1. Kapitel - Bunte Stifte

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Olivia

Mit dem Blick auf das vor mir liegende Papier gerichtet, versuche ich alle Geräusche, die nach innen lärmen auszuschalten. Es ist ein sonniger Tag und liebend gerne hätte ich meinen Lernplatz am heutigen Tag nach draußen verlegt. Wären da nicht meine Kommilitonen, die sich nun lauthals und mit Picknickdecken bewaffnet auf der Wiese vor dem Studentenwohnheim niedergelassen haben, um die ersten Sonnenstrahlen des Jahres in vollen Zügen zu genießen.

Sogar durch das geschlossene Fenster kann ich sie lachen und schreien hören. Ziemlich nervig, wenn man sich versucht zu konzentrieren. Für Anfang März ist es verhältnismäßig warm und nur allzu gerne hätte ich ein Fenster geöffnet, was mir unter den gegebenen Umständen natürlich nicht möglich ist.

So sitze ich nun zähneknirschend in meinem stickigen Zimmer und schwitze vor mich hin. Vor mir ein großer Stapel Lernkarten und bunt gekennzeichnetes Papier, das ich ordentlich vor mir platziert habe.

Ich greife nach einem rosafarbenen Stift und markiere die letzten Passagen meiner handschriftlich erstellten Zusammenfassung. Der letzte Schritt vor dem langersehnten Wochenende, an dem ich endlich wieder nach Hause fahren kann, um dem stressigen Unialltag für einen kurzen Moment zu entfliehen.

Auch wenn das Wohnhaus meiner Eltern nur zwanzig Minuten entfernt liegt, hatte ich in den letzten Wochen keine Möglichkeit, sie mit meiner Anwesenheit zu beglücken. Für einen Familienmenschen wie mich eine absolute Katastrophe, denn ich verbringe im Vergleich zu meinen Mitstudenten gerne Zeit mit meinen Eltern. Vom guten Essen meiner Mutter ganz zu Schweigen.

Da ich die „heiße Phase" nun endlich hinter mich gebracht habe, freue ich mich umso mehr, die Beiden am heutigen Abend wieder in meine Arme schließen zu können.

Zufrieden lege ich den letzten Zettel auf den Papierstapel, der sich zu meiner Rechten auftürmt und lasse meinen Blick durch den kleinen Raum streichen.

Kaum zu glauben, dass ich mich auf das letzte Semester im College vorbereite. Irgendwie unheimlich, denn ich fühle mich weder erwachsen noch bereit für die große Welt, die mich bereits vor den Toren dieser Bildungsstätte erwartet. Vielleicht liegt es auch an der Tatsache, dass ich gerne die Kontrolle behalte und mein Leben bis in kleinste Detail durchstrukturiere. Nichts weicht von der Norm ab, so wie ich es mag.

Genau aus diesem Grund habe  mir auch im Vorfeld Adressen von mehreren Zeitungsverlagen herausgesucht, um mich zeitnah im Anschluss an mein Studium zu bewerben. Unter keinen Umständen will ich Gefahr laufen, mich in Zukunft mit irgendwelchen Teilzeit-Jobs über Wasser halten zu müssen. Zudem will ich meinen Eltern auch nicht mehr länger zur Last fallen, die mich seit Beginn meines Studiums finanziell unterstützen und mir somit den Rücken frei halten.

Ihre Tochter soll die Möglichkeit bekommen, sich voll und ganz auf ihr Studium zu konzentrieren, ohne sich dabei an den Wochenenden in schlecht bezahlten Jobs zu Tode zu schuften. So der Wortlaut meiner Mutter. Oft hatte ich ihr gesagt, dass ein Nebenjob kein Problem darstellen und mein Studium dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen werden würde, aber wie jedes Mal blieb meine Mutter stur und hatte in dieser Diskussion das letzte Wort.

Gedankenverloren richte ich meinen Blick wieder auf den Schreibtisch und packe meine Stifte in die dafür vorgesehen Hüllen. Ordentlich rücke ich den Stapel und die Lernkarten zusammen und packe diese in die beschrifteten Klarsichtmappen.

Das Semester ist mal wieder wie im Fluge an mir vorbeigezogen und ich kann wirklich stolz auf mich sein, denn ich habe alle schriftlichen und mündlichen Prüfungen erfolgreich absolviert. Zudem gibt es sicherlich nur eine Handvoll Studenten, die bereits alle Themen des neuen Semesters zusammengefasst und einen Lernplan erstellt haben.

Lovin Olivia (HS Fanfiction) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt