Als Amalia nach dem letzten Gong den Unterricht verließ, wollte sie einfach nur so schnell wie möglich nach Hause. Es ist alles ein schrecklicher Alptraum. Sie wurde zusammen mit dem Menschen, der sie vermutlich am wenigsten mochte, auf ein Internat geschickt. Irgendwo in Europa; hoffte sie zumindest. Eine Sache wusste sie jedoch genau: sie würde weit weg von ihren Eltern sein. Sie würden ihr nicht helfen können. Was war eigentlich mit André? Ob es ihm gut geht?
Gedankenverloren wanderte Amalia durch die verschneiten Straßen um nach Hause zu kommen. Der Himmel war weiß. Eine dünne gleichmäßige Wolkendecke zog über die Stadt. Kein Lüftchen wehte. Auf dem Gehweg lag eine dünne Schicht frischer Schnee, der bei jedem Schritt knirschte. Gestreut waren die Wege nur mit Sand, denn bei dem Schneefall machte es kaum Sinn, die Seitenstraßen zu streuen.
Gerade bog Amalia um die Mauer der Grundschule, die auf ihrem Nachhauseweg lag, schon wurde sie am Arm gepackt und rückwärts in eine Mauernische gezerrt. Bevor sie überhaupt einen Laut von sich geben konnte, wurde ihr eine Hand auf den Mund gelegt. Sie zappelte um sich aus dem Klammergriff zu befreien, doch ihr auf dem Rücken verdrehter Arm, wurde einfach nicht losgelassen. Panik stieg in ihr auf. Oh nein. „Also, Johansson, ich werde dich jetzt loslassen. Du wirst nicht schreien. Ich werde dir auch nichts tun, ich muss nur mit dir reden." Es war Derek. Derek Coleman. Sein kräftiger Körper dicht an ihren gedrängt, damit sie sich nicht befreien konnte. Amailia spürte seinen Atem an ihrem Hals. Sein Duft war gemischt mit seinem ganz speziellen Aftershave. Der Duft war sanft, das machte ihn aber nur noch bedrohlicher. Sie zitterte am ganzen Körper. Wieso immer ich? So langsam reichte es ihr. Aber was konnte sie schon tun? Vielleicht war es besser so, wenn sie auf diese komische Schule ging. Dann könnte sie von Neuem beginnen...
„Also? Einverstanden oder was jetzt?", drängte Derek. Vorsichtig nickte sie. Als er sie langsam los ließ, stoppte ihr Zittern sofort. Amalias Körper stand trotzdem noch unter kaum erträglicher Spannung. Sie drehte sich um. Nun stand Derek vor ihr. Bloß einen Meter entfernt. Seine hellblauen Augen schauten, nein, starrten sie förmlich an. Sein braunes Haar war wie üblich ein wenig verwuschelt, dennoch wirkte es perfekt gestylt. Seine kräftige Statur wirkte angespannt, bedrohlich. Nach langem Schweigen ergriff er schließlich das Wort. „Also, Amalia", begann er. Er betonte ihren Namen eigenartig. „Was ist an dir so besonders, dass sie dich ans Collêge holen? Du gehörst doch gar nicht in die Nachtwelt. Du hast kein Licht in deinen Augen. Und spüren kann ich es auch nicht!" Er spuckte die Worte förmlich aus. Genau, was ist an mir besonders? „Ich..." Sie stoppte. Was sollte sie sagen? Amalia hatte doch selbst nicht den blassesten Schimmer, was das ganze überhaupt war. In ihrem Kopf hallten die Worte ihrer Mutter: ich bin ja angeblich ein Dämmerlicht... was immer das auch sein mag. „Ich weiß es nicht.", brachte sie knapp hervor. Er zog eine Braue hoch. Sein Körper entspannte sich etwas. „Du weißt es nicht? Ah, ja. Klar. Also hast du heute erst von dem Collêge erfahren, ja?" Gereizt verschränkte er die Arme vor der Brust. Seine dicke Winterjacke spannte sich ein wenig. Derek lehnte sich rückwärts gegen die dunkelrote Backsteinmauer. „Dann erzähl doch mal, was du weißt, hm?" Sein Blick wanderte einmal an ihr hinab und wieder hinauf. „Amalia Johansson." Sie starrte ihn an. „Derek, ich... ich habe keine Ahnung, was das hier alles soll." „Ts, komm schon. Jake war nicht ohne Grund hier. Stell dich nicht dumm. Bist du so wie er, Johansson? Bist du zwischen den Seiten?" „Ich sagte dir bereits, dass ich keine Ahnung habe!" In seinen Augen Blitze plötzlich etwas auf. Ehe sie sich versah, schnellte er nach vorn und presste Amalia an ihren Schultern gegen die Mauer. Vor Schreck hatte sie ihre Hände flach an die kalte Backsteinwand gedrückt. Derek war nur noch wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Er schaute ihr tief in die Augen. Seine Augen wirkten, als könnte er in ihren Kopf eindringen. Seine Augen... Derek trug Kontaktlinsen! Leicht schimmerte ein weißer Ring um seine Augen. War Derek wie Jake? Oder war er ‚normal'?
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Lost Magic - Sie wissen, dass du anders bist.
Fantasy»Nach langem Schweigen ergriff Derek schließlich das Wort. „Also, Amalia", begann er. Er betonte ihren Namen eigenartig. „Was ist an dir so besonders, dass sie dich ans Collêge holen?" Er spuckte die Worte förmlich aus. Genau, was war an ihr besond...