,,Ich hab' Dich angerufen. Mindestens fünfzig Mal."
Mit diesen Worten hatte Isabelle Ava einige Tage später am Morgen begrüßt, als die Schwarzhaarige vor der Tür ihrer besten Freundin gestanden hatte. Es war gerade mal halb acht gewesen, aber da Ava wusste, dass Isabelle um neun einen Gerichtstermin hatte, nahm sie es ihr nicht besonders übel.
Ava hatte sie widerwillig hineingelassen, woraufhin Isabelle es sich auf einem der Sofas im Wohnzimmer bequem gemacht, und Ava Tee gekocht hatte.
,,Ich hab Dich gesehen. Letzte Woche. In den Nachrichten", meinte Isabelle nun, nachdem Ava ihr eine Teetasse gereicht und in ihrem Sessel neben dem Sofa Platz genommen hatte. Ava saß selbst von ihrer Teetasse auf und Isabelle fragend an.
,,Tu nicht so, als wüsstest Du nicht, wovon ich rede. Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als ich Dich da gesehen habe."
,,Ich hab gedacht, Du warst an dem Tag im Gericht ?" fragte Ava nun und nippte an dem Tee.
Isabelle arbeitete als Anwältin für Strafrecht in einer der bekanntesten Kanzleien Londons und war - zu Avas Erstaunen - mehr als gut in dem, was sie tat. So hatten sich die Beiden mehr oder weniger kennengelernt; Isabelle musste einen Mandanten bei einem Tötungsdelikt vertreten und hatte deshalb eng mit dem Scotland Yard zusammengearbeitet. Ava hatte damals die Ermittlungen zu dem Fall geleitet. Der Rest hatte sich ergeben.
,,Wegen diesem Tötungsdelikt, ja", meinte Isabelle gelangweilt und beäugte desinteressiert ihre Teetasse. ,,Das war allerdings zwei Stunden, bevor das Ganze passiert ist. Und diesen Knall konnte man schlecht überhören. Wieso bist du eigentlich nicht ans Handy gegangen ?"
Ava warf Isabelle einen kurzen, zerknirschten Blick zu und nahm einen großen Schluck aus ihrer Teetasse, um nicht antworten zu müssen, doch Isabelle war bereits auf die Sofakante nach vorne gerutscht und sah Ava mit hochgezogener Augenbraue an. Diese seufzte nun und rollte genervt mit den Augen, bevor sie die Teetasse klirrend auf dem überfüllten Glastisch abstellte.
Ava tappste zu einer alten, weißen Kommode hinüber. Sie zog eine kleine, durchsichtige Plastiktüte aus der oberen Schublade und warf diese Isabelle hinüber, welche sie geschickt auffing und den Inhalt skeptisch begutachtete Sie runzelte die Stirn. In der Tüte befanden sich die Überreste von Avas ehemaligen Smartphone: Ein zersplittertes Display, ein kaputter Akku und noch etliche, undefinierbare Kleinteile.
Ava hatte sich wieder auf dem alten Ledersessel niedergelassen. ,,Na ja, ich bin ohne größere Verletzungen davongekommen. Von dem Handy kann man das nicht gerade behaupten."
Isabelle machte ein anerkennendes Geräusch. ,,Starke Leistung. Das kannst auch nur wieder Du schaffen."
,,Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir ein Neues zu besorgen", erklärte Ava und warf ebenfalls einen Blick auf das kleine Tütchen, welches Isabelle nun auf die Seite legte.
,,Gut, dass..." meinte Isabelle während sie aufstand und auf ihren Absätzen in den Flur und zu ihrem Mantel stolzierte. ,,Mir Matthew gestern Abend eines für Dich hat zukommen lassen."
Isabelle warf Ava eine kleine, rote Packung zu und setzte sich wieder ihr gegenüber. ,,Das ist nicht sein Ernst ?" sagte Ava empört und betrachtete das Schächtelchen. ,,Seit wann hat er wieder Kontakt zu dir aufgenommen ? Ich dachte, die Zeit der totalen Überwachung wäre vorbei..."
Isabelle zuckte nur mit den Schultern. ,,Er hat sich das erste Mal einige Tage nach dem Flugzeugabsturz bei mir gemeldet. Gesagt, ich soll ein Auge auf Dich haben."
,,Schönen Dank auch, dass ich das jetzt erst erfahre", sagte Ava gereizt und öffnete das kleine Schächtelchen. ,,Na toll, jetzt hat er auch wieder meine Handynummer."
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[London's Tributes] Pulvis et umbra
Action,,Man ist nie nur da zu Hause, wo man wohnt. Nur da, wo man verstanden wird. Und fehlt mir das Vertrauen vom MI5, von Ihnen, dann werde ich hier nie wirklich Zuhause sein. Nur wieder zurück in England." Die Mordermittlerin Ava Ward führt ein zunächs...