Drei Worte

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Seit einer Stunde schneite es unablässig dicke Flocken, welche dabei waren, die ganze Welt unter einer weißen glänzenden Schicht zu verbergen. Dann werden es ja doch noch weiße Weihnachten, freute ich mich und blickte dem aufgeregten Treiben auf der Straße zu. Aus dem Radio ertönte zum wiederholten Male Last Christmas. Also alles so, wie jedes Jahr.

„Was gibt es denn da, interessantes zu sehen?" fragte sie mich keck. Sie hatte die Nase fest an die Scheibe gedrückt und versuchte meine Gedanken und meinen Blick auf die Welt da draußen zu erhaschen.

„Nichts." antwortete ich ihr verlegen und wendete meinen Blick wieder ihr zu. „Ich ... war nur etwas in Gedanken." entschuldigte ich mich. Sie hob ihre rechte Augenbraue und sah mich eindringlich an. Es war, als versuchte sie meine Gedanken zu lesen, als versuchte sie in meine Seele einzutauchen. Eine Kellnerin kam und brachte zwei Tassen mit heißer Schokolade. Sie sah mich noch einmal fragend an, dann nahm sie ihre Tasse und blies vorsichtig über den Tassenrand. Stumm saß ich ihr gegenüber und beobachtete sie dabei. Das wäre jetzt der richtige Augenblick, dachte ich und versuchte mich zu sammeln.
„Weißt du," begann ich, ohne sie aus den Augen zu lassen, „wir kennen uns jetzt schon so lange und ..."

„Ja?" Sie stellte die Tasse auf den Tisch und blickte zu mir hinüber. Oh, ich hasste das, wenn sie mich so ansah und ich kein Wort über die Lippen bekam. Ich versuchte ihrem Blick auszuweichen und begann nervös mit dem Zeigefinger, imaginäre Kreise auf der Tischplatte zu ziehen. „Und?" fragte sie noch einmal erwartungsvoll und lächelte dabei verschmitzt. Ich biss mir auf die Lippe.

„Das was ich sagen will ist ..." Sie nahm wieder ihre Tasse und nippte vorsichtig daran, ohne von mir weg zu sehen. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, die komplett trocken schienen. So gut wie möglich versuchte ich zu überspielen, dass mir langsam die Röte ins Gesicht schoss.
„Ich meine, ein Jahr, das ... das ... das ist eine lange Zeit und ..." noch immer fehlten mir die Worte. So lange hatte ich mich auf diesen Abend vorbereitet und nun war alles weg. In meinem Kopf herrschte absolute Leere. Sie stellte ihre Tasse wieder auf den Tisch, stützte ihr Kinn auf die Hände und lächelte mich an. Die Stille war mir peinlich und ich konnte meinen Herzschlag in meinem Kopf pochen hören. Und je länger sie mich ansah, um so schneller wurde der Rhythmus meines Herzens. Ein Tropfen lief langsam an der Außenseite ihrer Tasse hinunter. Behutsam nahm sie ihn auf den Zeigefinger und leckte ihn ab.
„Also, das was ich dir die ganze Zeit sagen will ist, das ich ..." Mein Herz schlug nun so schnell, dass ich das Gefühl hatte, es wäre kurz davor zu explodieren. Langsam schob sie ihren Stuhl zurück und kam auf meine Seite des Tisches.

„Ich weiß!" flüsterte sie mir zu. Dabei berührten ganz sanft ihre Lippen mein Ohr. Mir stockte der Atem und mit einem Mal schien die Welt um mich herum, still zu stehen. „Ich liebe dich auch!" sagte sie und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

(geschrieben 2000)

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