-Thorin-
Sie wiederzusehen, war wie ein Schlag ins Gesicht. Sie ist immer noch so wunderschön wie früher. Aber etwas hatte sich verändert. Der Glanz, das Funkeln in ihren Augen war verschwunden. Die Augen die ich so geliebt hatte. Ich hatte nicht erwartet sie hier zu sehen. Ich hätte nicht erwartet, sie jemals wieder zu sehen.
Von der Verbannung hatte ich zwar vage gewusst. Allerdings waren wir davon ausgegangen, das sie tot wären. Aber Anscheinend war ihr Schicksal, mindestens so grausam wie das unsere gewesen. Allein die Narben an ihren Unterarmen, wiesen darauf hin. Ich wollte lieber nicht wissen wie der Rest ihres Körpers aussah. Von ihrer Seele ganz zu schweigen.Ich begann zu zweifeln, an meiner Wut. Ich hatte ihr die letzten 170 Jahre die Schuld an unserem Schicksal gegeben. Aber jetzt als ich hörte, was sie dem Hobbit erzählte. Was, wenn es wirklich nicht ihre Absicht gewesen war. Hatte ich ihr Unrecht getan? Wahrscheinlich.
Ich hörte wie die Haustür aufging und Balin heraustrat. Er setzte sich zu mir auf die kleine Bank.
"Hättest du gedacht das sie noch lebt?" fragte ich ihn. "Nein. Aber ich bin mir sicher, das sie sich gewünscht hat tot zu sein, nachdem man sie ihrer Freiheit beraubt hat." Ich stimmte ihm zu.
"Sie hat fast nichts mehr geliebt, als ihre Freiheit." stellte ich fest.
"Nur dich und diesen Drachen." Überrascht sah ich Balin an.
"Guck nicht so Junge. Ihr habt euch bemüht. Aber du bist zu oft morgens aus ihrem Gang gekommen. Und nicht selten war dein Hemd falsch geknöpft. Und spätestens die Blicke die ihr euch zugeworfen habt, hätten euch verraten." Balin lächelte mich wissend an.
"Hat es noch wer bemerkt?"
"Nur dein Großvater und dein Vater."
"Und sie haben nichts dazu gesagt?"
"Nun, in ihrem Volk ist sie eine Prinzessin und damit eine angebrachte Partie."
Mir schwirrten so viele Gedanken in meinem Kopf umher, das ich gar nicht wusste was ich sagen sollte. "Rede mit ihr Junge. Um euer beider Willen, wenn es stimmt was sie dem Hobbit gesagt hat, dann tragen auch wir eine Mitschuld am Schicksal des Erebors. Und Thorin? Ich hoffe du weißt was die Sache mit ihren Haaren bedeutet!"
Ich blieb noch eine Weile sitzen und dachte über Balins letzte Worte nach. Irgendwo hatte er recht. Wir hatten sie in die Schatzkammer geschleppt. Wir hatten ihr das Gold gezeigt, das Smaug durch ihre Verbindung sehen konnte. Und ihre Haare, da hatte er natürlich auch recht. Ich wusste, was das zu bedeuten hatte. Früher hatten sie immer gebrannt, wenn wir uns geliebt hatten. Ihr ganzer Körper schien dann, von innen heraus zu brennen. Die Gedanken daran, bescherten mir ein angenehmes Kribbeln im ganzen Körper.Ich erhob mich von dem Platz auf der Bank und ging wieder rein. Die anderen schienen schon zu schlafen, denn ich vernahm ein lautes Schnarchen. Doch ehe ich mich zu meinen Gefährten gesellte, wollte ich sie noch einmal sehen.
Vor ihrer Tür verharrte ich. Was wenn sie wach war? Dann müsste ich Fragen beantworten. Und die ehrliche Antwort wollte ich ihr noch nicht geben. Leise drückte ich die Klinke herunter. In ihrem Zimmer war alles dunkel. Ihr gleichmäßiger Atem, verriet mir das sie schlief. Neben ihrem Bett stand ein Sessel, den ich nun anvisierte.
Schon früher hatte ich es geliebt ihr beim Schlafen zuzusehen. Im Gegensatz zu vorhin, sah sie nun vollkommen entspannt aus. Die roten Haare waren quer über ihren Oberkörper verteilt. Nur ihre spitzen Ohren, guckten hervor. Ihr Hemd war ein wenig verrutscht und gab den Blick auf ihre Schulter frei. Die weißen Narben waren deutlich zu erkennen. Doch diese hier konnten aus keinem Kerker Mittelerdes stammen. Diese waren von einem Drachen verursacht. Von Smaug, als sie sich ihm in den Weg gestellt haben musste. Eine andere logische Erklärung konnte es nicht geben.
"Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, Rhae. Ich hoffe du kannst mir eines Tages verzeihen." flüsterte ich leise.
"Thorin..." Ich erschrak.Doch sie schien nur zu träumen. Von mir. Das gab mir Hoffnung, das auch in ihr noch Gefühle für mich schlummerten. Obwohl mir ihre Haare, schon ein deutliches Indiz geliefert hatten.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es schon hell draußen. Und es war verdammt unbequem. Ich brauchte eine Weile um mich zurecht zu finden. Ich ließ meinen müden Blick fahrig durch das kleine Zimmer schweifen. Als mein Blick jedoch an einer Person mit feuerroten Haaren hängenblieb, war ich schlagartig wach. So ein Mist! Ich war einfach eingeschlafen. Und jetzt würde sie sicher nach einer Erklärung verlangen.
"Was machst du hier? Mich bewachen?" fragte sie scharf. Ihr Körper sprach eine andere Sprache. Sie saß in ihrem Bett, soweit wie nur möglich von mir entfernt. Die Decke hatte sie eng um ihren schmalen Körper geschlungen und die Gelassenheit von gestern Nacht war verschwunden. Doch was mich am meisten beunruhigte, war der Blick aus ihren Augen. Sie hatte Angst vor mir. Das versetzte mir einen Stich ins Herz. Sie sollte keine Angst haben. Nicht vor mir.
"Es tut mir leid aber ich muss eingeschlafen sein." versuchte ich mich rauszureden.
"Aber. warum. hier.?" hakte sie nach.
"Weil Bombur und Gloin schnarchen." versuchte ich es halbherzig.
"Du lügst. Sag mir die Wahrheit!" verlangte sie. "Wolltest du sichergehen, dass ich nicht abhaue? Oder versuche Kontakt mit meiner Bestie aufzunehmen?"
Den letzten Satz schleuderte sie mir förmlich entgegen. So langsam wurde ich nun auch wütend. Konnte sie mich denn nicht einmal ausreden lassen?! Dieses sture Weibsbild!
"Jetzt hör doch auf!" polterte ich nun los und stand auf. Sofort verkrampfte sie sich noch mehr.
Ich wollte einen Schritt auf sie zumachen und mich entschuldigen, aber sie sprang aus dem Bett und deutete auf die Tür.
"Geh! Geh bitte einfach raus, damit ich mich ankleiden kann."
Ich sah das ihr Arm zitterte. Was hatten sie nur mit ihr gemacht? Oder war es meine Schuld? Aber ich folgte ihrer Bitte. Die Tür ließ ich zufallen und stapfte dann wütend zu den anderen.Balin sah mich fragend an, aber meine Miene schien ihm Antwort genug zu sein. Kurz nach mir kam auch Rhaena aus der Kammer. Ihr Blick war mindestens so düster wie meiner. Schweigend aßen wir etwas und machten dann die Pferde fertig.
"Wo ist Bilbo?" wandte sie sich an Balin.
"Er will nicht mitkommen." Sie sah enttäuscht aus. Wahrscheinlich war es besser, wenn er hier blieb.
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Bei Durins Barte
FantasyVor vielen Jahrtausenden verbannt, wird ihre Hilfe jetzt benötigt. Doch spaltet das die Bewohner Mittelerdes. Kann man ihnen wirklich vertrauen? Oder warten sie nur auf ihre Chance sich zu rächen? Werden sie am Ende mehr Tote hinterlassen als Lebend...