Als ich am nächsten Morgen aufwache bin ich alleine im Zimmer. Das bodentiefe Fenster steht offen und der Vorhang weht nach draußen. Von der Küche kommen Geräusche und ich vermute, dass die anderen bereits frühstücken.
Ich trage nun auch meinen Pyjama und werfe mir noch schnell meinen Morgenmantel um ehe ich mich auf den Weg zu den anderen mache."Guten Morgen", begrüße ich die Runde. Maxwell steht am Herd und macht Spiegeleier. Roxy steht mit Starbucks-Bechern am Tresen, Lauren und Nicolas sitzen am Tisch. Keine Spur von Henri.
"Guten Morgen!", grüßt Roxy mich. "Der Kaffee, den wir gestern gekauft haben war fürchterlich - also haben wir schnell welchen bei Starbucks geholt."
"Ich bin also genau im richtigen Moment aufgestanden.", scherze ich. Roxy nickt und streckt mir lächelnd einen Becher entgegen. "Wo steckt Henri?", frage ich.
"Der hatte eine Verabredung zum Frühstück.", antwortet Nicolas.
"Eine Verabredung?", frage ich.
"Ja.", antwortet Nicolas. Unterdessen blicken Lauren und Roxy skeptisch zu mir rüber.
Ich nehme einen Schluck von meinem Iced Coffee und hoffe erstens, dass sich in ihm Vanillesyrup befindet. Zweitens? Dass ich mit ihm meine Gefühle runter schlucken kann!
Am Abend sind wir alle zusammen essen. Wir haben uns für ein kleines Restaurant entschieden, das uns von Olivia empfohlen wurde. Die Atmosphäre ist familiär und ausgelassen. Der Kellner, ein älterer Mann, der gebrochenes Englisch mit uns spricht, obwohl Lauren fließend Französisch spricht, empfiehlt uns ein Gericht nach dem anderen. Immer wieder mit der Begründung oui oui müssen sie einfach probiert haben. Also füllt sich unser Tisch wie von alleine mit einer französischen Spezialität nach der anderen. Wir probieren alle von allem etwas. Und es dauer nicht lange, bis sich die familiäre und ausgelassene Stimmung auf uns überschlägt.
"Wir sollten feiern gehen - ich hab einen Club nicht weit von unserem Apartment empfohlen bekommen.", sagt Lauren.
"Also ich bin dabei!", antwortet Roxy sofort.
"Ich bin, wo du bist.", antwortet Maxwell mit Blick zu Roxy.
"Ich bin, wo Lauren ist.", sagt Nicolas.
"Ich bin, wo ihr Turteltauben seid.", sagt Henri lachend.
"Dito.", antworte ich.
Nach dem Essen laufen wir zum Apartment, wo wir uns fertig machen. Ich entscheide mit für einen tief ausgeschnittenes Sakko und Top mit einer Anzughose und klassischen Pumps, alles in weiß. Meine Lippen trage ich rot und meine Haare offen. Lauren und Roxy haben sich für Kleider entschieden. Laurens ist schulterfrei und rot, Roxys ist beige, hochgeschlossen und gerade geschnitten.
"Ich mache meine Lippen auch rot!", sagt Roxy, als ich meine Lippen nachziehe.
"Ich auch! Wir sind schließlich in Paris. Hier wurden rote Lippen erfunden.", wirft Lauren ein. Ich muss lachen. Bereit für die Nacht in Paris treten wir ins Wohnzimmer des Apartments, in dem die Jungs schon auf uns warten. Nicolas sitzt tief eingesunken auf der Couch. Maxwell sitzt auf einem Stuhl, als würde er im Wartezimmer beim Zahnarzt auf seinen Namen warten. Henri blickt aus dem Fenster, bis sein Blick auf mich fällt - und sich dort zu verhaken scheint. Er trägt wie immer graue Jeans, die aussehen als hätten sie mehr mitgemacht als die Weltgeschichte, ein graues Shirt, das aussieht als hätte er es gestern gekauft. Dazu ausnahmsweise Lederschuhe, vermutlich nur um in den Club rein zu kommen. Das letzte Mal, als ich ihn Lederschuhe tragen gesehen habe war im Chateau. Um seinen Hals hängt seine Kette.
"Auf geht's!", sagt Maxwell, springt von seinem Wartestuhl hoch und marschiert zur Tür. Wir laufen ihm alle hinterher. Der Club ist tatsächlich nicht weit von unserem Apartment. Wir sin innerhalb von Minuten dort.
Als wir rein laufen wechselt die Musik gerade von einem französischen Rap Song zu Summertime Sadness von Lana del Rey. Lauren, Roxy und ich wechseln Blicke - es sieht vielversprechend aus.
"Tanzen!", schreit Roxy, ich verstehe sie kaum aber ich kann mir auch schon denken, was sie meint. Lauren und ich laufen ihr hinterher auf die Tanzfläche. Ich weiß nicht, wie lange wir tanzen bis Maxwell plötzlich zu uns geeilt kommt. Er greift Roxy an der Hand und zieht sie von der Tanzfläche. Sie macht keine Anstalten und folgt Maxwell, genau wie wir. In mir steigt Panik auf, ich frage mich was passiert ist. Lauren nimmt meine Hand und drückt sie leicht. Draußen spricht Max endlich.
"Henri ist zwischen eine Prügelei geraten.", setzt er an.
"Wo ist er?", platzt Lauren. "Und Nicolas!"
"Im Krankenhaus. Mit dem Taxi. Er hat eine Platzwunde.", sagt Maxwell. In mir bricht Panik aus. Ich mache mir plötzlich Sorgen und Vorwürfe. Wäre das auch passiert, wenn ich bei Henri gewesen wäre? Wenn Henri nicht draußen gewesen wäre, sondern bei mir auf der Tanzfläche?
"Wir fahren nach.", sagt Roxy.
"Genau.", antwortet Maxwell.
Die Taxifahrt ins Krankenhaus in Paris kommt mir unmöglich lang und zäh vor. Und als wir ankommen renne ich fast zum Empfang.
"Henri de Vidal.", sage ich, es wäre mehr als unnötig mehr von mir zu geben. Die Dame antwortet mir und ich verstehe gar nicht, was sie meint. In einem anderen Zustand ruhig und gelassen würde ich das Französisch übersetzen können aber jetzt gerade rieseln die Worte nur so durch mich durch. Lauren übersetzt und ich eile die Treppe hoch, denn für den Aufzug habe ich keine Geduld. Bei Zimmer 208 angekommen öffne ich die Tür mit Schwung.
"Henri!", rufe ich. "Was machst du denn!"
"Aurora.", antwortet er. Ich laufe gerade auf ihn zu, er sitzt recht aufrecht auf dem Bett und blickt mir überrascht entgegen. An seinem Kopf ist eine genähte Wunde. Es sieht tatsächlich halb so wild aus aber ich mache mir nach wie vor Sorgen. Nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt umarme ich ihn.
"Was machst du denn?", flüstere ich.
Er legt seine Arme um mich und ich löse mich auch schon wieder von ihm. Die anderen kommen wenige Sekunden darauf rein und reagieren alle mit Fürsorge. Nach einer Weile merken wir alle, dass es Henri den Umständen entsprechend gut geht und die Stimmung wird wieder lockerer. Lauren und Roxy sind aneinander gelehnt eingeschlafen und Maxwell unterhält sich mit Henri.
"Kommst du mit mir Kaffee holen?", fragt Nicolas.
"Klar.", antworte ich.
Wir laufen die Treppen runter und stellen uns in der Cafeteria bei einem Kaffeeautomaten an. Voll bepackt mit Kaffee machen wir uns wieder auf den Weg nach oben. Nicolas sieht plötzlich aus, als wolle er etwas sagen, aber traut sich nicht wirklich. Also bleibe ich stehen um ihn besser anschauen zu können. Wir stehen mitten auf der Treppe.
"Was ist los?", frage ich ihn.
Er schüttelt erst den Kopf. Ich blicke ihm entgegen und ziehe irgendwann fragend die Augenbrauen hoch.
"Nicolas?", frage ich.
"Du und Henri.", setzt er an.
Damit hat er entgültig mein Interesse geweckt.
"Ja.", antworte ich.
"Du hättest damals nicht das mit Brian abziehen sollen Aurora.", sagt er schließlich.
"Wie bitte?", rufe ich verwirrt.
"Wirklich, das war nicht cool.", sagt Nicolas erklärend - für ihn jedenfalls.
"Nicolas, ich hab keine Ahnung was du meinst.", antworte ich.
DU LIEST GERADE
AURORA
ChickLitDas Leben kann verwirrend sein - vor allem als Teenager. Darüber kann Aurora, ein Lied singen. Denn zwischen Familie, Freunden und Freizeit ist leider eine ganze Menge Platz für Drama. Von der Zicke, die sich täglich im Intrigen fädeln übt bis zum J...