Lange habe ich gebraucht, ehe ich darüber schreiben möchte und konnte. Jetzt endlich ist es soweit.
Durch meine Chemo bliebt auch mir leider der komplette Haarverlust nicht erspart. Hatte er an den Beinen und an diversen anderen Stellen einen tollen Vorteil, war es für mich die Hölle, meine schönen, langen Haare zu verlieren. Vor Chemobeginn war ich sogar so weit, dass ich heulend am Tisch meiner Eltern saß und mich weigerte, eine Chemotherapie zu beginnen. Die Vorstellung ohne Haare zu sein, war schrecklich. Wer soll mich denn so noch hübsch finden? Wie, wenn ich mich nicht einmal selber so hübsch finde? Was würde Dani sagen? Mag er mich dann noch? Mit Perücke und auch ohne?
Auf den Tag genau 2 Wochen nach der ersten Chemotherapie fielen die ersten Haare. Ich zitterte zwei Wochen lang.. dann war es soweit. Ab dem ersten Haar, das fiel, knuddelte ich sie jeden Tag zusammen, kämmte sie nicht mehr und an Waschen hab ich schon gar nicht mehr gedacht. Ich wollte um alles auf der Welt diesen Ausfall hinauszögern. Natürlich war das nur Wunschdenken. Ich heulte ununterbrochen. Wenn man das nicht einmal selbst erlebt hat, kann man sich gar nicht vorstellen, wie schlimm es ist. Schon die Anprobe meiner Perücke brachte meine Tränen hervor und jetzt musste ich sie wirklich tragen. Meine Mutti schnitt mir meine Haare auf ca. 15cm und was fiel, das fiel dann.. das war mir lieber, als gleich eine Glatze zu haben, der Übergang war leichter. Ganz schlimm aber war die erste Begegnung mit Dani UND mit meiner Perücke.. ich konnte mir die Tränen gar nicht mehr verkneifen. Er sah es locker, machte noch seine Scherze „Na, du hast wohl eine neue Frisur?“. Aber ich konnte einfach nicht darüber reden oder nachdenken. Das war ein tiefer Schnitt in meine Seele und ich habe sehr lange gebraucht, um mich daran zu gewöhnen, dass diese Perücke jetzt sehr lange mein Begleiter sein wird.
Als dann die Haare büschelweise ausgingen, beschloss ich, sie komplett runter zu nehmen. Wieder erledigte meine Mutti diesen Job. Sie machte das damals schon bei meiner Oma. Ich bin da wohl wie sie. Meine Oma wollte auch nie, dass sie jemand ohne Perücke sieht – außer meiner Mutti eben. Aber so schlimm war meine erste Schur gar nicht. Wir lachten sogar. So komisch sah es aus. „So hab ich dich vor 22 Jahren das letzte Mal gesehen.“, witzelte Mutti. Jaja
Dani hat mich über ein Jahr lang NICHT EINMAL ohne Perücke gesehen. Nicht einmal nachts. Zu groß war einfach die Scham. Ich hatte Angst, dass ich ihm nicht mehr gefalle, wenn er mich so sieht. Ich wollte, dass er mich einfach so in Erinnerung behält, wie ich bin und aussah. Erst jetzt – Ende September 2011 – hat er mich das erste Mal ohne Perücke gesehen. Mittlerweile sind meine Haare 9cm lang. Es war wieder das Gleiche wie damals, als ich mich das erste Mal mit Perücke zeigen musste. Wieder standen mir bei jedem Wort die Tränen in den Augen. Wieder hatte ich Angst, ihm nicht mehr zu gefallen. Er sagt, es sehe gut aus. Ob das die Wahrheit ist, weiß ich nicht.. vlt wollte er mich auch einfach nur aufmuntern.
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Krebs
Teen FictionIch hatte eine unbeschwerte Kindheit, wuchs mit einem vier Jahre älteren Bruder, meinen Eltern und unseren Berner Sennenhunden auf. Nach erfolgreichem Schulabschluss absolvierte ich eine Lehre zur Bürokauffrau. Im Moment arbeite ich im Reisebüro als...