Zu vage

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,,Blaise, er ist einfach gegangen. Er hat nicht mal gesagt, wohin er geht. Er ist einfach weg".

Beruhigend legt Blaise seinem besten Freund den Arm um die Hüfte und drückt das Gesicht desjenigen an seine Schulter, in der Hoffnung, die Tränen würden langsam aufhören zu fließen.

,,Die Ungewissheit zerfrisst mich einfach. Vielleicht ist er jetzt gerade sturzbesoffen und liegt in einer verlassenen Nebengasse. Oder er ist bei Ron und Hermine und redet ganz schlecht über mich. Dabei habe ich mir das gute Verhältnis zu ihnen nur für Harry hart erarbeitet. Und er macht es jetzt vielleicht einfach mit ein paar Worten einfach so wieder kaputt. Ganz ehrlich, manchmal frage ich mich echt, wie ich mich in den verlieben konnte. Es gibt nur Probleme".

Wenn man nur Dracos Stimme hören würde, könnte man meinen, alles sei gut und okay. Wenn man aber in sein Gesicht sieht, kann man sich sehr gut vorstellen, wie es ihm wirklich geht. Die Tränen laufen immer noch wie aus Bächen aus seinen rotgewordenen Augen und seine Haut wirkt noch blasser als sonst.

,,Komme Draco, beruhige dich. Deine Vermutungen sind viel zu vage. Ich bringe dich jetzt ins Bett und morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, gut ?".

Draco bringt nur ein schwaches Nicken zustande und lässt sich von Blaise nach oben in sein Bett bringen.

Nachdem Blaise gegangen ist fühlt sich Draco so alleine wie nie zuvor. Die Tränen laufen immer schneller über seine Wangen und auch einige tiefe Schluchzer bleiben nicht aus. Er liegt ganz alleine in dem viel zu großen Bett, welches Harry und er vor ein paar Jahren gemeinsam gekauft haben.

Zu der Zeit war noch alles sehr gut zwischen den beiden. Alles erschien ihnen neu und aufregend, es gab keine Streitpunkte und sie konnten quasi nicht voneinander ablassen. Immer wurden sie in versteckten Ecken und toten Winkeln beim Rummachen gesehen. Dass das irgendwann nachlassen würde, war ihnen natürlich klar und kam beiden auch ganz normal vor. Irgendwann reichte Draco die Aufmerksamkeit, die er sich mühselig bei Harry erkämpfen musste, aber nicht mehr. Harry benutze für seinen Geschmack zu viele 'Vielleichts', wurde ihm zu vage.

Dann hat Draco sich endlich dazu ermutigt, seinen Freund darauf anzusprechen, glaubend, dass sie eine gemeinsame Lösung finden würden. Und was hat er davon ? Liegt alleine und weinend in ihrem gemeinsamen Bett, da Harry natürlich ganz andere Ansichten hatte und diese auch lautstark vertreten hat.

Draco ist so tief in seinen Gedanken versunken, dass er gar nicht mitbekommt, wie sich unten die Tür öffnet und Harry leise das Haus betritt. Erst als sich die Matratze vorsichtig neben ihm senkt, schreckt er aus seinen Gedanken hoch und bemerkt, dass Harry wieder zuhause ist.

Erleichterung durchflutet augenblicklich seinen Körper. Je länger es allerdings still im Raum bleibt, desto mehr weicht das Gefühl der Erleichterung und macht Platz für Ungewissheit.

Harry schaut ihn einfach nur stumm an, während er neben ihm liegt und Draco immer nervöser wird. Keiner spricht, beide finden nicht die richtigen Worte für ein Gespräch.

,,Das ist mir alles zu vage geworden, Harry".

Der Blonde beobachtet die Reaktion seines Gegenübers genau, sieht, wie sich seine Augen verengen und seine Augenbrauen zusammenziehen, wie er ansetzt, etwas zu sagen, aber den Mund dann doch wieder schließt, um die richtigen Worte zu finden. Ja, er kennt seinen Partner, kann aus seinem Gesicht die Gefühle lesen und aus seiner Stimme seine Laune deuten.

,,So ist die Liebe. Ein gewagtes Risiko mit vielen Gefahren und sehr großem Schmerzpotential. Sie ist vage".

Draco schluckt. Weiß er sonst doch immer etwas mit den Worten seines Partners anzufangen, kann er diese nicht deuten. Weiß nicht, ob Harry ihre Beziehung beenden möchte oder ob überhaupt eine tiefere Bedeutung hinter seinen Worten steckt. Er weiß nur, dass er nicht vage sein möchte und Harry nicht vage für ihn sein soll und dass er den ehemaligen Gryffindor viel stärker liebt, als ihm recht ist. Als ihm vorher bewusst war.

,,Heirate mich. Dann muss ich nicht vage sein und du bist es nicht mehr".

Harry wendet seinen Blick von Draco ab und schaut auf die Decke über sich. Auch der Blonde dreht sich auf den Rücken und starrt an die Decke. Dass Harry ihm nicht vor Begeisterung in die Arme springt, das war ihm klar, aber trotzdem schmerzt ihn diese Reaktion, ist wie ein Stich in sein schon angeknacktes Herz. Und obwohl er Harry so  sehr liebt, dass es fast schon weh tut, denkt er darüber nach, seine Sachen jetzt einfach zu packen und zu gehen. Nie mehr wieder kommen und in völliger Einsamkeit sterben.

,,Ich weiß nicht, Draco. Vielleicht, okay ?".

Er hatte schon nicht mehr mit einer Antwort gerechnet. Aber da ist sie. Und wenn er ehrlich ist, wäre ihm keine Antwort lieber gewesen. Dann wäre es eindeutig gewesen und er wäre gegangen und natürlich hätte es ihm das Herz gebrochen, aber da wäre er drüber weggekommen.

Jetzt ist es wieder vage und wieder zu viel 'Vielleicht', nicht eindeutig. Harry bemerkt nicht, wie sehr er Harry mit seiner Wortwahl verletzt. Vielleicht ist es ihm über die letzten Monate hinweg auch einfach egal geworden, vielleicht ist Draco ihm gleichgültig.

,,Du machst viel zu vieles nur 'Vielleicht'".

Draco hört, wie sich Harry wieder in seine Richtung dreht, starrt aber stur wie er nun mal ist weiter an die Decke. Er will Harry spüren lassen, dass er verletzt ist. Falls dieser das überhaupt bemerkt. Er spürt, wie die verräterischen Tränen wieder in seine Augen treten und kneift diese deshalb fest zusammen.

Ein leises Rascheln ist zu hören, dann fühlt er, wie Harry sanft die Konturen seines Gesichtes mit den Fingerspitzen nachfährt. Es ist nur eine kleine Geste, aber sie bedeutet Draco in diesem Moment mehr als alles andere auf der Welt.

,,Ich weiß. Es tut mir Leid. Ich kriege das wieder hin, versprochen".

Und dann verlassen sie ihn doch. Die Tränen. Aber er wird getröstet und es ist okay, zumindest für den Moment.

Okay ?
Okay.









Drarry OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt