Der erste Tag

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„Was... ist hier los?", sagte Amalia mit zittriger Stimme. „Wo bin ich? Wie sind wir hier hingekommen? Warum werde ich erst jetzt so panisch? " Noch bevor André etwas sagen konnte fiel sie ihm in seine Arme. Tränen rannen plötzlich in Strömen über ihre Wangen. Was war gerade geschehen? Sie hatte sich wie betäubt gefühlt. Als würde sie ferngesteuert. „Schhh, Amalia, ganz ruhig. Alles wird gut." Beruhigend legte André seine Arme um sie und begann, ihren Kopf zu streicheln. „Beruhige dich erstmal und dann erkläre ich dir alles. In Ordnung?" Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Bruder einen weißen Sweater mit einem kleinen darauf gestickten schwarzen Wappen trug: es bestand aus einem winzigen spitzen Gebäude, darüber schwebten ein Mond und eine Sonne. Im Gebäude konnte man die Buchstaben „MdN" lesen. Ministerium der Nacht. Das wusste Amalia bereits von dem Brief, den sie von der Schule erhalten hatte.

Nach einer Weile hörte sie auf zu schluchzen. Ihr Bruder strahlte eine besondere Wärme aus, sodass sie sich langsam, aber sicher, wieder eingekriegte. „Tut mir Leid, ich bin einfach nur..." „Pst, du musst dich nicht entschuldigen. Komm, wir gehen dir erstmal was zu Essen holen und dann setzen wir uns in eine ruhige Ecke. Was hältst du davon?" Nickend stimmte sie zu.

Gemeinsam schritten sie durch die große Eingangshalle hinüber zum anderen Flur. Die Halle hatte einen dunklen Parkettboden und nackte Wände, die das wunderschöne Gemäuer präsentierten. In der Mitte stand auf einem runden dunkelroten Teppich ein Weihnachtsbaum mit silberner Dekoration, Kugeln und eine Lichterkette erstrahlte im goldenen Licht. Um die Geländer der beiden Treppen waren ebenfalls Lichterketten gewickelt, die zu dieser Tageszeit noch ausgeschaltet waren. Nur der Weihnachtsbaum glitzerte in all seiner Pracht. Nanu? Wieso hatte sie das alles vorhin noch nicht gesehen?

Doch lange beschäftigte sie sich nicht mehr damit, sondern versuchte mit ihrem Bruder Schritt zu halten. Er hatte es scheinbar eilig, in den Speisesaal zu kommen und etwas zu Essen zu bekommen. Als sie ihn so betrachtete, wirkte er ihr in diesen Klamotten noch fremder, als er ihr sowieso schon erschienen war.

In der Tür eines Saals kamen sie zum stehen. Fast wäre sie in André hineingerannt, weil er so plötzlich angehalten hatte. Verwirrt sah sie sich um und staunte. „Wow", entfuhr es ihr. Ein großer Speisesaal erstreckte sich vor ihnen. Wie in der Eingangshalle bedeckte dunkles Parkett den Boden. Große bodentiefe Fenster reihten sich zusammen mit weißen Säulen ordentlich an der linken Wand auf. An der rechten Wand teilten sich die Säulen mit Gemälden und Pflanzen den Platz. Den Raum füllten mehrere eingedeckte Tafeln, an denen teilweise Schüler saßen, die sich unterhielten und nebenbei etwas aßen. Am Ende des Raumes war ein Buffet aufgebaut mit fertig belegten Sandwiches und kleinen Snacks. „Hol dir so viel du magst, dann gehen wir nach draußen." Als André sprach, drehten sich einige der Schüler, die dort saßen, zu ihm und seiner Schwester um. Die Gespräche verstummten und mehrere schimmernde Augenpaare sahen sie an. Oh man. Jetzt lag die gesamte Aufmerksamkeit auf ihr. Also atmete Amalia tief ein, strich ihren karierten Rock glatt und ging los. Während sie lief, spürte sie die durchdringenden Blicke der anderen auf ihr. Obwohl sie zügig ging, hatte sie das Gefühl, nicht von der Stelle zu kommen. Der Weg zum Buffet wurde mit jedem Schritt länger. Sie zwang sich, ruhig zu atmen. Sie hasste es, angestarrt zu werden.

Als sie nach einer halben Ewigkeit endlich bei den Snacks angekommen war, schaute sie sich hastig um, was sie sich nun mitnehmen könnte. Im Hintergrund hörte sie jemanden tuscheln. „Ist sie das? Aber sie hat doch kein Licht in sich!" „Das ist doch ein Witz!" „He, wo willst du Normalo denn hin?" Ein Stuhl wurde zurückgeschoben. Schritte. Amalia griff schnell nach einem Sandwich und einer Wasserflasche und wandte sich zum Gehen, doch weit kam sie nicht, denn sie drehte sich geradewegs in jemandes Arme. Verdutzt ging sie rückwärts und stieß gegen den Tisch. „Derek!", rutschte es ihr überrascht heraus. „Hey Amalia! Alles in Ordnung?", fragte Derek und lächelte sie an. Er lächelte. „Ich, ähm... Ja, denke ich...", stammelte sie. Wieso ausgerechnet er? Sie versuchte sich an ihm vorbeizudrängen, doch er ging einen Schritt in den Weg. Ein Blick in Richtung André genügte, um zu wissen, dass er mehr als bloß aufmerksam das Schauspiel beobachtete. „Gut", begann Derek wieder. „Ich wollte dich fragen, ob du später Zeit hast, um zu reden?" Amalias Augen wurden groß. „Was?" Offenbar etwas verlegen fuhr er sich durch seine braunen Haare. Wie immer waren sie ein wenig verwuschelt, aber trotzdem sahen sie ordentlich aus. „Nun ja, nicht lange, nur ganz kurz." Als sie nicht darauf antwortete, sprach er einfach weiter. „Also, wenn du mein Angebot annehmen möchtest, dann warte ich nach dem Abendessen in der Eingangshalle am Weihnachtsbaum auf dich. Du kannst gerne kommen, wenn du nicht möchtest, kannst du das Angebot auch einfach ignorieren." Er legte den Kopf schief und lächelte wieder. Seine hellblauen Augen funkelten. „Dann also vielleicht bis später." Damit ging er wieder zurück an seinen Platz. Kurz blickte sie ihm hinterher. Ein Junge, der braunes kurzes Haar hatte, einer mit hellbraunen Haaren und einer auffällig trainierten Figur und ein Mädchen mit dunkelrot gefärbten Haaren funkelten sie finster an. Schnell wandte sich Amalia ab und ging zurück zu ihrem Bruder. „Alles gut?", fragte André, als sie bei ihm ankam und musterte seine Schwester bedenklich. „Alles bestens!", sagte Amalia sarkastisch und ging an ihm vorbei, damit sie sich schnell neben dem Eingang des Saals vor den Blicken der anderen in Sicherheit bringen konnte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 09 ⏰

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