Kapitel 3 - Raya

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"Du musst das Schwert höher halten Serena."
"Es ist zu schwer. Ich will nicht mehr kämpfen." 

Raya saß auf einem Baumstamm und sah zu wie ihre kleine Schwester Serena versuchte sich gegen ihre große Schwester Lyanna zu behaupten. Sie scheiterte kläglich. Serena hatte sich geweigert ihr Kleid für Hose und Hemd einzutauschen und nun stolperte sie alle zwei Sekunden. Außerdem war das Holzschwert für Rayas schwache kleine Schwester viel zu schwer. Sie schwang es unkontrolliert durch die Luft und es traf nie auch in die Nähe von Lyannas Körper.

"Sie ist noch schlechter als ich. Was eigentlich nicht möglich sein sollte."
Lyanna sah Raya vorwurfsvoll an und schüttelte den Kopf.
"Sie ist ja auch jünger als du. Mit etwas Übung wirst du das schon hinkriegen Serena.", sagte sie zuversichtlich.

Lyanna hatte sich in den Kopf gesetzt Raya und Serena das Schwertkämpfen beizubringen. Sie war der Meinung, dass es Mädchen genauso wie Jungen erlaubt sein sollte zu kämpfen. 

So hatten sich die drei Schwestern mit drei Schwertern, die Lyanna aus dem Stall geschmuggelt hatte, heimlich in den Wald vor der Burg geschlichen und übten schon seit mindestens einer Stunde. Raya hatte sich schon ein wenig verbessert und hielt das Schwert bereits richtig. Serena hingegen war eine einzige Katastrophe und würde sich wahrscheinlich nie verbessern. Sie hatte von Anfang an keine Lust gehabt und Lyanna brauchte lange Zeit um sie zu überreden. Sie war nun mal eine richtige Lady und das schon mit acht Jahren. Auch Raya kam mit dem Lady-sein im Gegensatz zu ihrer großen Schwester im Großen und Ganzen gut zurecht. Doch auch wenn sie sich nicht besonders dafür interessierte, konnte sie sich gut anpassen.

"Ich habe aber keine Lust mehr. Von wegen das macht Spaß.", quengelte Serena.
Raya stand auf und wollte gerade Serena anmeckern sie solle aufhören zu heulen als sie ein Rascheln hinter ihr hörte. 

Ihr großer Bruder Ed kam hinter einem Baum hervor und schaute die Drei vorwurfsvoll an. Lyanna versteckte schnell ihr Schwert hinter ihrem Rücken; Serena schaltete leider nicht so schnell. Ed hatte ihr Holzschwert bereits gesehen und Rayas lag sowieso direkt vor seinen Füßen.

"Vater wird sich hier drüber nicht besonders freuen.", bemerkte Ed lachend.
"Vater ist mit ganz anderen Sachen beschäftigt. Er hätte gar nicht die Zeit sich hier drüber nicht besonders zu freuen.", antwortete Raya unbeeindruckt.
Ed zog die Augenbrauen hoch. "Da ist aber jemand schlecht gelaunt."
Sie rollte die Augen und sah genervt weg. Er hatte Recht; Raya war schlecht gelaunt. 

Lyanna hatte ihnen am Morgen erzählt, dass sie sie bald verlassen würde um irgend so einen doofen Prinzen zu heiraten. Sie wollte nicht, dass Lyanna geht. Serena hatte geweint, als sie es gehört hat. Für sie war es besonders schwer. Nachdem ihre große Schwester Alysa Winterfell verließ, sprach sie ganze zehn Tage kein Wort. Serena vergötterte sie und ihr größter Wunsch war so auszusehen - ganz und gar so zu sein - wie sie. 

Da Mutter seid längeren krank war und auch Vater sich wegen seiner vielen Arbeit nicht um sie kümmern konnte, verbrachten sie viel Zeit mit Ed und Lyanna. Lyanna würde ihnen sehr fehlen.

"Und sind sie gut?", fragte Ed Lyanna. Sie wollte antworten, doch Raya fiel ihr ins Wort.
"Wenn du mit gut schlecht meinst dann ja.", sagte sie genervt.
Ed kicherte. "Schlechter als ich werdet ihr schon nicht sein."
"Dann solltest du mal Serena kämpfen sehen. Ich hatte die ganze Zeit Angst sie würde sich noch selbst umbringen."
"Sei nicht so gemein Raya." Ed blickte sie vorwurfsvoll an. Raya zuckte nur mit den Achseln und schaute zu Boden.
"Ist mir doch egal!", sagte Serena wütend. "Ich werde nicht nochmal kämpfen. Ich hatte von Anfang an sowieso keine Lust darauf." Sie stapfte an ihnen vorbei in Richtung Burg.
"Wo gehst du denn jetzt hin Prinzesschen?" Ed griff mit einem Arm nach Serena, hob sie hoch und schon lag sie über seiner Schulter.
Serena lachte und kreischte gleichzeitig."Lass mich runter, lass mich runter... Bitte!"
Ed ließ sie zu Boden sinken und zerstrubelte ihr langes braunes Haar.
"Ich gehe nur Rickard suchen.", aufgeregt fuchtelte Serena mit den Armen in der
Luft herum. "Er meinte er könnte auf seinem Pferd im stehen reiten. Das will ich unbedingt sehen."
Ed lachte "Das würde ich auch gerne mal sehen.", sagte er wenig überzeugt. "Ich komme gleich nach."
Serena nickte und hüpfte fröhlich in Richtung Burg. Auch Raya hatte keine Lust mehr zu üben.
"Ich gehe mir das auch mal angucken, auch wenn ich bezweifle, dass Rickard irgendetwas in der Art kann. Der schafft es doch gerade mal auf dem Boden zu stehen!" 

Sie drehte sich um und folgte ihrer Schwester zur Burg. Kurz bevor sie außer Reichweite war konnte sie noch hören wie Ed zu Lyanna sagte: "Vater hat es mir erlaubt. Ich werde dich nach Essos begleiten."

Raya liefen die Tränen über die Wange. Ed würde auch mit gehen und sie zurücklassen. Sie würde hier festsitzen, mit dem blöden Robb, der keine Zeit für sie hatte, mit dem Angeber Rickard und der Heulsuse Serena. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, doch es kamen immer wieder neue nach. 

Als sie an der Burg ankam ging sie an den Stallungen, wo wahrscheinlich Rickard und Serena waren, vorbei weiter in Richtung Kampfplatz. Hier war nämlich die Schmiede von Meister Reuss. Raya war mit seinem Sohn Eron befreundet und kam oft vorbei. Da sie eigentlich nicht mit Kindern des niedrigen Volkes spielen durfte, musste sie es vor ihrem Vater und dem Rest der Familie geheim halten. Nun stand sie vor der etwas spärlich gebauten Holzhütte. Die Tür war offen. Raya hatte wahrscheinlich noch keinen Tag erlebt wo sie herkam und die Tür nicht offen war. Eron meinte der Grund dafür wäre, dass alle Leute bei ihnen Willkommen seien. Der Alte Reuss meinte es wäre einfach nur dafür, dass die Wärme und der Rauch, welche die Glut verursacht, nicht die ganze Schmiede erstickt.

Raya ging hinein und zugleich stieg ihr der altbekannte Geruch nach Kohle und Rauch in die Nase. Meister Reuss stand an der Esse und war dabei ein Schwert zu schmieden. Er sah auf und als er sie erkannte lächelte er.
"Na kleine Prinzessin. Bist du wieder hier um meine Gastfreundschaft zu genießen?", er kicherte, drehte sich um und rief laut: "Eron! Deine kleine Freundin ist hier."

Raya hatte den alten Reuss sehr gerne. Er war immer freundlich zu ihr und außerdem sah sie ihm gerne zu wie er geschickt Rüstungen und Schwerter schmiedete.
Es knackste über ihnen ein wenig, man hörte Holz knarren, dann kam Eron im hinteren Teil des Raumes eine Leiter herunter geklettert. Die letzten drei Sprossen sprang er einfach hinunter, dann stand er mit seinen zerzausten braunen Haaren und seinen schmutzigen Kleidern vor ihr. 

Eron war nur ein halbes Jahr älter aber schon einen ganzen Kopf größer als sie. Noch vor einem Jahr waren sie gleich groß gewesen. Wie kann es sein, dass er sie innerhalb so kurzer Zeit einfach überholt hatte?

Er sah sie etwas irritiert an.
"Warum trägst du eine Hose?"
"Warum trägst du eine?", fragte sie genervt zurück.
Er runzelte die Stirn, dann zuckte er die Achseln, als würde er sich mit der Artwort zufrieden geben. Er schaute ihr ins Gesicht.
"Hast du geweint?", fragte er mit Spott in der Stimme.
"Nein.", antwortete Raya motzig. Dass Eron sie aufzog konnte sie jetzt wirklich gar nicht gebrauchen.
"Doch hast du!" Er ging einen Schritt auf sie zu und streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus. Raya schlug seine Hand weg. "Nein, habe ich nicht!"
Sie drehte sich weg und rann hinaus. Doch Eron lief ihr hinter her und zeigte auf ihre Wange. "Deine Wange ist feucht und deine Augen sind rot; ich sehe dass du geweint hast."

Genervt von seiner Aufdringlichkeit versuchte Raya von ihm wegzusprinten, doch Eron rannte ihr hinter her. Sie waren ungefähr gleich schnell und deswegen konnte sie ihn nicht abhängen und er sie nicht fangen. Sie liefen aus der Burg raus bis in den Wald, an dem Platz wo Raya eben noch mit ihren Schwestern gekämpft hatte vorbei, bis zum kleinen Fluss hinunter. Hier blieb Raya erschöpft stehen und setze sich ans Flussufer. Eron setze sich neben sie, als hätte er nicht noch vor zehn Sekunden versucht sie zu fangen.
Sie waren beide außer Atem. Raya beugte sich vor und ließ ihre Hand durch das Wasser streichen.

"Also, du hast geweint?" fragte er diesmal mit ernster Stimme.
Sie nickte. "Lyanna und Ed werden beide nach Essos fahren und Lyanna wird dort einen sothoryschen Prinzen heiraten und nicht wieder zurückkommen. Sie lassen uns alleine!"

"Die Wörter 'uns' und 'alleine' in einem Satz zu benutzen widerspricht sich, wenn du mich fragst.", er stubste sie aufmunternd an der Schulter an und schaute verlegen auf den Boden. "Und außerdem hast du ja auch noch mich."
Er hatte wohl Recht, schlimmer wäre es wenn, ihre anderen Geschwister auch noch gehen müssten. Dann hätte sie Serena nicht, die sie nerven konnte und Rickard nicht, mit dem sie sich streiten konnte. 

Raya lächelte Eron an. "Danke", sagte sie noch, bevor sie ihn ins Wasser schubste.

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