Kapitel 1 - Lyanna

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Lyanna saß angelehnt an einen Baum, außerhalb der Mauern Winterfells. Es war ihr eigentlich nicht erlaubt ihr Zuhause zu verlassen, doch manchmal hielt sie es bei dem ganzen Lärm im Hof einfach nicht aus.
Dies war ihr Lieblingsplatz. Die Bäume um sie herum schirmten alle anderen Geräusche ab und man konnte nur die Blätter im Wind rascheln hören. Die Strahlen der Mittagssonne fanden hier und da ihren Weg durch die Äste und lagen warm auf ihrer Haut. Es interessierte sie auch nicht, dass ihr Kleid durch das feuchte Gras nass und dreckig wurde. Sie würde dafür wahrscheinlich später noch Ärger von Septa Aegina bekommen. Gerade war sie einfach froh in diesen Moment Ruhe zu finden. Hier konnte ihr niemand vorschreiben was sie zu tun hatte.
"Ich könnte einfach weglaufen" dachte Lyanna. "Ich könnte einfach weglaufen und mich weigern ihn zu heiraten. Ich würde im Wald leben und selber jagen.", träumte sie weiter. Doch ihr war klar, dass sie das niemals machen würde. Ihre Familie war ihr zu wichtig und sie würde es nie übers Herz bringen ihre Geschwister zu verlassen. Außerdem würde ihr Zwilingsbruder Ed sie sowieso überall finden.
"Doch wenn ich bleibe und eventuell diesen sothoryschen Prinzen heiraten muss, sehe ich meine Familie sowieso nie wieder."
Der Kontinent Sothoryos liegt südlich von Essos. Vor 10 Jahren übernahm ein Mann namens Argilac die Herrschaft des gesamten Kontinents und erklärte sich zum König von Sothoryos. In den letzten Jahren wuchs dieses verwilderte Land zu einer Großmacht heran, vor der sich nicht nur Lyannas Vater fürchtete. Vor 3 Monaten hatten die Sothoryiten den Süden Essos erobert und alle Städte um die Rote Wüste sind nun im Besitz von Argilac.
Sie wusste, dass eine Ehe der einzige Weg wäre um den Frieden zwischen Westeros und Sothoryos zu bewahren, aber warum musste ausgerechnet sie dieses Gewicht auf ihren Schultern tragen?
Heute morgen erst hatte ihr Vater verkündet, dass es vielleicht sie sein würde die den Sohn Argilacs heiraten müsse. Lyanna wusste, dass Jon das genauso wenig wollte wie sie, doch er musste im Sinne seines Volkes handeln. Eine seiner Töchter musste Argilacs Sohn Durran heiraten. Da ihre zwei kleineren Schwestern noch nicht im heiratsfähigen Alter waren, blieb die Auswahl zwischen Lyannas älterer Schwester Alysa und ihr.
Alysa war das genaue Gegenteil von Lyanna. Sie machte immer genau das, was man von ihr erwartete: sie war ordentlich, konnte sticken und trug immer die schönsten Kleider. Das Außergewöhnliche an ihr war jedoch, dass sie weißes Haar hatte. Alle anderen Geschwister hatten braune Haare, so auch Lyanna. Ihr Vater war zwar halb Targaryen, jedoch hatte seine Mutter Lyanna Stark, nach welcher sie benannt wurde, Braunes Haar und so hatte Jon trotz weißhaarigem Vater pechschwarze Haare. Und jeder weiß, dass dunkles Haar immer dominiert. Nur bei Alysa eben nicht. Und so wurde sie wegen ihrer Haare nach der Königin Alysanne Tagaryen benannt.
Ihre Tante Daenerys sagte immer, Alysa sei etwas Besonderes. Da Daenerys keine Kinder bekommen konnte, sollte Alysa ihre Thronfolgerin werden. Diese lebte bereits seit 2 Jahren bei Daenerys in Dragonstone, um sich an ihr zukünftiges Königreich zu gewöhnen und das Regieren zu lernen. Wenn sie jedoch jetzt Durran heiraten sollte, würde sie die Thronfolge nie bekommen. Das würde Daenerys nie zulassen.
Es war also fast in Stein gemeißelt, dass Lyanna als Ehepartnerin ausgewählt werden würde.
Bis jetzt hatte sie Glück gehabt: Sie war bereits 17 Jahre alt und trotzdem war sie noch nicht verheiratet. Die meisten Mädchen in ihrem Alter lebten schon seit mindestens 2 Jahren in einer Ehe. Doch ihr Vater wusste, dass sie den Gedanken an ihre Hochzeit unerträglich findet. Ihre Aufgabe wird es sein Babys zu gebären und zu erziehen. Sie wird ihrem Mann dienen  und tun müssen was er sagt. So wie sie jetzt schon tut was Alle ihr sagen.
"Wann kann ich eigentlich mal über mich selber entscheiden?"
Nächste Woche würden sie nach Dragonstone reisen und Jon und Daenerys würden entscheiden, wer Argilacs Sohn heiraten müsse.
"Wenn Alysa diejenige ist, wird sie ausflippen!", dachte Lyanna. Ihre Schwester sah zwar aus wie ein Engel und verhielt sich meistens auch so, jedoch konnte sie auch richtig wütend werden. Wenn sie ihre Thronfolge verlieren würde, würde sie sauer auf Lyanna sein, das war sicher.

"Hier bist du!"
Lyanna zuckte vor Schreck zusammen. Neben ihr stand ihr Zwilingsbruder Ed. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und runzelte die Stirn.
"Ich habe dich überall gesucht. Septa Aegina hatte mal wieder eine ihrer Wutausbrüche, als sie gesehen hat, dass du nicht zum Unterricht erschienen bist. Sie hat so geschimpft, dass sie nicht mal gemerkt hat, dass ich auch verschwunden bin."
Er lachte und ließ sich neben Lyanna nieder. Auch sie musste kichern. Sie konnte sich die Situation gut vorstellen.
"Sie wird gar nicht erfreut sein wenn wir gleich zurück kommen. Sie ist bestimmt schon zu Vater gegangen und hat sich darüber beschwert, wie schlecht erzogen wir seien.", antwortete sie mit gespielter Sorge in ihrer Stimme. Ed lächelte und fuhr sich durch seine dunklen Haare. Sie hatten die gleiche Farbe wie ihre. Sie sahen sich generell sehr ähnlich: Sie waren gleich groß, hatten die selben dunklen, fast schwarzen Augen. Ihr großer Bruder Robb sagte immer, wenn Lyanna sauer sei würde er es nicht wagen ihr in die Augen zu schauen.
"Deine Augen werden dann noch dunkler als sie eh schon sind. Kein Wunder dass sich keiner mit dir anlegt", hatte er erst letztens gesagt nachdem sie sich mal wieder mit Septa Aegina gestritten hatte.
Lyanna wusste, dass er recht hatte.
Ed und sie hatten beide diesen starren Blick, der für manche einschüchternd wirken konnte. Vor allem wenn sie sauer war. Dann wirke ihr Blick angsteinflößend. Da stimmte sogar Ed zu. Er war nie wirklich wütend und behielt immer die Ruhe. Ihm standen diese dunklen Augen irgendwie. Sie strahlten eine gewisse Selbstsicherheit aus, die er eigentlich gar nicht besaß. Tatsächlich machte er sich immer sehr viele Sorgen. Seine größte Angst war wohl, den Anforderungen ihrer Eltern nicht standhalten zu können. Er war nicht wirklich das, was man sich unter einem vorbildlichen Lord vorstellte. Er war kein besonders guter Kämpfer und es interessierte ihn nicht ob er gewann oder verlor.
Ed schaute sie nachdenklich an. Er war besorgt, das erkannte sie sofort.
"Vater hat es dir erzählt?" Fragte Lyanna mit trockener Stimme.
Er blickte auf den Boden und nickte kaum merklich.
"Ich habe versucht ihn umzustimmen, aber er lässt sich Nichts sagen. Das können sie doch nicht machen, dich ans andere Ende der Welt schicken!" Sagte er aufgebracht.
"Mach dir keine Sorgen", versuchte sie ihn zu beruhigen, "Ich werde dort schon zurecht kommen. Du kennst mich doch."
Er runzelte die Stirn und nickte leicht.
"Wer weiß wann wir uns wiedersehen... ob wir uns wiedersehen!"
Er sah sie mit schmerzerfüllten Augen an. Dann senkte er seinen Blick zurück zum Boden. Lyanna konnte es nicht aushalten ihren Bruder so zu sehen. Sie legte die Arme um seinen Hals und zog ihn an sich.
"Natürlich werden wir uns wiedersehen. Dafür werde ich sorgen!"
Jetzt klang ihre Stimme fest und sicher. Sie hätte sich sogar fast selbst von der Wahrheit ihrer Worte überzeugt.
Aber auch nur fast.

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