Teil 1

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Meine Stirn glänzte vor Schweiß und meine langen Haare hingen mir wirr ins Gesicht. Schon seit fünf Wochen arbeitete ich nun auf diesem Schiff, sehnsüchtig die Ankunft in einer kleinen Handelsstadt namens "Halfmoonbay" erwartend. Das hatte einen guten Grund, denn sobald das Schiff anlegte würde alles anders werden. Mein neues Leben würde nun endlich beginnen und ich konnte meine Vergangenheit ein für alle Mal hinter mir lassen. Der Kapitän dieses Schiffes war ein älterer, bärtiger Mann mit einem kantigen Gesicht und verschmitzten Augen. An seinem Blick konnte man erkennen, dass er früher wohl ein wahrer Wirbelwind gewesen war und seiner Mutter oft verzweifelte Stunden beschert hatte. Baltasar war noch immer ein aufgeweckter Kerl, aber wahrscheinlich mit den Jahren etwas ruhiger geworden. Ich hatte den alten Kauz wirklich lieb gewonnen, doch eine Sache störte mich gewaltig und trieb mich regelmäßig an den Rand der Verzweiflung. Er konnte sich keine Namen einprägen. Entweder das oder er liebte es einfach mich bis zur Weißglut zu treiben. "Gertruda?", ertöhnte ein Ruf. Dieses Mal hatte der Namen noch nicht einmal eine winzig kleine Ähnlichkeit mit dem meinigen. Naja, beide endeten auf "a", doch das wars dann aber auch schon. Ich seufzte abgrundtief, raffte mich auf, um der Stimme Baltasars zu folgen und machte mich auf den Weg in seine "heiligen Hallen", wie er sie immer gerne nannte. In der Kajüte angekommen blieb ich erst einmal breitbeinig mit verschränkten Armen stehen. "Was gibt es Chef?" "Hast du das Deck fertig geschrubbt?", fragte er in einige, so wie es aussah, sehr alte Dokumente vertieft. "Natürlich.", gab ich kopfnickend zurück. "Gut, gut." Einige Sekunden trat Stille ein und ich trat unruhig von einen auf den anderen Fuß. "Weshalb haben Sie mich nun gerufen?", fragte ich nun ein wenig ungeduldig. Endlich sah Baltasar auf und richtete seine stechend blauen Augen auf mich. "Du bist mir in diesen Wochen gut zur Hand gegangen Josepha und da wir nun schon in zwei Tagen ankommen werden, habe ich nun vor dich entsprechend zu entlohnen." Arghhh, er hatte es schon wieder getan! "Bevor Sie das tun, möchte ich, auch wenn Sie es mit Sicherheit wieder vergessen, daran erinnern, dass meine richtiger Name Luna lautet und nicht Josepha, Ilsa oder irgendwie anders.", bemerkte ich mit zusammengekniffenen Augen. "Das weiß ich doch Alicia." Ich geb's auf. "Zurück zu deiner Entlohnung.", sagte der Alte und holte ein, schon etwas verstaubtes, älteres Buch aus der Schublade seines mächtigen Eichenschreibtisches. Der Einband war rot und mit goldenen Verzierungen umrahmt. Ich verzog meine Augen zu engen Schlitzen. "Ein Buch?", fragte ich spöttisch und mit hochgezogenen Augenbrauen. "Es ist nicht irgendein Buch. Es ist ein ganz besonderes Buch.", gab Baltasar mit geheimnisvoller Miene und gedämpfter Stimme zurück, so als hätte er Angst belauscht zu werden. Ich hatte mir wochenlang wortwörtlich den Arsch für diesen Kerl aufgerissen und alles was ich dafür erhielt war ein jämmerliches Bündel Papier?! Das ging eindeutig zu weit. Ich kratzte mein letztes bisschen Selbstbeherrschung zusammen und murmelte ein schnelles Danke in Richtung des Kapitäns und lief, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hoch erhobenen Hauptes aus dem Raum. Mit hochrotem Kopf bahnte ich mir meinen Weg durch das rege Treiben an Deck. Vor meiner Kabine hohlte ich tief Luft, stieß die Tür auf und schmiss sie geräuschvoll hinter meinem Rücken zu, dann macht ich ersteinmal meinem Ärger Luft. Das nächste was mir ins Auge fiel war eine Vase, die einen Augenblick später klirrend an der Wand zerschellte, doch das war nicht genug. Das nächste Ding, ein alt aussehendes Gemälde folgte gleich darauf. Meine Wut war nun ein kleines bisschen verebbt und lieferte sich nun mit einem übergroßen Maß an Verzweiflung ein Rennen. Mein Lohn sollte mir doch einen Neustart ermöglichen, mir das Zurechtfinden in der neuen Stadt erleichtern. Stattdessen hatte ich so einen alten Schinken erhalten, der wahrscheinlich nicht einmal fünf Pfifferlinge wert war. Ich fasste mir an den Hals und umschloss einen kleinen, kühlen Gegenstand, der dort baumelte. Es war mein wertvollster Besitz und um keinen Preis auf der Welt, auch nicht um zu überleben, würde ich ihn weggeben. Ich betrachtete den, wahrlich mit den Händen eines Meisters, eingearbeiteten türkisen Stein und die filigranen Halterungen, die ihn mit der Kette aus Silber verband. Diese Kette hatte mir vor langer Zeit meine Mutter geschenkt und es war das Letzte, das mich mit ihr verband. Das und ein paar verschleierte, kaum mehr vorhandene Erinnerungen. Ich musste einmal hart Schlucken und eine Schwere legte sich über mein Herz, wie jedes Mal, wenn meine Gedanke in diese Richtung schweiften. Ein leises Klopfen war an der Tür zu vernehmen und holte mich somit aus meinen trüben Gedanken. Ohne eine Antwort abzuwarten öffnete sich die Tür und ein gutaussehender Junge betrat das Zimmer.

Soooo das wars mit dem ersten Teil;) Wer wohl der Junge ist? Keine Angst, Fortsetzung folgt bald:D

NeverlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt