3. Kapitel - Die Abreise

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Olivia

Ich habe erwähnt, dass ich bei Nervosität dazu tendiere, mich übergeben zu müssen?!

Während sich mein Vater und meine Mutter über den zähfließenden Verkehr unterhalten, der unsere geplante Ankunft am JFK-Airport bereits um eine halbe Stunde verzögert hat, sitze ich nun auf der Rückbank des Wagens, den Kopf an das halb geöffnete Fenster gelehnt, und versuche das Marmeladenbrötchen, dass ich mir heute morgen beim Frühstück heruntergewürgt habe, bei mir zu behalten.

In der Halterung vor mir befindet sich ein großer Becher frisch aufgebrühter Fencheltee, den mir meine Mutter noch vor der Abfahrt aufs Auge gedrückt hat. Ich schätze diese kleinen Gesten, aber allein der Geruch des magenschonenden Kräuterelexiers lässt mir augenblicklich die Galle hochsteigen.

Ich habe kaum geschlafen und langsam erschleicht mich das Gefühl, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, den Praktikumsplatz direkt und ohne Umschweife anzunehmen.

Die ganze Nacht habe ich dann damit verbracht, die Vor- und Nachteile meiner Reise abzuwägen. Immer wieder habe ich mir vor Augen gehalten, dass ich dumm wäre, mir diese einmalige Chance entgehen zu lassen. Außerdem macht es sich perfekt für meinen Lebenslauf und steigert meine Chancen, nach meinem Abschluss, eine gute Anstellung zu finden. So habe ich es mir zumindest versucht schön zu reden.

Überzeugende Argumente, die mich veranlassen sollten, meine Bedenken beiseite zu schieben und mich auf dieses Abenteuer einzulassen. Wären da nicht meine hohe Erwartungshaltung und die Angst mich abseits des gewohnten und sicheren Terrains zu bewegen, die mir dabei einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machen.

Mein Ehrgeiz und gnadenloser Perfektionismus stehen mir mal wieder sprichwörtlich im Weg und lassen meine Vorfreude auf die bevorstehende Zeit immer weiter ins Bodenlose sinken.

Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, wenn ich den Boden Los Angeles' betrete. Das stellt ein erhebliches Problem dar, denn Planung ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Immer darauf bedacht, den Weg des geringsten Widerstandes zu wählen.

Dies lässt mein Leben vielleicht auf den ersten Blick unspektakulär wirken, aber ich gebe mich damit zufrieden, denn es ist wenigstens frei von Spannungspunkten und Komplikationen.

Gut, es lässt sich nicht vermeiden, dass immer wieder ungeplante Situationen auftreten, wie z.B. der Tod meines Bruders oder die Trennung von Nick, mit denen ich mich gezwungenermaßen auseinandersetzen muss.

Eigentlich habe ich auch keine Angst, mich neuen Herausforderungen zu stellen, denn für meine Verhältnisse habe ich solche Situationen bisher ziemlich souverän gemeistert. Also warum mache ich mir dann nur so viele Gedanken?

Ich kenne den Grund, denn in Bezug auf L.A. gerät meine geliebte Planungssicherheit in eine leichte Schieflage. Das einzige, das ich vor meiner Reise erhalten habe, sind die Adresse meines Wohnheims und des Plattenlabels, dazu eine Mappe mit wichtigen Dokumenten sowie das Studententicket. Und damit endet meine Aufzählung.

Auch die Praktikumsabteilung war nicht gewillt, mir detaillierte Infomationen über den genauen Ablauf dieses zweimonatigen Praktikums zu geben. Ich solle mich überraschen lassen und mich freuen. Das waren die Worte mit denen sie mich abspeisten und mich in der Unendlichkeit der Ungewissheit zurückließen. Wie soll ich mich denn bitte auf etwas freuen, wenn ich nicht mal weiß auf was ich mich freuen soll?!

Lovin Olivia (HS Fanfiction) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt