Tasche lag noch nahe dem Flussufer. „Was...?" Weiter kam sie nicht, denn sie schaffte es kaum stehen zu bleiben, ihre Beine waren wie Wackelpudding. Sie fiel auf die Knie. Es ist einfach nur ein Traum. Ein furchtbarer Traum! Es kann einfach nicht sein! Amalias Gedanken waren ein einziges Chaos. Jake kam zu ihr und hockte sich neben sie. „Doch, Amalia Zoé Johansson. Es ist möglich." Er sah sie ernst an. Sie erstarrte. Hatte sie laut gedacht? Amalia wusste nicht weiter. Sie versank gedanklich im Chaos.
„Amalia, jetzt hör mir bitte zu. Ich bin nicht hier um dir einen Streich zu spielen. Ich bin hier, weil ich vom Ministerium der Nachtwelt geschickt wurde, um dich nach Hause zu bringen. Du gehörst hier nicht hin. Du bist anders." Er legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie hielt ihren Kopf gesenkt. „Ich weiß einfach nicht, wieso du dich weder an mich noch an deine Fähigkeiten erinnern kannst. Wir haben die gesamte Kindheit miteinander verbracht. Du müsstest mich doch kennen." Jake hob sanft ihr Kinn und schaute ihr tief in die Augen. Für einen Moment glaubte sie, dass er sie etwas gekränkt ansah. Doch dieser Ausdruck wurde rasch durch seine Selbstsicherheit ersetzt. Seine braune Iris hatte immer noch den honiggelben leuchtenden Ring rund um die Pupille. Zumindest hatte sie sich das nicht eingebildet.
„Du...", plötzlich schien er etwas in ihren Augen gefunden zu haben. „Du hast gar keine Erinnerungen mehr an früher." Amalia sah ihn wortlos an und nickte vorsichtig. „Wirklich gar nichts?" „Als ich elf war wurde ich von einem Auto angefahren... Ich hatte wohl eine schwere Gehirnerschütterung, sowie einen komplizierten Bruch im Arm. Jedoch kann mich nicht daran erinnern." Sie schob den linken Ärmel ihres Mantels und Pullovers hoch. „Ich habe nur das hier, als... naja... ‚Beweis'." Zum Vorschein kamen mehrere Narben, die die Form eines ‚X' hatten. Jake musterte diese ungläubig. „Ich weiß selbst nicht, was passiert ist. Ich bin zu Hause in einem Krankenbett aufgewacht. Ich war wohl einen Monat nicht bei Bewusstsein. Als ich da lag und aufwachte wusste ich nichts mehr. Nur noch dunkel kleine Erinnerungen, an meine Eltern und so... Ich hatte zum Glück nichts verlernt. Kurz danach sind wir umgezogen, weil meine Mutter es nicht ertragen konnte, in der Straße, in der ich fast gestorben wäre, wohnen zu bleiben." Jake nickte verständnisvoll. „Klingt einleuchtend." Er stand auf. „Nun, das erklärt zumindest teilweise, wieso du dich nicht an deine Magie oder mich erinnerst. Und wieso du kein Licht mehr in dir trägst. Zumindest sieht es so aus." Verwirrt schaute sie ihn an. Sie kniete immer noch auf dem Boden. „Licht? Was für ein Licht?" Er sah mitleidig zu ihr herunter. Plötzlich zog er sie ruckartig hoch, lehnte sich nah zu ihrem Gesicht und sah sie durchdringend an. „Kurz gesagt: du hast keinen leuchtenden Ring in deinen Augen, so wie ich."
DU LIEST GERADE
Lost Magic - Sie wissen, dass du anders bist.
Fantasy»Nach langem Schweigen ergriff Derek schließlich das Wort. „Also, Amalia", begann er. Er betonte ihren Namen eigenartig. „Was ist an dir so besonders, dass sie dich ans Collêge holen?" Er spuckte die Worte förmlich aus. Genau, was war an ihr besond...