Masken

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Ich hasste Partys. Doch John, mein bester Freund seit Kindertagen, war der Meinung, dass nun endlich Schluss mit meinem Singledasein sollte und es Zeit für eine neue Beziehung war. Und was wäre dafür geeigneter, als eine Maskenparty. Das waren dann schon zwei Dinge, die ich hasste: Verkleiden und Party. Aber ich ließ mich überreden und stand nun am Rand und schaute auf eine tobende Menge. Ich hatte meinen besten Anzug angezogen und John gab mir eine schwarze Augenmaske. Somit sah ich aus, wie eine Mischung aus James Bond und Zorro.
„Los, komm doch mit feiern!" rief John mir zu, der sein Gesicht hinter einer Panda Maske versteckt hatte.
„Nee, lass mal!" lehnte ich dankend ab. „Von hier habe ich eine ganz gute Übersicht." John zuckte nur mit den Schultern und verschwand laut grölend wieder in der Menge. Nein, Partys waren wirklich nichts für mich.
Ich ließ mein Blick durch den Saal streifen und entdeckte in der hintersten Ecke eine junge Frau. Sie saß alleine an einem Tisch und beobachtete von dort das ausgelassene Treiben. Ihre Maske hatte sie vor sich auf den Tisch abgelegt und so konnte ich ihr makelloses Gesicht sehen. Ich setzte meine Maske ebenfalls ab, nahm all meinen Mut zusammen und ging zu ihr. Höfflich fragte ich sie, ob ich mich zu ihr setzen könnte. Sie nickte mit einem Lächeln und wies auf den Platz neben sich.
„Tolle Party!" begann ich das Gespräch, nur um irgend etwas zu sagen.
„Ich hasse Partys." antwortete sie knapp. Ich musste grinsen.
„Ich eigentlich auch." gab ich ehrlich zu. „Mein Freund hat mich dazu überredet." Ich zeigte auf John, der gerade wild mit zwei Mädchen tanzte.
„Mich hat eine Freundin mit hier her gebracht, damit ich mal unter Leute komme. Ich bin neu in der Stadt und kenne kaum jemanden hier. Und da war sie der Meinung, dass eine Party genau das Richtige für mich wäre. Sie amüsiert sich auf jeden Fall und wie es scheint, versteht sie sich sehr gut mit deinem Freund." Sie lachte und zeigte auf das Mädchen mit dem Pferdeschwanz, das John gerade innig küsste. Der Aufreißer, dachte ich nur.
„Sag mal, was hältst du davon, wenn wir hier einfach verschwinden und uns ein nettes kleines Café suchen? Ich bin übrigens Nina."
„Ich bin Holger." stellte auch ich mich vor. „Ich kenn eines, dass ist nicht weit von hier entfernt. Die haben den besten Milchkaffee der Stadt. Versprochen."

Das Glück war auf unserer Seite, denn das Café war fast leer. Es war Samstagabend und die meisten waren sicher irgendwo feiern. Wir suchten uns einen Tisch in einer gemütlichen Ecke und bestellten bei der Kellnerin zwei Milchkaffee und zwei Stück Sahnekuchen. Ich war begeistert. Endlich mal eine Frau, die nicht mit Kalorien zählen beschäftigt war und trotzdem eine super Figur hatte. Und sie war wunderschön.
„Ich glaube, hättest du deine Maske aufgehabt, ich hätte dich nicht gesehen." nahm ich unser Gespräch wieder auf.
„Wir alle tragen Masken, immer und überall. Auch ich." sagte sie und nippte gedankenversunken an ihrer Tasse. „Nur selten erlauben wir unserem Gegenüber dahinter zu blicken, weil wir uns dafür schämen oder aus Angst davor was Andere dann von uns denken." Sie seufzte. Ich merkte das sie etwas bedrückte, aber sie wollte nicht mit mir darüber reden. Und ich wollte sie nicht dazu drängen. Sie verwarf den Gedanken und lachte. Da war sie wieder, die Maske. Aber ich kannte all das nur zu gut. Auch ich hatte meine kleinen dunklen Geheimnisse, meine Probleme, die ich kaum jemanden anvertraute. Auch ich konnte meine Rolle perfekt spielen. Doch heute würde keiner von uns Beiden die Maske abnehmen, es war einfach gerade alles perfekt und wir genossen den Moment.
Den restlichen Abend verbrachten wir ausgelassen. Es gab viel zu lachen, ich erzählte ihr fast jede Peinlichkeit, die mir passiert war und sie konnte immer noch einen draufsetzen. Wir vergaßen komplett die Zeit um uns herum. Das Café war inzwischen leer und die Kellner begannen bereits aufzuräumen. Ich bezahlte die Rechnung und wir bestellten ein Taxi für Nina.

„Können wir uns wieder sehen?" fragte ich hoffnungsvoll, während wir draußen warteten. Sie schien kurz zu überlegen.
„Vielleicht. Ich habe noch viel zu erledigen, muss einiges in meinem Leben aufräumen und wieder Ordnung reinbringen. Ich kann dir nichts versprechen." Wieder hatte sie ihre Maske etwas gelüftet. Nur ein wenig, für einen kurzen Augenblick. Denn gleich darauf knuffte sie mich in die Seite und lachte. „Zieh nicht so ein Gesicht. Ich hab ja nicht Nein gesagt." Das Taxi kam. Schnell kramte ich in meiner Jackentasche und holte eine Serviette hervor.
„Hier!" sagte ich und reichte ihr die Serviette, auf die ich meine Telefonnummer geschrieben hatte. „Du kannst mich jeder Zeit anrufen, wenn du jemanden zum Reden brauchst." Sie fiel mir um den Hals und gab mir zum Abschied noch einen Kuss auf die Wange. Dann stieg sie in das Auto ein und verschwand im Lichtermeer der Stadt. Ich war glücklich, wie seit Monaten nicht mehr. Was für eine tolle Frau.

Inzwischen war Donnerstag und ich hatte nichts mehr von Nina gehört. Vielleicht würde ich nie wieder etwas von ihr hören, ich wusste es nicht. Aber erst einmal musste ich mich um mich selbst kümmern. Noch eine Gemeinsamkeit, die wir hatten. Bei mir gab es auch eine Menge in meinem Leben, das ich in Ordnung zu bringen hatte. Ich ging den Gang entlang, den ich die letzten Wochen schon so oft betreten hatte und ging in das Zimmer, wo das heutige Treffen stattfand. Hier war der einzige Ort, wo ich mir zumindest etwas hinter meine Maske blicken ließ und mich zusammen mit den Anderen meinen Problemen stellte.
Astrid, die Gruppenleiterin, wollte gerade beginnen, als es an der Tür klopfte. „Ist das hier das Treffen der Anonymen Alkoholiker?" fragte eine mir bekannte Stimme, von der ich nicht gedacht hätte, das ich sie so schnell wieder hören würde. Astrid nickte und Nina kam herein. Es waren nur noch zwei Stühle frei, einer mir gegenüber und einer neben mir. Zielstrebig kam sie zu mir und setzte sich neben mich.
„Es ist schön, dass du den Weg in unsere Gruppe gefunden hast. Stell dich doch bitte mal vor." sagte Astrid freundlich.
„Hallo, mein Name ist Nina und ich hab seit einem Monat keinen Alkoholmehr angerührt. Vor einer Woche bin ich hier her gezogen um mir ein neues Umfeld zu schaffen." Astrid bedankte sich und hieß Nina in der Gruppe willkommen. Nach und nach stellten sich auch die Anderen vor, ich war als letztes dran. Stolz erzählte ich, dass ich inzwischen fast ein halbes Jahr keinen Alkohol mehr getrunken hatte. Als ich fertig war, nickte ich Nina freundlich zu. Sie lächelte zurück und in ihren Augen konnte ich sehen, dass sie froh war, mich hier getroffen zu haben. Nun verband uns noch mehr und ich war sicher, zusammen werden wir es schaffen. Und eines Tages werden wir vielleicht keine Masken mehr tragen müssen.


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