Kapitel 13

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"Kannst du mir den Pfeffer reichen?", fragt Henri mich über den üppig gedeckten Tisch hinweg. 

"Wenn ich mir sicher sein kann, dass er wieder zurück kommt.", entgegne ich während ich mich bereits vorbeuge. 

"Hier.", reiche ich ihm den Pfeffer.Er schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an und schüttelt dabei leicht den Kopf.

"Danke dir!", antwortet er gekünstelt freundlich.

Den ganzen Abend geht das nun schon so. Sticheleien hin und her. Mehrdeutige Sätze unserer Seits und verwirrte Blicke von den anderen. Dabei muss natürlich gesagt sein, dass er angefangen hat. Ich würde so etwas nie anfangen. Aber er ist natürlich so kindisch. Wie passend, dass er zwischen den anderen Kids sitzt.

"Hier hast du deinen Pfeffer wieder!", sagt Henri mit seinem schiefen Lächeln auf dem Gesicht.

"Ach, weißt du ich brauche den Pfeffer gar nicht.", antworte ich ihm mit meinem Mona Lisa Lächeln. "Wenn ich so darüber nachdenke mag ich Pfeffer nicht einmal!"

"Ach so! Dann kann er ja hier bleiben.", sagt Henri.

"Ja, quasi wo der Pfeffer wächst!", Eins zu Null für mich würde ich sagen.

Henris Vater muss lachen. Gut, dass konnte man nun tatsächlich als Witz verstehen. Sie wissen ja nicht, was für ein Duell wir führen. Ich widme mich wieder ganz meinem Teller. Etliche politische Gespräche später stehen wir auf. Olivia möchte meinen Hilfe nicht annehmen, weswegen ich nun im Salon stehe und nicht so wirklich weiß, was ich mit mir anfangen soll. 

"Lass uns reden.", sagt Henri plötzlich von hinten.

"Auf gar keinen Fall.", antworte ich ohne mir die Mühe zu machen mich umzudrehen. Dann fällt mir ein, wie ich ihn los werden kann. Etwas lauter sage ich nun: "Weißt du Henri? Du solltest etwas vorspielen!".

"Was für eine tolle Idee.", sagt Henris Dad, der auf dem eleganten Sofa sitzt. 

Nun will ich mich umdrehen. In Henris Gesicht sieht man die Verwirrung. Bis er mein Lächeln wohl gedeutet hat, denn man kann die Erkenntnis, die die Verwirrung ablöst, ebenso in seinem Gesicht lesen. 

"Ja, was für eine tolle Idee Aurora.", setzt er an. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass da noch etwas kommt. In seiner Stimme liegt etwas. Doch er setzt sich an das Klavier. Und in genau dem Moment, in dem ich mich umdrehen will, kommt es.

"Wusstet ihr eigentlich, das Aurora extrem gut singt?", verkündet Henri gekünstelt begeistert.

Mein Kopf schnellt dermaßen schnell zu Henri zurück, dass ich meine Haare regelrecht die Luft schneiden fühle. 

"Was hältst du von einem Duett?", fragt Henri mit schrägen Kopf und natürlich schrägem Lächeln. 

"Also, das ist nun wirklich eine fantastische Idee. Findest du nicht auch Olivia?", sagt Henris Dad, der das ganze wohl echt interessant findet.

"Oh, wie wundervoll. Davon muss ich Rose unbedingt eine WhatsApp Nachricht schicken!", freut sich Rose.

Ich wurde mit zu viel Anstand erzogen, als dass ich mich aus dieser Miesere retten könnte. Also laufe ich langsam zu Henri. Unweigerlich frage ich mich, ob das gerade Karma ist. Henri hat mir gegeben, was ich ihm gegeben habe. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass er sich am Klavier wohl fühlt. Ohne, dass ich überhaupt mit meinen Gedanken neben Henri ankommen kann, erkenne ich die Melodie, die er anspielt.

Ich atme tief ein und setze an. Wohl bedacht die ersten Töne so harmonisch wie möglich von mir zu geben.


  Moon river, wider than a mile
I'm crossin' you in style some day
Old dream maker, you heartbreaker
Wherever you're goin', I'm goin' your way


"Seit wann kannst du so gut singen?", fragt Roxy mich lachend.

"Ha ha ha.", antworte ich.

"Nein, ernsthaft. Das klang echt gut.", mischt Maxwell sich von hinten ein. Ich rede mal wieder über Facetime mit Roxy. Nachdem Rose ihr das Video gezeigt hat, dass Olivia ihr tatsächlich geschickt hat. Hat Roxy sich sofort gemeldet. Außerdem hat Olivia auf Instagram und Facebook ein Bild von uns beiden am Klavier hochgeladen. Ich konnte meinen sechs Sinnen nicht trauen, dass diese Situation wahr ist. 

"Wie auch immer, es war wirklich das Highlight des Abends!", lacht Roxy sich krumm.

"Das glaube ich dir.", antworte ich. Ich bin inzwischen Zuhause in meinem Bett. Geschafft von diesem Tag. "Ich lege jetzt auf.", sage ich. Ich habe eine Pause verdient.

"Gute Nacht Auri.", sagt Roxy.

Ich werfe ihr noch einen stummen Kuss zu und lege dann auf. Auf meinem Handybildschirm sehe ich eine Nachricht. Jud alias Matthew.

Hey, wie war dein Tag?

Ich lege mein Handy auf meinen Nachttisch und laufe in meine Küche um mir einen Tee zu kochen. Ich stehe gerade mit dem Wasserkocher am Wasserhahn, als mein Telefon mehrere Töne von sich gibt. Ich stelle den Wasserkocher in die Station und laufe wieder zum Handy. Als ich den Bildschirm sehe schlägt mein Herz höher. Henri. Er hat mir das Video und die Bilder auf WhatsApp geschickt. Er tippt.

Es war schön heute.





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